So gewann der Zwist über Wochen eine Eigendynamik, die sich Mitte November entlud. Da verschickte die DFB-Pressestelle eine Stellungnahme, in der sie unter anderem die beiden verlorenen Gerichtsgänge verschwieg, Weinreich eine diffamierende Kampagne unterstellte und dem Sportjournalisten eine Entschuldigung nachsagte, die dieser nach eigener Aussage nie abgegeben hat.
Nach dieser Pressemitteilung fingen auch die klassischen Medien an, über den Fall zu berichten. Die Nachrichtenagenturen schweigen zwar bis heute zu diesem Konflikt, doch der Fall ist nun dank der Blogger weit über die Blogosphäre hinaus bekanntgeworden. Der Fall hat den Status des lieben "Onkel Theo" angekratzt - einen Status, den sich Zwanziger mit seiner im Gegensatz zu seinem arrogant-ignoranten Vorgänger Gerhard Mayer-Vorfelder integrativen Art erworben hatte. "Die Blogs haben bestimmt eine wichtige Rolle gespielt, aber ich würde uns da nicht zu wichtig nehmen und keinen Gegensatz zu den klassischen Medien aufbauen", sagt Fritsch.
Doppelpass und Eigentor
In der Tat kamen an zwei entscheidenden Stellen die Weiterentwicklungen von außen - zwei Entwicklungen, die sich mit den fußballerischen Begriffen Doppelpass und Eigentor ganz gut beschreiben lassen. Den Doppelpass spielte die Blogosphäre mit einem klassischen Printmedium, dem Gießener Anzeiger. Die Zeitung berichtete am 8. November, dass der DFB-Chef auf einer Podiumsveranstaltung eine Frage des Moderators mit dem Hinweis gekontert haben soll, dies seien "demagogische Fragen".
Der DFB dementierte das, aber dennoch dürfte dieser Bericht eine entscheidende Rolle für den weiteren Verlauf gespielt haben. Denn wie kann man jemanden wegen des Vorwurfs, ein "unglaublicher Demagoge" zu sein, vor Gericht zerren, wenn man selbst unter Beweis stellt, wie sehr der Begriff in der Alltagsauseinandersetzung verwandt wird? Genüsslich griffen die Blogger den Artikel des Gießener Anzeigers auf.
Und da wäre noch das Eigentor - ein Eigentor, das dem DFB-Chef Theo Zwanziger schon ziemlich früh in dem Konflikt unterlief. Als der DFB-Chef in den Tagen nach dem 25. Juli über die Formulierung "unglaublicher Demagoge" stolperte, da hatte er noch die Möglichkeit zu zeigen, dass ein Blog nicht mehr ist als ein Blog und dass Hinweise auf die Unwichtigkeit von Blogs durchaus auch ihre Berechtigung haben können.
Zwanziger hätte ein wenig murrend über diesen Vorwurf hinweglesen können (wie es Gerhard Schröder oder Oskar Lafontaine vermutlich hundertfach bei Demagogen-Vorhaltungen getan haben) oder sich bei einem Glas Wein mit Freunden darüber auslassen können; auf jeden Fall hätte er dafür sorgen können, dass Weinreichs Bemerkung nicht mehr geworden wäre als Kommentar Nummer vier in einem Blogeintrag des Blogs Direkter Freistoß. Doch Zwanziger tat das nicht, sondern er ging gerichtlich dagegen vor und sorgte so dafür, dass der Fall an Fahrt aufnahm. Eine Auseinandersetzung begann, in der er bisher nur verloren hat.