Digitaler Stammtisch:Ohne Facebook kein Pegida

Pegida Resumes Dresden Gatherings

Pegida-Anhänger demonstrieren am 25. Januar in Dresden für verschärfte Einwanderungsgesetze.

(Foto: Getty Images)
  • Pegida ist auf Facebook extrem erfolgreich. Binnen vier Monaten hat die Bewegung rund 155 000 Fans gesammelt.
  • Soziale Medien sind essenziell für den Erfolg von Pegida. Sie dienen zur Mobilisierung und Aktivierung der Anhänger.
  • Im Vergleich zu Facebook spielt Twitter kaum eine Rolle für Pegida. Dort sind vor allem Gegner der Bewegung unterwegs.

Von Simon Hurtz

Die Volksparteien sind in den sozialen Medien abgehängt

Deutschland hat wieder eine außerparlamentarische Opposition - und was für eine! Die Parteistrategen von CDU und SPD haben versagt, AfD und "Die Partei" sind ihnen über den Kopf gewachsen. Zumindest könnte diesen Eindruck haben, wer seine Informationen ausschließlich aus dem sozialen Netzwerk Facebook bezieht. Dort haben die Alternative für Deutschland (140 000 Likes) und Sonneborns Satiretruppe (175 000 Likes) fast so viele Fans wie alle im Bundestag vertretenen Parteien zusammen.

Natürlich taugt Facebook nicht zu ernsthafter Wahlforschung. Aber eine Tendenz lässt sich klar erkennen: In sozialen Netzwerken funktioniert Politik durch Zuspitzung; je emotionaler, desto viraler, desto schneller und weiter verbreiten sich die Inhalte. Gelikt wird aus Protest und Ironie, die seriös-biedere Politikvermittlung der Volksparteien hat es auf Facebook schwer.

Auf Facebook kann man sich gegen die "Lügenpresse" wehren

Mit diesem Problem hat die Pegida-Bewegung nicht zu kämpfen. "Facebook ist die perfekte Plattform für deren krude Weltsicht", sagt Politikberater Martin Fuchs, der als "Hamburger Wahlbeobachter" die Online- und Social-Media-Strategien von Politikern und Parteien analysiert. Nicht alle Pegida-Anhänger seien Nazis, aber alle eine das gleiche Gefühl: Wir werden nicht ernst genommen, die Medien schweigen uns tot, es dominiert die Political Correctness.

Pluragraph Pegida Wachstum

Der Pluragraph misst die Social-Media-Reichweite von politischen Organisationen. Hier ist das Wachstum der Pegida-Fans auf Facebook visualisiert.

(Foto: Screenshot Pluragraph)

"Um diesen Unmut loszuwerden, trifft man sich auf Facebook. Dort können sich die Pegida-Anhänger austauschen und in ihrem Eindruck bestätigen, dass sich der Rest der Welt gegen sie verschworen hat", sagt Fuchs. Die Zahlen geben ihm Recht: Seit sich im Oktober die ersten Pegida-Demonstranten in Dresden sammelten, ist nicht nur die Protestbewegung auf der Straße gewaltig gewachsen. Binnen vier Monaten hat Pegida rund 155 000 Facebook-Fans gesammelt - und damit SPD und CDU überflügelt, die seit Jahren in den sozialen Netzwerken aktiv sind.

Auf Facebook versammeln sich Enttäuschte und Empörte

Martin Fuchs geht noch weiter. Das digitale Sammelbecken der Enttäuschten und Empörten sei entscheidend für den Erfolg der analogen Kundgebungen: "Ohne Facebook würde es Pegida in der jetzigen Form nicht geben. Soziale Medien sind ideal, um Menschen zu aktivieren und zu mobilisieren."

Das bestätigt der Konfliktforscher Andreas Zick von der Uni Bielefeld. Im Gespräch mit der Tagesschau nennt er soziale Medien "unglaublich wichtig" für Pegida. Dort würden sich die Anhänger ihrer eigenen Weltbilder versichern, dort schaffe man sich eine eigene Öffentlichkeit, dort finde eine "Selbstradikalisierung" abseits der etablierten Medien statt. Die Hasskommentare in Kommentarspalten und sozialen Netzwerken seien eine Art Vorläufer von Pegida gewesen. Die Bewegung bündele nun Ressentiments, die schon seit langem in der Gesellschaft vorhanden seien, und eine Plattform wie Facebook mache sie sichtbar.

Politik und Medien haben zu lange weggeschaut

Früher prosteten sich am Stammtisch 15 Menschen zu, jetzt treffen sich 10 000-mal so viele im Netz. Über Ressentiments, die größtenteils auf Gefühlen statt auf Fakten basieren, könne man inhaltlich kaum diskutieren - und doch hätten Politiker und Journalisten einen Fehler gemacht, sagt Fuchs: "Man hätte schon viel früher erkennen können, dass sich da was zusammenbraut. Ich finde es schade, dass alles, was in sozialen Netzwerken passiert, immer noch nicht ganz ernst genommen wird."

Er wolle weder Politiker- noch Medien-Bashing betreiben. Und doch: "Wenn früher bekannt geworden wäre, wes' Geistes Kind ein Typ wie Bachmann ist, hätte Pegida längst nicht so viel Auftrieb bekommen." Verstärkt durch die homogene Gemeinschaft auf Facebook seien ein Zusammengehörigkeitsgefühl und eine "Jetzt erst recht"-Stimmung entstanden. Mittlerweile hätten sich viele Anhänger so stark mit der Bewegung identifiziert, dass sie alle Informationen, die nicht in ihr Weltbild passen, als Propaganda der angeblichen Lügenpresse abtun würden.

Twitter ist in Deutschland fast bedeutungslos - auch für Pegida

Pegida Facebook Reichweite

Zwischen 31.12.2014 und 6.1.2015 erreichte Pegida auf Facebook rund 1,6 Millionen Menschen. Damals hatte die Seite erst 110 000 Likes, mittlerweile dürfte die Reichweite noch deutlich höher liegen.

(Foto: Screenshot Pegida-Facebook-Page)

In Deutschland gibt es über 28 Millionen Facebook-Profile, jeder Dritte nutzt das Netzwerk. Das macht es zu einem Seismograph für politische Stimmungen. Ganz im Gegensatz zu Twitter: "In Deutschland erreicht man auf Twitter zwar Multiplikatoren, aber noch nicht die breite Masse", sagt Fuchs. Folgerichtig gibt es keinen offiziellen Pegida-Account bei Twitter; die Hashtags #Pegida, #Nopegida oder #Schneegida werden fast ausschließlich von Gegnern der Bewegung genutzt, die warnen, informieren oder spotten.

Dementsprechend wenig Resonanz findet die Aufklärungskampagne, die Sachsens Innenministerium im Dezember startete. "Wir gehen rein in die sozialen Netzwerke. Wo wir falsche Informationen sehen, stellen wir richtige Fakten dagegen", sagte Sprecher Martin Strunden damals im Deutschlandradio. Bisher passiert das allerdings ausschließlich in der vergleichsweise kleinen Twitter-Nische. Obwohl Strunden täglich Dutzende Infotweets absetzt und mit den Hashtags #Pegida und #Nopegida über die Themen Asyl und Zuwanderung aufklären möchte, erreicht der Account nur wenige hundert Menschen.

Die Pegida-Bewegung hat ihren Peak erreicht

Topsy Analyse #Pegida #Nopegida #Schneegida

Wir oft wurden die Hashtags #Pegida und #Nopegida auf Twitter verwendet? Das zeigt der Analyse-Dienst Topsy - auch der #Schneegida-Spott Ende Dezember wird sichtbar.

(Foto: Screenshot Topsy)

So löblich sein Engagement ist, daran liegt es wohl kaum, dass die Pegida-Seite auf Facebook seit einigen Tagen langsamer wächst als in den Wochen zuvor. Auch Initiativen wie Pegida-Watch oder #YouGeHa, das steht für Youtuber gegen Hass, spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle, sagt Martin Fuchs: "Die größte Gefahr für Pegida sind ihre Inhalte. Besser gesagt: der Mangel an Inhalten."

Pegida sei vor allem ein Gefühl, es gebe kaum konkrete Forderungen, geschweige denn konstruktive Vorschläge. "Je länger die Demos dauern, desto deutlicher wird, wie viele unterschiedliche Strömungen die Bewegung vereint." Rechtsradikale, Wutbürger, Gutbürger, die würden sich kaum auf einheitliche Ziele einigen können, glaubt Fuchs. "155 000 Fans, der Peak ist erreicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass noch viel mehr dazukommen. Vielleicht werden es 170 000, mehr Potential hat Pegida auf Facebook aber nicht."

Auch wenn Pegida verschwindet: Die Vorurteile bleiben

Ähnlich sieht das der Konfliktforscher Andras Zick. Es sei nicht im Sinne von Pegida, Antworten zu geben, sagte er gegenüber der Tagesschau. "Die werden einen Teufel tun, konkrete Angebote zu machen, denn in diesem Moment wären sie haftbar." Er sieht in Pegida vor allem ein sächsisches Phänomen; die Bewegung werde sich "nicht auf die Mehrheitsgesellschaft zubewegen, sondern weiter versuchen zu polarisieren." Sie könne sich in ihre Konspirationszirkel im Internet verziehen, man dürfe aber darauf vertrauen, dass sie da untergehen werde.

Eine Sache betonen Andreas Zick und Martin Fuchs unisono: Ganz gleich, ob 150 000, 170 000 oder auch 200 000 Facebook-Fans - Politik, Medien und Gesellschaft müssten Pegida als Warnsignal begreifen, selbst wenn die Bewegung wieder verschwinden sollte. Die ihr zugrundeliegenden Vorurteile würden ja weiterhin in den Köpfen der Menschen bleiben.

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