Digitale Währungen:Bitcoin-Hype vorbei? Egal!

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Krypto-Milliardär Joseph Lubin findet Berlin vielversprechend als Blockchain-Standort. (Foto: AP)

Krypto-Milliardär Joseph Lubin, Co-Gründer der Blockchain-Plattform Ethereum, hat eine klare Vorstellung vom neuen Web. Er sagt, dass man gerade in Berlin ein besseres Facebook bauen könnte.

Von Nils Wischmeyer, Berlin

Der Postbahnhof in Berlin erscheint trotz all der Menschen ruhig, viele sind über ihren Laptop gebeugt, einige wenige reden auf der sonnigen Terrasse, die meisten lauschen Vorträgen auf den Bühnen der Eventlocation. Dazwischen geht Joseph Lubin von Stand zu Stand, schüttelt Hände, begrüßt Bekannte. Der Kanadier und frühere Goldman-Sachs-Banker hat die Blockchain-Plattform Ethereum gegründet, die wohl wichtigste Blockchain und neben Bitcoin auch die bedeutendste Kryptowährung der Welt.

Jetzt ist er im Postbahnhof in Berlin, redet und tauscht sich aus in der Stadt, die er für die wichtigste im Blockchain-Kosmos hält. "Berlin hat die Infrastruktur, Berlin hat die Talente, die wirklich guten Programmierer sind hier", sagt er auf der Terrasse am Berliner Ostbahnhof. Wenn das aber so bleiben solle, müssten die deutschen Politiker endlich etwas machen, ein Zeichen geben. "Die Regierung muss mehr Programme für die Förderung von Blockchain aufsetzen", fordert er.

Lubin ist heute im T-Shirt unterwegs, einen Rucksack auf dem Rücken, Turnschuhe. Viel Zeit, sagt der 53-Jährige, habe er nicht, er will nicht so viele Vorträge verpassen. Trotz des enormen Erfolgs und dem Fakt, dass er mittlerweile Krypto-Milliardär ist, ist Lubin ein Mann der Technik geblieben, einer, der sich auf Messen fortbildet und einer der sich von den Möglichkeiten immer wieder selbst faszinieren lässt.

Die Blockchain stehe noch ganz am Anfang, sagt Lubin, Hype hin oder her. "Wir haben schon viele Blasen platzen gesehen und werden das bei der Blockchain und auch bei Kryptowährungen noch öfter". Beunruhigt ist er deswegen nicht. "Bei 30 Dollar war der Bitcoin eine Blase, bei 200 auch und bei 20 000 Dollar sowieso", sagt Lubin. Aber das sei nicht schlecht, es bringe mehr Geld in den Markt und die Technologie voran. Kryptowährungen an sich findet er allerdings an sich gar nicht so interessant.

"Wir sind bereit für das Web 3.0"

Obwohl viele Menschen darauf achten, wie Bitcoin, Ethereum oder andere Währungen steigen oder fallen, sieht er die virtuellen Währungen nur als einen winzigen Teil der gesamten Entwicklung, sagt der Ex-Banker und zieht mit beiden Händen eine imaginäre Grafik auf. "Wenn das der ganze Graph der Entwicklung ist, dann sind wir vielleicht hier", sagt er und deutet mit dem Zeigefinger sehr weit nach links.

Mithilfe der Blockchain will Lubin das bessere Facebook, das bessere Uber und eigentlich direkt das bessere Internet erschaffen. "Wir sind bereit für das Web 3.0", sagt er. Das alte Web hat seiner Meinung nach zu viele Fehler. Die Menschen hätten keine Kontrolle über ihre Daten, es gebe keine sichere Möglichkeit, schnell über Grenzen hinweg zu bezahlen und am Ende verdienten Firmen Geld mit den Daten der Nutzer. Das stört ihn und deswegen will er die Intermediäre, die Facebooks dieser Welt, austrocknen. "Wir müssen weg von Silos, von Firmen, die Daten sammeln und damit Geld machen. Die Menschen sollen das wieder in der Hand haben", erklärt er seine Vision.

Musik für die Fans, ganz ohne Amazon und Spotify?

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Neben Ethereum hat er vor einiger Zeit in ConsenSys eine Firma gegründet, die helfen soll, möglichst viele Apps in einer Blockchain ans Laufen zu kriegen. Schon jetzt arbeiten in mehr als 30 Ländern etwa tausend Menschen für Lubins neue Firma. Sie beraten Konzerne, Regierungen und auch die Europäische Union bei Ideen zur Umsetzung der Blockchain. Selbst bringen sie zurzeit mehr als zwei Dutzend Projekte ans Laufen.

Ein Beispiel dafür ist eine Identitätsplattform, die gerade in Zug in der Schweiz getestet wird. Die Identität der Teilnehmer wird auf einer Blockchain hinterlegt. Über ihr Smartphone können die Bürger dann überall und ohne Verzögerung ihre Identität verifizieren. Ein anderes Projekt ist eine Plattform, über die Künstler ihre Musik direkt an Fans verkaufen können, ganz ohne Mittler wie Amazon oder Spotify. Stattdessen läuft alles über sogenannte Tokens, das sind digitale Gutscheine, mit denen Menschen bezahlen oder investieren können.

"Wir nehmen den Intermediär raus. Das hilft allen", sagt Lubin. Bisher seien etwa 200 Bands bei dem Projekt an Bord, in den kommenden Wochen und Monaten sollen mehr hinzukommen. Mit einer Bank sei eine weitere Zusammenarbeit geplant, um Krypto-Assets, also digital gespeicherte Werte, auch in den alltäglichen Anlageprozess einzubinden.

Noch nicht so einfach zu bedienen wie Instagram

Die Finanzwirtschaft und insbesondere der Bereich Risikokapital seien sehr interessant, was die Einsatzmöglichkeiten der Blockchain angehe, sagt Lubin. Schon heute gebe es dazu zahlreiche Anwendungen, die gesamte Branche sei zudem bereits sehr automatisiert. Das werde sich in Zukunft fortsetzen. Generell aber seien die Anwendungsbereiche für die Blockchain extrem breit gestreut, sehr viel breiter als zu Beginn des Internets, sagt Lubin. "Rückblickend war das Internet und sein Service sehr beschränkt. Es gab Webseiten, dann E-Commerce, Musik. Das kam alles sehr langsam, bei Blockchain entsteht das alles sehr schnell", sagt Lubin.

Entscheidend für den Erfolg sei nun, dass die neuen Apps ebenso einfach zu benutzen seien wie Facebook, Instagram oder Uber. Wer so ein Nutzerdesign gewohnt sei, werde nicht auf eine dezentrale, aber kompliziert Lösung wechseln. Der Datenschutz allein sei auf Dauer kein tragendes Argument. Recht hat er wohl, hat doch nicht einmal der Datenskandal rund um Cambridge Analytica Menschen in Deutschland davon abgehalten, das soziale Netzwerk weiter zu nutzen. Können die neuen Plattformen, von den Lubin spricht in Design und Komfort mithalten, dann habe eine dezentral organisierte Welt auch eine echte Chance.

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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