Debatte über Anonymität im Netz:So nutzlos wie das Vermummungsverbot

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Innenminister Friedrich möchte eine Demokratie, die mit "offenem Visier" streitet. Mit dem gleichen Argument führten Sicherheitspolitiker vor 25 Jahren das Vermummungsverbot bei Demonstrationen ein. Es entpuppte sich als Schnapsidee. Auch ein Generalverbot von Pseudonymen im Netz wäre sinnlos - an einigen Stellen sind Klarnamen jedoch angebracht.

Heribert Prantl

Das Internet gilt als "anonymes" Medium. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie "namenlos". Die Namenlosigkeit ist aber eigentlich nicht das Problem im Internet.

Anonymous-Aktivisten mit Guy-Fawkes-Masken: Die Namenlosigkeit ist nicht das Problem im Internet. (Foto: dapd)

Die Leute, die dort schreiben, haben wunderliche, manchmal abgeschmackte Namen. Es sind freilich, und daran entzündet sich die Kritik des Bundesinnenministers, oft nicht die wahren Namen der Schreiber. Hans-Peter Friedrich will sie, erschreckt vom Hass-Manifest des Attentäters Breivik, zwingen, sich nur unter Realnamen zu äußern - also eine Pseudonymen-Waschanlage installieren.

Der Minister habe sich damit, heißt es in der Blogger-Szene, als digitaler Einfaltspinsel geoutet. Ganz so einfach kann man es sich nicht machen. Vor kurzem hat sich Randi Zuckerberg ähnlich geäußert; sie ist immerhin Marketing-Chefin bei Facebook. Sie erhofft sich von einem Realnamen-Gebot mehr Diskussion und weniger Pöbelei. So ähnlich klingt das auch bei Friedrich: In der Demokratie streite man mit offenem Visier.

Mit diesem Argument ist von Sicherheitspolitikern vor 25 Jahren das Vermummungsverbot bei Demonstrationen eingeführt worden; es war und ist dies eine der großen Schnapsideen der Rechtspolitik der letzten Jahrzehnte.

Seitdem wird mit Geldstrafe oder Haft bestraft, wer "an derartigen Veranstaltungen in einer Aufmachung" unterwegs ist, "die geeignet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern". Es gibt gute Gründe für Pro (Angst vor Diskriminierung) und für Contra (Martialität kann gewaltbereit machen).

Gewaltiger Aufwand

Das entscheidende Contra-Argument aber ist: Es gibt große Probleme bei der Umsetzung des Vermummungsverbots. Die strafrechtliche Verfolgung geht mit gewaltigem Aufwand einher. Wenn die Polizei aus einer friedlichen Demo vermummte Demonstranten herausholt, wird die Demo mit großer Sicherheit unfriedlich.

Deswegen sehen Sicherheitsbehörden meist davon ab, die Vermummungsstraftat zu verfolgen. Sie ist eine plakative Drohung. Sie höhlt das rechtsstaatliche Legalitätsprinzip aus, das die Ahndung aller Verstöße fordert. Ein generelles Pseudonym-Verbot im Internet hätte ähnliche Folgen.

Es gibt bereits eine Impressums-Pflicht

Ein partielles Pseudonym-Verbot gibt es schon, auch wenn es kaum beachtet wird. Für Blogs, die journalistisch-aktuell an die Allgemeinheit gerichtet sind, gilt laut Telemediengesetz Impressums-Pflicht: Es muss ein Verantwortlicher benannt werden. Das ist einsichtig: Warum bitte soll bei Flugblättern im Internet nicht gelten, was für jedes Flugblatt gilt, das auf der Straße verteilt wird?

Bei Leserbriefen im Internet, den "Postings" zu Online-Artikeln, schreibt bisher jeder unter dem Namen, den er für lustig hält. Auch das muss nicht sein. Unter den Leserbrief in der gedruckten Zeitung wird der Realname gesetzt, nicht der Name "Gurnimaz" oder Ähnliches. Das ist aus rechtlichen Gründen so - und weil es zum Wesen der Zeitung gehört. Im Internet verändert Presse zwar den Aggregatzustand, aber nicht ihr Wesen.

© SZ vom 09.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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