Demis Hassabis:Dieser Mann will die ultimative künstliche Intelligenz entwickeln

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DeepMind-Gründer Demis Hassabis spricht bei der DLD (Digital-Life-Design) Konferenz in München. (Foto: dpa)

Seine Software besiegte einen der besten Go-Spieler, doch Demis Hassabis will mehr. Er arbeitet an einem Algorithmus, der jede Aufgabe lösen kann.

Von Mirjam Hauck und Hakan Tanriverdi

Nein, es geht nicht nur darum, Computern Höchstleistungen beizubringen. Demis Hassabis sieht die Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) auch als Fortschritt der Menschheit. "Schachspieler konnten nach der Erfindung von Schachcomputern bessere Taktiken entwickeln", sagte er bei seinem Auftritt beim DLD. Er ist da ganz Wissenschaftler. Was man nicht bauen kann, könne man auch nicht begreifen. Deswegen werde KI den Menschen helfen, ihr eigenes Denken besser zu verstehen.

Seine Firma DeepMind sei deswegen so etwas wie das Apollo-Programm für Künstliche Intelligenz, sagte er. Die besten Wissenschaftler im Silicon Valley arbeiteten daran, seien es Hirnforscher oder Informatiker. Ihre Mission sei es, den menschlichen Verstand zu entschlüsseln und dieses Wissen zu nutzen, um unzählige andere Probleme zu lösen. Hassabis weiß, wovon er spricht. Er ist beides.

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Deswegen ist er auch so optimistisch, was die Zukunft der KI betrifft: "Wenn Menschen und Maschinen zusammenarbeiten, wird die künstliche Intelligenz unser wahres Potenzial zu Tage fördern." Die Algorithmen der KI würden der Menschheit helfen, die reale Welt zu verbessern, sei es bei der Entwicklung von neuen Medikamenten oder Materialien oder auch bei der Roboterforschung.

Vom Schach zur Informatik zur Neurowissenschaft

Demis Hassabis war der heimliche Superstar der diesjährigen DLD-Konferenz. Der 40-jährige Londoner ist ein Musterbeispiel des Überfliegers. Mit vier Jahren lernte er das Schachspielen, mit zwölf Jahren war er Meister, mit 13 hatte er die zweithöchste Elo-Zahl der Welt unter 14 Jahren. Nach der Zahl wird die Spielstärke von Schach-Genies gemessen.

Schach war auch sein Schlüssel zum Beruf. Mit acht hatte er mit dem Spiel so viel Geld verdient, dass er sich seinen ersten Computer kaufen konnte, auf dem er sich das Programmieren beibrachte.

Er studierte dann zunächst Informatik. 1994 lauschte er in den Räumen der Cambridge Universität einem Vortrag über künstliche Intelligenz, der die Weichen für seinen revolutionären Ansatz stellte. Er fand es viel zu begrenzt, dass Maschinen ausschließlich auf eng gefasste Probleme angesetzt werden, dass sie die schnellste Route ermitteln, das beste Suchergebnis anzeigen, Sprache oder Bilder analysieren können. Aber jedes dieser Systeme kann eben nur das. Und damit ist ihre Intelligenz beschränkt.

Der Dozent schmiss Hassabis aus der Vorlesung

Hassabis dachte größer. Er soll damals zu seinem Sitznachbarn gesagt haben: "Ich glaube, die wollen uns hier das Gehirn waschen." Der Dozent hörte seine Kritik und forderte ihn auf, den Raum zu verlassen, wenn er der Meinung sei, alles besser zu wissen. Hassabis ging. Seitdem haben nur wenige das Feld der KI so vorangebracht wie er.

Zunächst entwickelte er Spiele wie "Theme Park", mit dem man einen fiktiven Erlebnispark leiten muss. Als ihm selbst diese komplexen Welten zu einfach wurden, ging er zurück an die Uni und machte einen Abschluss in Neurowissenschaften. Die perfekte Voraussetzung, um künstliche Intelligenz zu entwickeln. 2010 gründete er DeepMind als Startup. Vier Jahre später kaufte Google sein Unternehmen.

Er ist zu Computerspielen zurückgekehrt. Die von seiner Firma entwickelten Maschinen können sich selbst beibringen, Atari—Spiele zu bedienen. Ihnen muss lediglich einprogrammiert werden, dass Gewinnen etwas Gutes ist. Nach dieser Grundlogik übernimmt die Maschine den Rest selbst. Das ist die höhere Form der künstlichen Intelligenz, die Hassabis einst so langweilig und beschränkt fand.

AlphaGo gewann mit "Intuition" gegen einen der weltbesten Go-Spieler

Für DeepMind basteln mehrere hundert Mitarbeiter an Programmen, die ohne jede fremde Hilfe die Welt entdecken und verstehen. Hassabis Vision ist eine KI, die sämtliche Information in Rohform verarbeiten kann. Statt für jede Aufgabe auf unterschiedliche Algorithmen angewiesen zu sein, würde dieser eine Algorithmus alles können: den schnellsten Weg ermitteln, Gesichter auf Fotos erkennen, Computerspiele spielen. Dieses Ziel liegt noch weit entfernt, aber die KI von DeepMind ist auf weniger menschliche Hilfe angewiesen als die meisten Konkurrenten.

Im März 2016 demonstrierte DeepMind , wie mächtig die Algorithmen der Firma sind. Im wohl komplexesten Brettspiel, Go, trat der Rechner in fünf Partien gegen einen der weltbesten Spieler an, den Koreaner Lee Sedol. DeepMind gewann.

Dass der Tag kommen würde, an dem Maschinen auch diese Komplexität meistern würden, war abzusehen. Allerdings dachten Experten, dass mindestens noch ein Jahrzehnt vergehen würde, bis es soweit ist. DeepMind setzte für diese spezielle AlphaGo genannte KI ein Verfahren ein, dass Hassabis als "Intuition" bezeichnete. Statt zu versuchen, mit brachialer Rechengewalt zu ermitteln, was der beste nächste Zug ist, analysierte die Maschine 100 000 Spiele von Amateuren und spielte millionenfach gegen sich selbst.

Wenn Maschinen nicht mehr auf Menschen hören

Für den Neurophysiologen Wolf Singer, der direkt vor Hassabis sprach, sind solche Systeme der Schlüssel zur Zukunft der KI. Würde man die entsprechende Hardware entwickeln, die effizient arbeiten kann, könnte KI schon bald unbeaufsichtigt lernen. An den Moment der Singularität, glauben nur wenige, also an jenen Punkt, an dem künstliche die menschliche Intelligenz überholen könnte. Doch Singer warnte vor einer Gefahr, die viel greifbarer ist.

"Wir glauben an die Robustheit hierarchischer Strukturen", sagte er. "Weil wir Affen sind." Doch so sicher dürfen man nicht sein, dass sich solche Systeme immer kontrollieren lassen. "In selbst organisierten Systemen funktionieren diese Hierarchien nicht mehr. "Sie werden immer etwas tun. Aber nicht unbedingt das, was wir von ihnen wollen."

© SZ vom 17.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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