Süddeutsche Zeitung

Digital-Life-Design-Konferenz:Teilen und herrschen

Die Zukunft wird freundlich und sehr profitabel: In München trifft sich die digitale Elite zur DLD-Konferenz. Die wenigen Netz-Skeptiker gehen zwischen milliardenschweren Unternehmern unter. Stattdessen erklärt die Konferenz den Kampf gegen Überwachung zum neuen Geschäftsmodell.

Von Johannes Boie

"You know", sagt Steffi Czerny auf der Bühne, nicht ohne das "o" ein wenig zu lang zu dehnen, "I am always introducing friends and so on." Und so ist es dann auch.

Von Sonntag bis Dienstag trafen sich Czernys 100 allerbesten Freunde auf der Münchner Konferenz "Digital Life Design" (DLD) des Burda-Verlags. Ein Glück für die 1000 regulären Konferenzbesucher, die 2750 Euro für ein Dreitagesticket hingeblättert haben, dass Czernys Freunde die wichtigsten Köpfe der digitalen Welt sind und somit oft die klügsten Ideen für unser aller Zukunft verbreiten.

Seit gut vernetzte Menschen, wie der New Yorker Intellektuelle John Brockman Czerny vor Jahren Zugriff auf ihre außergewöhnlich dicken Adressbücher gewährten, baut die Netzwerkerin mit ihrem Chef Hubert Burda und dem Israeli Yossi Vardi DLD nicht nur zu einer der weltweit wichtigsten Digitalkonferenzen aus, sondern auch zur starken Marke im Burda-Portfolio, die den Verlag bald mehr prägt als das schwächelnde alte Flaggschiff Focus.

Sie hat ein glückliches Händchen dabei: Mark Zuckerberg, zum Beispiel, war auf der Konferenz vor Jahren zu Gast und erzählte damals, wie er mit einer Webseite namens Facebook die Welt verändern wolle.

Wie sieht's mit eurem Cashflow aus?

Zum zehnten Jubiläum gaben sich nun unter anderem Tumblr-Gründer David Karp und Whatsapp-Boss Jan Koum die Ehre, Scott Lamb von der amerikanischen Webseite Buzzfeed, die Huffington-Post-Gründerin Arianna Huffington mit ihrem Geschäftsführer Jimmy Maymann, der Technologie-Theoretiker und -Kritiker Evgeny Morozov und natürlich der immer anwesende Netzguru Jeff Jarvis, kurz: die erste Garde des Digitaltheaters aus den USA. Sie kommt auch deshalb so gerne nach München, weil sie tags drauf gleich ins nächste europäische Provinznest weiterfahren kann, nach Davos zum Weltwirtschaftsforum.

Die DLD-Konferenz 2014 war ein großartiges Treffen, es wurde auf zwei Bühnen so viel gedacht, erklärt, diskutiert, dass nicht einmal der Versuch des Bundesministers für digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt (CSU), zur Begrüßung eine Rede auf Englisch vorzulesen, groß stören konnte: "Welcome to Bavaria."

Traditionell wird das Netz auf den DLD-Konferenzen weniger als politischer oder gesellschaftlicher Raum gesehen, denn als Markt. Es geht nur selten um die Frage: Wollen wir die Zukunft so, wie sie sich abzeichnet? Stattdessen heißt es: Wie können wir an der Zukunft verdienen? Oder, im Konferenz-Jargon: Wie sieht's mit eurem Cashflow aus? Die Zukunft ist freundlich hier: ein einziges Versprechen auf putzende Roboter, selbst fahrende Autos, die keine Unfälle bauen, und unendlichen Reichtum für alle, die eine gute Idee haben. Vielleicht wird es eines Tages doch noch Jetpacks geben.

Das "Internet of Things", zum Beispiel, ist mehr als nur eine Floskel aus irgendeiner Strategieabteilung: "Überall sind jetzt Sensoren, an Schraubenziehern, an Autos, in Wohnungen, an menschlichen Körpern", sagt Max Levchin auf dem Podium, Sie sind in Handys, Kameras, Thermometern, Geschwindigkeitsmessern.

Levchin entwickelte einst den Bezahldienst Paypal mit. Heute investiert er in Startups. Die Daten, die nun an allen Gegenständen und Menschen um uns herum gemessen werden, ermöglichen neue Geschäftsmodelle: Gemeinsam benutzte Schraubenzieher, Autos, Wohnungen, Speicher, Hunde. Alles kann geteilt werden, oft so, dass Nutzer und Unternehmen profitieren. Die neusten Sensoren sind die Thermostate der Firma Nest,die Google eben aus genau diesem Grund für 3,2 Milliarden Euro gekauft hat. Nest-Gründer Tony Fadell war natürlich ebenfalls auf der DLD.

In Gedankenspielen wie dem "Internet of Things" öffnet sich in den besten Momenten der Konferenz ein kleiner Spalt in Raum und Zeit, und die Zukunft wird sichtbar: Eine Welt, in der Amazon ein Produkt an den Kunden schickt, das dieser zwar nie bestellt hat, von dem aber ein Algorithmus auf den Servern von Amazon errechnet hat, dass es ihm gefallen würde. Hat sich die Maschine verrechnet, nimmt Amazon das Paket zurück, aber sie verrechnet sich selten - der Umsatz steigt. Menschen wie Levchin oder auch der Investor Albert Wenger sind es, die entscheiden, welche Idee gefördert wird, wie sich das Netz und damit auch die Welt verändern könnten.

Hoffnungsvolle Gründer treffen auf milliardenschwere Manager

Was aber ist bei all diesen Ideen mit den Daten der Nutzer? Strategen wie Levchin setzen darauf, den Menschen immer mehr entlocken zu können. Für Kritiker wie Frank Rieger vom Chaos Computer Club und den Harvard-Wissenschaftler Evgeny Morozov eine Horrorvorstellung, zumindest, solang die Daten nicht sicher vor unbefugtem Zugriff sind. Doch nur ab und an schwappten NSA-Affäre und globale Überwachung in den Themenfluss, sie bildeten - vielleicht nur ungewollt - den "Kontext", von dem im diesjährigen Motto "Content and Context" die Rede ist.

Doch Morozovs fundamentalistische Stimme verhallte bald. Nur eine Stunde zuvor war auf der Konferenz der Kampf gegen Überwachung zu einem neuen, lukrativen Geschäftsmodell erklärt worden. Kein Wunder auf einem Treffen, bei dem milliardenschwere Venture Capital Manager auf hoffnungsvolle Gründer treffen, die sich freuen, dass das Essen umsonst ist.

Irgendwo muss die Kohle jetzt herkommen, und wenn man es dann eines Tages geschafft hat, darf man auf der DLD vom Zuschauerraum auf die Bühne vorrücken, bekommt einen Platz in Steffi Czernys Adressbuch und wird von Burda-Hostessen mit adligen Namen, die die Menge der Konferenzbesucher wie Moses das Meer zu teilen wissen, in den VIP-Bereich begleitet.

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Quelle:
SZ vom 22.01.2014/kjan
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