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Datenschutz im Internet:Hauptsache bequem und gratis

22,5 Millionen Dollar muss Google hinblättern, weil der Konzern den Datenschutz missachtet hat. So viel Geld verdient Google an einem Tag. Doch das Geschäft der Internetkonzerne wäre nicht so erfolgreich, wenn weniger Menschen bereit wären, für die neue Bequemlichkeit im Internet mit persönlichen Daten zu zahlen.

Varinia Bernau

Auf die Sammelwut von Google angesprochen, gab Eric Schmidt, der langjährige Konzernchef, einst auf einer Konferenz eine ziemlich anmaßende Antwort: "Hätten Sie es lieber, dass sich eine Regierung darum kümmert?" Der Staat, das ließ Schmidt dabei durchblicken, sei kein guter Wächter über den Datenschatz, der in einer Informationsgesellschaft wie der unseren immer wertvoller wird. Die Geschichte ist reich an Belegen, die Schmidts Sicht stützen. Zuletzt aber wachsen bei vielen Menschen die Zweifel daran, ob Google tatsächlich der bessere Wächter ist.

Nun hat die FTC, die oberste Aufsichtsbehörde in den USA, gegen Google eine Rekordstrafe von 22,5 Millionen Dollar verhängt. Weil der Konzern gegen sein Versprechen an die Nutzer des Internetbrowsers von Apple verstoßen hat, keine Cookies zu verwenden und ihnen keine gezielte Werbung zu zeigen. Auf Computern sind Cookies so etwas wie das Fernglas von Eric Schmidt im Zeichentrickfilm der Datenschützer: Mit ihnen lässt sich nachvollziehen, wer welche Internetseite wie lange besucht. Die Strafe der FTC war überfällig - und wird doch wenig bewirken.

Für Google sind 22,5 Millionen Dollar keine große Sache. An einem einzigen Tag verdient der Internetkonzern mehr. Doch nicht nur zwischen den enormen Summen, die Google, aber auch andere Online-Riesen mit all den gesammelten Informationen einspielen, und dem, was Behörden an Strafen verlangen können, liegen Welten. Hinter den hippen Technologiekonzernen, die exzellent ausgebildete Entwickler aus aller Welt anziehen, hinken die unterbesetzten Behörden hilflos hinterher.

Wer einem Verdacht nachgehen, einen Verstoß ahnden will, der braucht nun einmal Zeit. Und während die Aufsichtsbehörden noch abwägen, schaffen die Unternehmen Fakten: Ob nun Apple abspeichert, wann und wo sich die Nutzer des iPhones herumtreiben, oder ob Facebook die Timeline, eine Art Lebenschronik, für die Mitglieder seines Netzwerkes eigenmächtig zur Pflicht erhebt: Noch ehe eine Behörde dies mit Verweis auf geltendes Recht verbieten kann, haben die meisten Menschen die damit verbundenen Dienste schon längst lieb gewonnen. Es ist doch unheimlich praktisch, wenn das Handy auch als Navi dient und noch eine Restaurantempfehlung liefert, wenn die inzwischen weit weg lebenden Schulfreunde sofort das Hochzeitsfoto sehen und nach dem Umzug auch die neue Adresse.

Aus gutem Grund betont Eric Schmidt, der inzwischen dem Verwaltungsrat bei Google vorsteht und für den richtigen Draht zu den staatlichen Stellen sorgen soll, dass die Behörden den Menschen klarmachen müssen, was diese durch strengere Regulierungen gewinnen. Aber auch, was sie dadurch womöglich verlieren. Schmidt weiß viele Verbraucher längst auf seiner Seite. Ebenso wie Mark Zuckerberg von Facebook oder Jeff Bezos von Amazon: Sie gerieren sich als diejenigen, die die Welt besser machen wollen.

Wie bequem ein Online-Kaufhaus ist, das unsere Gewohnheiten kennt und Empfehlungen gibt, leuchtet jedem sofort ein. Die Gefahren dahinter allerdings sind weniger greifbar. In Europa wächst eine Generation heran, die in Demokratien geboren wurde - und nicht in Diktaturen wie ihre Eltern. Diese Generation hat es nicht mehr erlebt, was passieren kann, wenn leichtfertig preisgegebene Informationen in den falschen Hände geraten - und sie kann es sich auch nicht mehr vorstellen. Deshalb ist sie bereit, für die neuen Bequemlichkeiten mit persönlichen Daten zu zahlen. Hauptsache, sie muss kein Geld ausgeben.

Es ist nicht nur der bequeme, auch mal knauserige Privatmann, der dem Datenschutz im Wege steht. Es sind nicht nur die Leute, die im Netz mal eben etwas nachschlagen oder ihre Einkäufe erledigen. Es sind ebenso all die Unternehmen, die mit einer suchmaschinenoptimierten Anzeige noch ein paar mehr Kunden gewinnen wollen. Es sind Politiker, die soziale Netzwerke nutzen, um ihren Wählern Nähe zu vermitteln. Und es sind Ermittlungsbehörden, die bei Internetunternehmen anklopfen und Informationen zu Verdächtigen fordern.

Sie alle lieben die neuen Möglichkeiten der Technik. Und sie alle haben im Grunde genommen kein Interesse daran, dass der Datenschutz allzu streng gehalten wird. Sie alle lassen die Internetkonzerne in ihrer Sammelwut deshalb gewähren.

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SZ vom 11.08.2012/pauk
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