Digitalkamera Leica X1:Aufs Maximum reduziert

Schluss mit dem Vitrinendasein: Die Leica X1 bietet viele Funktionen und auch etwas für das Auge. Doch das hat seinen Preis.

Jörg Buschmann

Man könnte jetzt davon erzählen, dass Leica 1924 die Kleinbildfotografie erfunden hat, dass die legendäre Serie der M-Sucherkameras über Jahrzehnte Grundwerkzeug für jeden Fotografen war und dass einer der bekanntesten Fotografen des vergangenen Jahrhunderts, Henri Cartier-Bresson, ausschließlich mit einer Leica M fotografiert hat.

Digitalkamera Leica X1: Leica X1: Fürs Auge viel geboten

Leica X1: Fürs Auge viel geboten

(Foto: Foto: oH)

Allerdings müsste man dann auch davon berichten, dass die Kamerabauer aus Solms zu Beginn der siebziger Jahre die aus Japan kommenden Spiegelreflex-Entwicklungen verschliefen und danach der Start ins digitale Zeitalter kein leichter war.

Im Grunde wird das Geld mit asiatischen Sammlern von immer neuen Edel-Ausgaben mit Krokoleder, Hammerschlag oder Goldauflage verdient und das klassische Werkzeug des Fotografen fristet dann ein trauriges Vitrinendasein. Möglichst originalverpackt. Das soll sich nun ändern.

Viel fürs Auge

Ausgerechnet die Firma Leitz, die über Jahre die immer gleichen zwei bis drei Modelle herstellte, bringt in diesem Winter gleich drei neue Kameras auf den Markt.

Ein komplettes System mit einem sehr großen, dem früheren Mittelformat vergleichbaren Sensor für extrem gut verdienende Profis, eine Messsucherkamera mit Vollformatchip für sehr gut verdienende Profis und eine Kompaktkamera mit Festbrennweite und APS-Sensor für gut verdienende Amateure und Profis. Ein Vorserienmodell der Leica X1, seit Januar zu haben ist, soll nun die Frage beantworten, ob sich mindestens 1600 Euro für eine kompakte Kamera mit fester 36-Millimeter-Brennweite tatsächlich lohnen.

Fürs Auge wird jedenfalls viel geboten. Leica bezieht sich in der Formensprache klar auf die eigene Tradition: Die X1 sieht aus, wie eine leicht geschrumpfte Leica M, Ähnlichkeiten lassen sich bis in die fünfziger Jahre zurückverfolgen.

Eine Wohltat ist der klare Aufbau: Zwei Räder auf der Oberseite verstellen Blende und Zeit. Steht eines der Räder auf "A" für Automatik, wird die entsprechende Funktion automatisch geregelt. Stehen beide Rädchen auf "A", fotografiert man in Programmautomatik. So hat man im Grunde immer schon fotografiert. Auch das Menü und die Tasten-Funktionen sind wunderbar selbsterklärend.

Beschränkung aufs Wesentliche

Dabei hilft natürlich die Beschränkung auf das Wesentliche, das dieser Kamera zu eigen ist. Keine Filter, keine Gesichterkennung, kein Zoom. Leider auch keine überzeugende Bildstabilisierung bei langen Zeiten und keine extreme Makro-Funktion, mit der sich kleine Objekte aus nächster Nähe fotografieren lassen.

Und Bewegtbilder zeichnet die Leica auch nicht auf. Stattdessen bietet sie eine 36-Millimeter-Festbrennweite (entsprechend Kleinbild) und einen APS-C-Sensor mit 12,2 Megapixeln. Die maximale Blendenöffnung beträgt 1:2,8. Das zusammen ist, was die Bildqualität anbelangt, eine herausragende Kombination.

Und so gehört die Leica X1 damit zu den wenigen Kameras, mit denen man bei kompakter Größe die Qualität auch vieler Spiegelreflexmodelle der Einsteigerklasse übertrifft; Ricohs GXR ist der einzige Konkurrent.

Fast zu leicht

Die beste Kamera ist bekannterweise die, die man immer dabei hat - und die X1 findet in einer Jackentasche gut Platz. Beim Herausnehmen fallen dann aber auch Minuspunkte auf: Nahezu jedes Mal verstellen sich die erwähnten Einstellräder, die zu leichtgängig sind.

Auch sorgt die Grundform und harte Belederung der fast schon zu leichten X1 nicht gerade für den sichersten Griff. Da der Bildschirm - mit 2,7 Zoll Diagonale und 230 000 Bildpunkten zwar nicht der beste und größte in dieser Klasse - viel Platz einnimmt, bleibt auch auf der Rückseite wenig Platz für lange Finger. Zu oft drückt man unbeabsichtigt Tasten.

Leica hat das wohl erkannt, und bietet einen Handgriff an, der sich anschrauben lässt. Und wenn man beim Zubehör ist: Den ebenfalls nachrüstbaren Aufstecksucher sollte man direkt zum Handgriff mitbestellen. Ist beides montiert, verändert sich der Charakter der Kamera positiv: Sie liegt viel besser in der Hand, das Gewicht stimmt auch und der Sucher macht einfach nur Laune.

Da kann die Kameraindustrie im allgemeinen Elektrowahn versuchen, gescheite elektrische Sucher zu entwickeln, was Olympus mit der EP-2 auch tatsächlich gelungen ist - das kristallklare Sucherbild des Leica-Aufstecksuchers begeistert bei jedem Foto.

So schön sieht die Welt eben nur durch einen Sucher aus. Informationen über Zeit und Blende gibt es darin jedoch nicht. Allein eine Leuchtdiode informiert darüber, ob die Kamera scharfgestellt hat - das geht im üblichen Tempo der guten Kompaktkameras, braucht also länger als bei einer digitalen Spiegelreflexkamera.

Digital, aber klassisch

So fotografiert es sich mit der X1 im besten Leica-Sinne digital, aber klassisch: Die Brennweite sorgt für einen eher dokumentarischen Blickwinkel, der klare Aufbau der Kamera unterstützt einen klaren Bildaufbau. Gediegenes Lichtbildgestalten also, das einem dann aber auch runde 2000 Euro wert sein muss. So viel kostet die Kombination aus Kamera, Handgriff und Sucher. Viel Geld für eine sehr gute, aber einfache Kamera.

Dafür besitzt man aber auch die einzige Kompaktkamera, auf der Made in Germany steht, und darf sich ein bisschen fühlen wie Cartier-Bresson. Auch wenn man nur bei Omas 80. Geburtstag für die Erinnerungen sorgt.

Lesen Sie hierzu Berichte in der Süddeutschen Zeitung.

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