Digitalisierung:Neugierig ins digitale Neuland

Hackathon. Wayra Academy München, Kaufingerstraße 15. Von 27. bis 29. Januar setzen 40 Schüler beim ersten Münchner Schülerhackathon zum Thema Bildung Projekte um, die Schule digitaler und Lernen zeitgemäßer machen.

Alleine in Deutschland leben 18 Millionen so genannte digitale Analphabeten - und viele Firmen suchen dringend nach ausreichend ausgebildetem Personal.

(Foto: Florian Peljak)

Es ist verständlich, dass die vernetzte Welt viele ratlos zurücklässt. Die Technik sollte aber nicht zynisch, sondern neugierig machen.

Kommentar von Jürgen Schmieder

Die Zahl der Menschen steigt, die möglichst aller Technologie entsagen wollen. Vor allem Erwachsene fühlen sich ausspioniert oder bevormundet und wollen den digitalen Großkonzernen nicht noch mehr Daten liefern. Sie werden zu analogen Einsiedlern in einer digitalen Welt.

Diese Haltung, so kulturpessimistisch und arrogant sie bisweilen wirken mag, ist völlig verständlich, zumal es noch einen weiteren Grund dafür gibt: Ahnungslosigkeit. Alleine in Deutschland leben 18 Millionen so genannte digitale Analphabeten. Bereits jetzt beklagen viele deutsche Firmen, dass es nicht genügend ausreichend ausgebildete Leute gibt.

Die digitale Welt ist irre kompliziert, und sie wird mit jeder Minute, die vergeht, noch komplizierter. Wer weiß denn schon, wie die Cloud genau funktioniert, was mit 5G gemeint ist und was zur Hölle dieses Blockchain ist? Auf der Technikmesse CES wird alljährlich die digitale Zukunft verhandelt, es ist ein Treffen der klügsten Köpfe dieser Branche - und doch zeigt sich bei vielen Gesprächen: Nicht einmal die Schöpfer verstehen noch alle Aspekte der digitalen Welt, die sie erschaffen haben. Das ist beängstigend.

Wer versteht tatsächlich, auf was er sich da einlässt?

Es war ein gewaltiges Versprechen, das die Technologiebranche vor einigen Jahren abgegeben hat. Die Botschaft lautete, dass jeder die Vorzüge des technologischen Fortschritts nutzen darf, ohne sich mit den Einzelheiten beschäftigen zu müssen. Ist doch prima, wenn Daten aufgrund eines hocheffizienten und verschlüsselten Buchhaltungssystems sicherer sind oder ein Film wegen eines ultraschnellen Mobilfunknetzes rasant geladen werden kann.

Der digitale Analphabet muss lediglich versichern, dass er die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelesen und verstanden hat. Nur: Wer versteht tatsächlich, was er da unterschreibt?

Einer der Trends dieser Technikmesse war es, dass künftig alles mit allem verbunden sein wird und Technologie in jeden Aspekt des Lebens eindringen wird. Das führt nicht nur zur Sorge, dass sich der Mensch allzu abhängig macht von den Maschinen, sondern dass es da stets jemanden geben könnte, der einen beobachtet. Sammeln Handy, Computer und digitale Assistenten denn wirklich keine Daten, wenn sie ausgeschaltet sind? Aus dieser berechtigten Sorge entsteht Verdruss - und daraus der Entschluss, mit all dem nichts zu tun haben zu wollen.

Es lohnt, den Zynismus abzulegen und neugierig zu werden

Es ist deshalb richtig, dass der Staat hin und wieder eingreift und seine Bürger schützt, wenn die sich nicht mehr selbst schützen können. Es ist auch richtig, dass Unternehmen über stärkere Transparenz für mehr Verständnis sorgen müssen. Und auch, dass Kinder bereits im Grundschulalter mindestens so viel über die Zukunft lernen wie über die Vergangenheit. Ein Kompass für die digitale Welt ist ebenso entscheidend wie mathematische Grundkenntnisse, das Lesen des Werkes "Utopia" von Thomas More und Wissen um alle Meisterschaften von Werder Bremen.

Es wäre jedoch fatal, alle Verantwortung alleine auf Staat und Unternehmen abzuwälzen oder resigniert auf die nächsten Generationen zu verweisen. Niemand muss sich dafür schämen, ein digitaler Analphabet zu sein. Es muss aber auch niemand zum Einsiedler werden. Statt über den Enkel zu lästern, der mal wieder stundenlang ins Handy starrt, könnte man ihn doch mal fragen, was er da genau tut und wie das funktioniert. Es lohnt, den erwachsenen Zynismus abzulegen und kindliche Offenheit zu entwickeln. Danach kann man immer noch - und dann informiert - darüber entscheiden, wie viel Technologie man in seinem Leben haben möchte.

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