Süddeutsche Zeitung

Deutscher schreibt Twitter-Programm:Schöner Schnattern

Marco Kaiser hat "Twhirl" geschrieben, eines der meistbenutzten Programme für Twitter. Der Erfolg des Mikrobloggings hat das Leben des deutschen Programmierers völlig verändert.

René Martens

Vielleicht wird Twitter in seiner Wirkung überschätzt: Das Leben von Marco Kaiser hat der Kurznachrichten-Dienst jedoch völlig verändert. Im Spätsommer 2007 fing er aus eigenem Antrieb an, ein Programm zu schreiben, das die Arbeit mit Twitter erleichtert.

Der Boom, den Twitter in den vergangenen Monaten erlebte, war damals nicht absehbar. Sein Programm, das den Namen Twhirl bekam, abgeleitet vom englischen Wort "whirl" (wirbeln), ist ein Hilfsmittel: "Wir ermöglichen es Nutzern, ihre Community effektiver zu pflegen und managen", sagt Kaiser.

So kann man mehrere Zugänge - einige Nutzer trennen zwischen privaten und beruflichen Accounts - gleichzeitig im Blick behalten und Mitglieder seines Netzwerks in thematisch unterschiedliche Gruppen einteilen. Außerdem vereinen die Programme die wichtigsten Funktionen rund um Twitter, sodass man nicht zwischen verschiedenen Seiten hin- und herspringen muss.

Die Mehrheit der Nutzer gehen zwar auf die Website von Twitter, um Nachrichten zu verschicken. Bei Menschen, die die Plattform intensiv nutzen, sind aber Programmsammlungen wie Seesmic Desktop und Co. beliebt. So wie der Erfolg von Twitter als Kommunikationsmittel auf seiner leichten Nutzbarkeit basiert, hat auch die hohe Zahl der Zusatzprogramme etwas mit der Zugänglichkeit von Twitter zu tun.

Früher twitterten nur Nerds

Kaiser lobt die "einfach strukturierten" Programmierschnittstellen. Entwickler würden dadurch angeregt, Programme zu schreiben, die den Dienst Twitter integrieren. Weltweit gibt es wohl mehrere 1000 Programme dieser Art.

Kaiser hat die Geschichte des Mikrobloggings von Beginn an verfolgt. Als er mit Twhirl anfing, "haben nur Nerds Twitter genutzt. Heute wäre es nicht verwunderlich, wenn es meine Mutter täte." Twhirl fand früh Anklang bei Seesmic-Firmengründer Loic Le Meur. Der bot Kaiser im Frühjahr 2008 an, das Programm zu kaufen und ihn als Entwickler zu beschäftigen.

Wer Nachrichten über Twitter verschickt, kann sich nur mit Personen vernetzen, die ebenfalls bei Twitter registriert sind; entsprechendes gilt auch für andere, weniger verbreitete Kurznachrichten-Dienste. Somit sei Mikroblogging heute in einer ähnlichen Phase wie E-Mail in den frühen neunziger Jahren, sagt Kaiser.

"Es gab damals viele Insellösungen, die sich erst allmählich geöffnet haben. Heute spielt es technisch keine Rolle mehr, welchen Mail-Anbieter man hat." Die nächste Entwicklungsstufe in der 140-Zeichen-Kommunikation wäre dann erreicht, "wenn jeder jedem Kurznachrichten schicken kann". Das werde aber wohl noch fünf Jahre dauern, sagt der Programmierer.

Technische Kommunikation ersetzt menschlichen Dialog oft nicht

Mittlerweile ist er bei Seesmic auch für strategische und koordinative Aufgaben zuständig. Ein Vorteil sei, dass er in einer anderen Zeitzone lebe als Firmenchef Le Meur. "Wenn er schläft und es etwas Dringendes zu klären gibt, kann ich einspringen", sagt Kaiser. Die auf fünf Standorte verteilten Mitarbeiter - neben San Francisco, Stade und Bukarest noch Paris und Singapur - kommen einmal pro Woche per Videotelefonie zusammen.

Arbeitswochen in San Francisco seien trotz allem wichtig - unter anderem, weil dort die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die tägliche Kommunikation innerhalb der Firma funktioniert: "Um zu verstehen, wie Mails gemeint sind, ist es hilfreich zu wissen, welchen Humor jemand hat." In wirklichen Meetings könne man "Skizzen auf eine Weißwandtafel malen und ein anderer fügt etwas hinzu", argumentiert Kaiser. "Diese Art des Brainstormings ist durch technische Kommunikationsmittel nicht zu ersetzen."

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Quelle:
SZ vom 13.07.2009/cf/af
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