Digitaler Kampf für Demokratie:Wie Facebook in Zukunft noch Geld verdienen kann

Heute Lifestyle-Medium im Norden, morgen schon gesellschaftliche Kraft auch im Süden: US-Präsident Obama nimmt soziale Netzwerke in die Verantwortung, wenn es um den Kampf gegen autoritäre Regime geht. Langfristig hat Facebook allerdings noch ein anderes Problem. Wachstum wird sich künftig nicht mehr in traditionellen Werbemärkten vollziehen.

Andrian Kreye

Wenn das soziale Netzwerk Facebook erste Grenzen seines Wachstums erreicht hat, so ist das erst einmal ein Ärgernis für den Konzern. Kurz vor dem Börsengang kann eine solche Nachricht den Wert drücken. Langfristig muss sich Facebook jedoch ganz andere Sorgen machen. Denn das Wachstum wird sich nicht mehr in traditionellen Werbemärkten vollziehen. Mit der zunehmend globalen Verbreitung werden sich die sozialen Netzwerke vom Lifestyle-Medium im Norden zur gesellschaftlichen Kraft auch im Süden wandeln und deswegen ihre Rolle neu definieren müssen.

File photo of Facebook Vice President of Product Cox delivering a keynote address at Facebook's 'fMC' global event for marketers in New York City

Facebook hat erste Grenzen seines Wachstums erreicht.

(Foto: REUTERS)

Erste Anzeichen dafür konnte man während der Unruhen des arabischen Frühlings beobachten, bei der umstrittenen Internetkampagne gegen den ugandischen Warlord Joseph Kony, und in den Vorträgen von Alec Ross, dem Berater der US-Außenministerin Hillary Clinton, der für das neue Feld der digitalen Diplomatie zuständig ist.

Während des arabischen Frühlings zeigte sich, dass soziale Netzwerke des Internets als Instrument für die Mobilisierung und Koordination von Volksbewegungen so effektiv sind wie kein Mittel zuvor. Die "Kony2012"-Kampagne bewies, welch politische Macht der sogenannte Schwarmgeist im Internet entwickeln kann.

Alec Ross aber reist derzeit um die Welt, um der digitalen Industrie begreiflich zu machen, dass die USA, stellvertretend für den Westen, ganz eindeutige Interessen haben, wenn es darum geht, Schwellen- und Entwicklungsländer in die globalen Kommunikationsnetze einzubinden. Die USA würden alles unternehmen, um Meinungsfreiheit - also: Demokratie - weltweit möglich zu machen.

Der digitale Kampf für Demokratie ist ein ehrbares Anliegen. Für einen digitalen Konzern, der sich mit nationalen Regierungen arrangieren muss, ist das nicht immer von Vorteil. Wenn Online-Dienste darauf achten müssen, dass auch die Standards autoritärer Herrscher eingehalten werden, kollidiert das schon mal mit westlichen Werten.

Konträre Interessen in Wirtschaft in Politik

Betrachtet man nun die jüngsten Studien und Schätzungen zur Entwicklung digitaler Medien, kann man das ungefähre Ausmaß der Entwicklung schon ahnen. Bis zum Jahr 2016 werden laut einer Untersuchung der Beratergruppe Boston Consulting drei Milliarden Menschen Anschluss an das Internet haben. Vorsichtige Schätzungen nehmen außerdem an, dass in den nächsten zwanzig Jahren drei Milliarden weitere Menschen ans Netz gehen werden. Die größten Wachstumspotentiale gibt es dabei in den Schwellen- und Entwicklungsländern.

Die wichtigste Funktion des Internets sind aber jetzt schon die sozialen Netze. 82 Prozent aller globalen Nutzer sind heute Mitglieder eines sozialen Netzwerkes. Von diesen sind 55 Prozent Mitglied bei Facebook. Bei einer solchen Durchdringung des Marktes sind Grenzen des Wachstums im bestehenden Netz schon erreicht. Intern haben Konzerne wie Facebook und Google längst langfristige Strategien für diese Entwicklung. Das zeigt schon die Wortwahl: Im Silicon Valley ist Afrika keine Entwicklungsregion, sondern die Weltgegend mit den derzeit größten Wachstumschancen.

Der Konflikt der sich nun anbahnt, schwelt schon seit Beginn der Globalisierung. In fast allen Debatten, sei es um die Macht des Internets, sei es um die Wirtschafts- und Finanzkrisen, schwingt mit, dass Politik und Wirtschaft um die Vormacht ringen. Die Interessen der beiden sind oft konträr.

Präsident Obama hat soeben ein deutliches Zeichen gesetzt. Mit zwei Verfügungen beschloss er Sanktionen gegen jeden, der autoritäre Regime wie in Iran oder Syrien mit Technologie versorgt, die Unterdrückung möglich macht. Das ist ein erster Schritt, um auch soziale Netzwerke in die Verantwortung zu nehmen. Wenn die nächste Phase des Wachstums für Facebook beginnt, wird es jedenfalls nicht nur um Werbeeinnahmen gehen.

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