Die allermeisten Menschen in Deutschland sprechen deutsch, und fast spricht auch jeder englisch, manche können französisch oder spanisch reden, andere versuchen sich in Mandarin oder Japanisch. Fragt man hingegen, ob jemand C++ beherrsche, oder Java, oder ob jemand wohl in der Lage wäre, ein wenig COBOL zu verstehen, sieht die Sache meistens anders aus.
Und das ist eigentlich absurd. Programmiersprachen umgeben uns, sie sind ein wesentlicher Bestandteil der Geräte, die wir tagtäglich benutzen, und damit unserer Welt. Sie sind alltäglich. Von der Digitaluhr an der Wand über das moderne Autoradio bis zu den Raketen der Nasa, den Drohnen des Militärs, den Zügen der Bahn und den PCs, Tablets und Mobiltelefonen in unseren Wohnungen: Alle diese Geräte enthalten kleine Computer, und all diese kleinen Computer müssen programmiert werden, damit geschieht, was geschehen soll.
Und all diese Programme, die man heute wie selbstverständlich nutzt, von Schreibprogramm und Tabellenkalkulation bis hin zum Browser oder zu Spielen wie Solitär und Tetris oder Half-Life und GTA, wurden von irgendeinem Menschen in irgendeiner Programmiersprache oder - häufiger - von mehreren Menschen und in mehreren Programmiersprachen geschrieben.
Die Geschichte der Programmiercodes beginnt mit einem Misserfolg
Doch ähnlich, wie man sich juristische Schreiben sicherheitshalber von einem Anwalt erklären lässt (obwohl sie eigentlich auf Deutsch verfasst sind), blickt man auf Programmcode und kann nur hoffen, dass es andere Menschen gibt, die sich damit auskennen und schon wissen, was sie da tun. Man sieht die Zeichen, erkennt sogar die einzelnen Wörter, aber der Gesamtzusammenhang entzieht sich, und man bleibt abhängig von denen, die diese Sprache verstehen.
Die Geschichte der Programmiersprachen beginnt in Deutschland, und zwar mit einem Misserfolg. Konrad Zuse entwarf in den Vierzigerjahren die Programmiersprache Plankalkül, die gemeinhin als die erste höhere Programmiersprache gilt. Doch dann kam der Zweite Weltkrieg, und das Nachfolgemodell des Z-3-Rechners, für den die Sprache gedacht war, wurde nie gebaut. Plankalkül wurde deshalb auch niemals praktisch eingesetzt. Die erste Programmiersprache, die auch tatsächlich eingesetzt wurde, ist deshalb Fortran. Sie wurde 1954 von IBM entwickelt.
Von den ersten Programmiersprachen in den Fünfzigerjahren war es dann ein langer Weg mit vielen Abzweigungen bis hin zu den jüngsten Entwicklungen. Bei einem Blick auf den Stammbaum der Programmiersprachen kann einem etwas schwindelig werden, so viele gibt es inzwischen. Wer soll die denn alle beherrschen? Und: Braucht man sie überhaupt alle?
Viele Programmierer, viele Sprachen
Das sind berechtigte Fragen, aber wer sich auskennt, wechselt vielleicht lieber das Thema, als zu antworten. Denn dass es so viele Programmiersprachen gibt, hängt sicher auch mit einer nicht immer sympathischen Eigenheit vieler Informatiker zusammen: Sie wissen vieles immer besser.
Von ein paar Spezialfällen mal abgesehen, kämen zum Beispiel Linguisten kaum auf die Idee, eine neue Sprache entwickeln zu wollen. Ungeduldigen Informatikern ist das hingegen durchaus zuzutrauen. Schneller, besser, eleganter, mächtiger, höher, weiter und nicht zuletzt cooler soll die neue Programmiersprache sein. Das heißt: Sie soll es ermöglichen, komplizierte Anweisungen in weniger und verständlicherem Code zu schreiben. Und weil sie auch noch mehr können soll als andere Programmiersprachen, ist sie - in den Worten der Informatiker - auch "mächtiger".
Welche Sprache in diesem Klima überlebt, entscheidet der Markt nach dem Darwin-Prinzip. Im Ökosystem der Programmiersprachen gilt "survival of the fittest" genauso wie für Darwins Finken. Allerdings hat hier die Natur weniger die Hände im Spiel als technische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Entwicklungen.
So schwimmt zum Beispiel COBOL, der Quastenflosser der Programmiersprachen, immer noch quietschlebendig im Großrechnermeer von Banken und Versicherungen umher, während die COBOL-Programmierer langsam, aber sicher aussterben. Oder zumindest in Rente gehen. Die Systeme, die auf COBOL basieren, sind einfach zu weit verbreitet und funktionieren bis heute so gut, dass sich bislang niemand an die komplizierte und teure Aufgabe machte, sie zu ersetzen.
Ein Revival erlebte in den letzten Jahren das oft verpönte Java-Script. Lange Zeit war es wegen seiner Unkompliziertheit und seiner Toleranz gegenüber nachlässigen Programmierstilen in Fachkreisen verschrien, doch die Entwicklungen des Internets und die neuen Erwartungen der Nutzer an Webseiten ermöglichten das Comeback der Skriptsprache. Java-Script lässt Webseiten vielseitiger und flexibler auf die Aktionen des Nutzers reagieren. Im Fachjargon würde man an dieser Stelle von "dynamischen" Webseiten im Gegensatz zu "statischen" Webseiten reden.
Wirtschaftliche Interessen waren hingegen bei der Verbreitung der Programmiersprache Objective-C im Spiel. Sie wurde in den 80er-Jahren als Erweiterung für C entwickelt. Objective-C ist maßgeblicher Bestandteil der Betriebssysteme aller Apple-Geräte.
Wer also Apps für das iPhone entwickeln möchte, kam bis vor ein paar Monaten nicht oder nur mit sehr viel Mühe an Objective-C vorbei. Wer ein iPad oder einen Mac besitzt, hat viele Hunderttausend Zeilen Programmcode in Objective-C zu Hause. Im Juni 2014 stellte Apple endlich eine Nachfolgesprache vor, die alles besser, einfacher und schöner machen soll, und die einen hübschen Namen zum langen Stammbaum der Programmiersprachen hinzufügt: Swift!