Digitales Lesegerät:Buch 2.0

Internethändler Amazon bringt digitales Lesegerät auf den Markt. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern - die kläglich scheiterten - funktioniert Kindle ganz unabhängig dank UMTS.

Helmut Martin-Jung

Das englische Verb to kindle bedeutet entfachen, entflammen. Ein elektronisches Buch-Lesegerät so zu nennen, mag bei dem einen oder anderen unschöne Assoziationen wecken. Gemeint aber ist dies: Schon etliche Geräte waren ja angetreten, zwar nicht die Literatur abzuschaffen, wohl aber deren Darreichungsform. Doch "die Landschaft ist übersät mit den Leichen von E-Book-Lesegeräten". Der das eingesteht, glaubt nun ein Produkt geschaffen zu haben, das genügend Leidenschaft bei ausreichend vielen technikbegeisterten Lesern entflammt, ihre Bücher fortan digital zu lesen. Und nicht zuletzt weil er es ist, Jeff Bezos, der charismatische Gründer und Chef des Internethändlers Amazon, gibt es durchaus Grund, die Sache ernst zu nehmen.

Digitales Lesegerät: Digitale Zeitungen und Bücher nicht nur papier-, sondern jetzt auch kabellos.

Digitale Zeitungen und Bücher nicht nur papier-, sondern jetzt auch kabellos.

(Foto: Foto: Reuters)

Drei Jahre hat man sich beim weltgrößten Versandhaus Zeit genommen, an Kindle herumzutüfteln, hat es Testpersonen in die Hand gedrückt, ganz bewusst ohne Handbuch. Herausgekommen ist ein weniger als 300 Gramm leichtes Gerät in neutralem Weiß, dessen Design einem etwas zu groß geratenen Taschenrechner ähnelt. Das wirklich Neue an Kindle jedoch ist die Technik in seinem Inneren. Um es zu benutzen, braucht man keinen Computer und kein Kabel zum Übertragen, Kindle ist über den schnellen mobilen Datendienst UMTS vollkommen autark.

Ein Buch, das man im Kindle-Shop im Internet gekauft hat, lässt sich in weniger als einer Minute herunterladen. Der Bildschirm, etwa von der Größe einer Taschenbuchseite, arbeitet mit elektronischer Tinte, einer Flüssigkeit, die über elektrische Impulse gesteuert werden kann. Die Anzeige, die an die von Taschenrechnern mit Flüssigkeitskristall-Ziffern erinnert, hat einen reflektierenden Hintergrund und wird umso kontrastreicher, je heller die Umgebung ist.

Amazon hat mit den meisten der großen Buchverlage Verträge abgeschlossen und kann beispielsweise von den 112 Titeln der New York Times-Bestsellerliste 100 zum Herunterladen anbieten, die meisten davon für 9,90 Dollar. Für die Datenübertragung fallen keine weiteren Kosten an, sie ist bereits im stattlichen Kaufpreis von 399 Dollar enthalten. Kostenpflichtig sind dagegen Abonnements von Tageszeitungen. Das Wall Street Journal etwa ist für 9,90 Dollar pro Monat zu haben.

Etwa 200 Bücher kann das Gerät speichern. Mit Chipkarten, wie man sie von digitalen Fotokameras kennt, lässt sich die Kapazität weiter steigern. Einmal gekaufte Bücher speichert Amazon für seine Kunden. Kopieren und Weitergeben wird jedoch durch sogenanntes digitales Rechte-Management unterbunden. Vor allem deshalb und wegen der Bindung an nur einen Anbieter wird Kindle in Foren und Blogs bereits viel gescholten.

Ob es auch in Deutschland auf den Markt kommt, darüber schweigt sich Amazon erklärtermaßen aus. Aber auch wenn es so wäre, die Verlage verfallen deshalb nicht in Angststarre. "Das wird mittelfristig nur für einen bestimmten Teil von Büchern interessant werden", sagt Markus Desaga, beim Verlag Random House unter anderem für die Sparten DVA und Manesse zuständig. "Die Märkte bestehen nebeneinander her." Auch Carsten Sommerfeldt vom Berlin-Verlag sieht Geräte wie das Kindle "eher als Zusatzoption". In welchem Umfang die Konsumenten diese Option ziehen, wird sich zeigen. Die Vorgänger der Konkurrenz, technisch unzulänglich und dazu auch noch teuer, scheiterten jedenfalls kläglich. ´

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