Digitales Lernen:Warum es mehr Computerspiele im Unterricht geben sollte

Digitales Lernen: Im Wettbewerb Zukunftsstadt haben Schüler und Jugendliche in Minecraft eine Stadt entworfen und nachgebaut. Im Bild der Wettbewerbsbeitrag von Julian Roggendorf.

Im Wettbewerb Zukunftsstadt haben Schüler und Jugendliche in Minecraft eine Stadt entworfen und nachgebaut. Im Bild der Wettbewerbsbeitrag von Julian Roggendorf.

(Foto: wissenschaftsjahr-zukunftsstadt.de)

Ulrich Tausend erstellt Lernspiele, unterrichtet an der Mediadesign Hochschule und ist Medienpädagogischer Referent am JFF-Institut für Medienpädagogik. Der Soziologe erklärt, welche Nachteile speziell konzipierte Lernspiele gegenüber Computerspielen haben und wie Lehrer ihren Unterricht mit diesen bereichern können.

Interview von Matthias Huber

SZ: Herr Tausend, Sie setzen sich dafür ein, dass Computerspiele auch im Schulunterricht zum Einsatz kommen. Warum?

Ulrich Tausend: Wir alle lernen vieles spielerisch, das ist ganz natürlich. Da finde ich es seltsam, wenn man sich dem in der Schule verschließt. Computerspiele sind natürlich nicht in allen Fällen ein gutes Mittel für den Unterricht, jedes Medium hat seine eigenen Vor- und Nachteile. Aber man muss einfach mal sehen, wie relevant Spiele als Medium heute sind, und wie unglaublich wenig Raum sie in der Schule einnehmen.

Wie sieht es denn konkret aus, wenn ein Spiel zum Unterrichtswerkzeug wird?

Zum Beispiel gibt es in der siebten Klasse in bayerischen Gymnasien im Kunst-Lehrplan das Thema Architektur. Dazu haben wir einen Projekttag mit dem Spiel "Minecraft" gemacht. Die Aufgabe war, sich zu überlegen: Wie will man zusammen leben? Die Schüler sollten in kleinen Gruppen eine Art Wohngemeinschaft bauen. Eine Architektin hat ihnen dazu Begriffe und Bauweisen erklärt. Aber nicht nur Ästhetik und Architektur, sondern auch wie man in einer Gruppe zusammenarbeitet, war das Thema. Denn bei "Minecraft" kann man auch die Arbeit von anderen Spielern kaputt machen. In unserem Workshop haben sich Schüler gemeinsam ein Regelsystem erarbeitet, mit Sanktionen, die mit Mehrheitsbeschlüssen vergeben werden. Im schlimmsten Fall hätte ein Übeltäter aufhören und Matheaufgaben machen müssen. Das Projekt war also nicht nur ein Stoff für den Kunstunterricht, sondern es ging auch um politische Bildung.

Das klingt nach einem sehr speziellen Anwendungsgebiet für ein sehr spezielles Spiel.

Es handelt sich dabei um ein sogenanntes Sandkasten-Spiel, es lässt dem Spieler sehr viele Freiheiten und er muss sich selbst überlegen, was er machen kann und will - zum Beispiel ein Haus bauen. So kann man es gut für das Thema Architektur nutzen. Außerdem gibt es die Variante "MinecraftEdu", die sich besonders für den Einsatz an Schulen eignet. Es gibt auch Projekte, in denen die Schüler mit Lehrmittel gestalten - also zum Beispiel einen Parcours bauen, in dem der Spieler etwas über den Nahrungsstoffkreislauf in Pflanzen lernt. Dafür müssen sie nicht nur den Stoff erst einmal lernen, sondern sich auch noch überlegen, wie sie ihn vermitteln und im Spiel darstellen. Das ist auch ein sehr interessanter Ansatz. Aber man kann natürlich nicht jeglichen Unterricht durch so ein Spiel ersetzen.

Gibt es dafür nicht speziell entwickelte Lernspiele?

Lernspiele für Schulen sind an den Unterricht angepasst. Aber diese haben oft ein sehr viel kleineres Budget und müssen strengen Richtlinien folgen, weshalb es sehr viel schwieriger für die Entwickler ist, das Spiel richtig spaßig zu machen. Deshalb sind kommerzielle Spiele so interessant: Bei ihrer Entwicklung stand der Spielspaß im Vordergrund, trotzdem vermitteln sie teilweise wertvolle Lerninhalte. Ein gutes Spiel kann dem Spieler seine Regeln oder andere Spielinhalte beibringen, ohne dass er überhaupt merkt, dass er gerade etwas lernt. Im Unterricht funktioniert das genauso: Die Schüler müssen nicht unbedingt wissen, warum sie jetzt diese oder jene Matheaufgabe lösen sollen. Oder warum der Lehrer die Klasse ein bestimmtes Spiel spielen lässt.

360°: Digitalisierung der Kindheit

Schon die Kleinsten wischen auf Tablets, die Größeren können sich ein Leben ohne Smartphone nicht mehr vorstellen. Ihre Kindheit verläuft ganz anders als die ihrer Eltern, aber muss das schlecht sein? Bietet nicht gerade der frühe Umgang mit neuen Medien auch Chancen? Wie Eltern ihren Nachwuchs auf dem Weg in die interaktive Welt begleiten, was sie selbst dabei lernen können - ein Schwerpunkt.

Manche Lehrer setzen Spiele wie "Assassin's Creed" oder "Total War" im Geschichtsunterricht ein, weil darin historische Orte und Situationen dargestellt werden. Ist das in Ihren Augen sinnvoll?

Das Problem ist überall gleich, egal ob mit Büchern, Filmen oder Spielen: In Unterhaltungsmedien werden historische Fakten ungenau dargestellt, um das Produkt spannender zu machen. Das muss der Lehrer mit den Schülern reflektieren. Aber ich glaube, dass Schüler auch ganz gut abstrahieren können. So ein Spiel kann einen guten Eindruck von einer bestimmten Epoche liefern. Die wichtigere Frage ist für mich aber eine andere: Ist der zentrale Spielinhalt selbst relevant für meinen Unterricht? In einem Strategiespiel wie "Total War" geht es eher um taktisches und diplomatisches Geschick als um den historischen Kontext - so gut der auch dargestellt sein mag. Das kann für den Unterricht zwar nützlich sein, aber geschichtliche Zusammenhänge lassen sich vielleicht mit einem anderen Spiel oder einer ganz anderen Methode besser vermitteln.

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