Datenschmuggel:Geheimwaffe gegen Nordkorea: alte USB-Sticks

Still image taken from video shows North Korean leader Kim Jong-un travelling with senior military officials on a boat at an undisclosed location

Kim Jong Un präsentiert sich im Staatsfernsehen gern als Oberbefehlshaber. Seine Untertanen schauen lieber ausländische Serien.

(Foto: Reuters)
  • Aktivisten rufen dazu auf, USB-Sticks zu spenden, um sie an nordkoreanische Regimegegner weiterzuleiten. Die bespielen die Speicher mit westlichen Medien und schmuggeln sie nach Nordkorea.
  • Die Aktion soll helfen, die Bevölkerung aufzuklären, die von der Außenwelt abgeschirmt wird.

Von Sara Weber

Wenn die Regierung alle Informationen kontrollieren will, können Daten Sprengstoff sein. Und USB-Sticks Werkzeug für politische Guerilla-Aktionen gegen Nordkoreas Regime. Eine Initiative sammelt Mini-Speichermedien, um damit westliche Filme und Serien nach Nordkorea zu bringen - und die dortige Diktatur so aus dem Untergrund zu schwächen: mit südkoreanischen Seifenopern, aber auch amerikanischen wie "Friends" und "Desperate Housewives", Filmen wie Charlie Chaplins "Der große Diktator" sowie E-Books mit Romanen und historischen Sachbüchern.

Flash Drives for Freedom heißt die Initiative, der Interessierte außerhalb Nordkoreas Speichermedien zuschicken sollen. Sie ist ein Zusammenschluss der New Yorker Human Rights Foundation und der gemeinnützigen Organisation Forum 280, die im Silicon Valley sitzt. Sie sammelt die Sticks und verschifft sie dann an koreanische Gruppen wie das North Korean Strategy Center (NKSC) im südkoreanischen Seoul. Dort werden die Speicher mit Inhalten gefüllt - westliche und südkoreanische Filme, Fernsehserien, E-Books und Musik - , wenn nötig untertitelt und über die Grenze nach Nordkorea geschmuggelt. Besonders südkoreanische Serien interessieren die Bewohner des Nordens. Dabei achten sie nicht unbedingt auf die Handlung, sondern auf Details wie Kleidung, Autos und Essen.

Computer gibt es wenige, dafür viele Videoplayer

"Nach Essen und Wasser ist Wissen die nächste Sache, die Nordkoreaner wollen", sagt Alex Gladstein, für die Strategie der Human Rights Foundation zuständig, der BBC. Aber der Zugang zu Wissen ist äußerst beschränkt. Das Internet wird staatlich überwacht, nur die Elite hat Zugang. Computer sind immer noch vergleichsweise selten, das nordkoreanische Betriebssystem RedStar ist darauf ausgelegt, die Bewohner des Landes zu überwachen.

USB-Sticks können auch in Geräten abgespielt werden, die deutlich verbreiteter sind: sogenannte Notel, tragbare Videoplayer, - wie das Wort andeutet, eine Kombination aus Notebook und Television. Sie haben zwar keine eigene Tastatur, können aber Dateien von USB-Sticks und SD-Karten sowie DVDs abspielen. Außerdem sind sie vergleichsweise günstig, rund 50 US-Dollar. Sie sind mittlerweile so verbreitet, dass die Regierung sich entschied, ihr Verbot 2014 aufzuheben hat.

Dass die Aktivisten heute vor allem USB-Sticks und SD-Karten mit ausländischen Inhalten ins Land schmuggeln und keine DVDs mehr wie noch vor einigen Jahren, liegt auch daran, dass DVDs im Fall einer Hausdurchsuchung nicht so einfach vernichtet oder versteckt werden können. Wer mit ausländischem Material erwischt wird, kommt oft ins Gefängnis oder Arbeitslager. Einen kleinen USB-Stick kann man viel einfacher verschwinden lassen.

Nordkoreaner sind angewiesen auf USB-Sticks

"In der verschlossensten Gesellschaft der Welt sind USB-Sticks wertvolle Instrumente für Bildung und Entdeckung", heißt es auf der Website von Flash Drives for Freedom. In einer Gesellschaft ohne Internet, mit totaler Überwachung durch die Regierung, ohne unabhängige Medien, seien Nordkoreaner auf die kleinen Plastikstücke angewiesen. "Voll mit Filmen, Büchern und Informationen sind sie Fenster zur Außenwelt."

Es ist nicht das erste Mal, dass eine Organisation aus dem Silicon Valley den nordkoreanischen Aktivisten hilft: Die Gruppe NKSC arbeitet bereits seit längerem mit Wikimedia zusammen, um eine Wikipedia-Version im nordkoreanischen Dialekt auf jeden USB-Stick aufzuspielen.

Bisher schmuggeln Organisationen, die von nordkoreanischen Flüchtlingen geleitet werden, jährlich weniger als 10 000 USB-Sticks ins Land, manche mit Ballons. Es könnten deutlich mehr sein - wenn die Organisationen keine neuen Speichermedien kaufen müssten, sondern gespendete Sticks verwenden könnten. USB-Sticks werden in Europa und den USA immer unwichtiger, weil Daten in der Cloud gespeichert werden und so jederzeit und überall verfügbar sind. Es ist also ein logischer Schritt, zum Spenden genau dieser Speichermedien aufzurufen. Ein weiterer Vorteil aus Sicht der Aktivisten: Sollten die Nordkoreaner erfahren, dass Amerikaner und andere Ausländer sich engagieren und ihre Sticks zur Verfügung stellen, könnte das den Effekt der Inhalte noch verstärken.

Das Regime kann nur von innen gestürzt werden

Allein das North Korean Strategy Center bringt pro Jahr etwa 3000 USB-Sticks nach Nordkorea, berichtet die US-Zeitschrift Wired. Gegründet wurde die Organisation von Kang Chol-hwan, der als Kind mit seiner Familie zehn Jahre lang in einem Internierungslager festgehalten wurde. Er floh und steht heute auf der Top-10-Liste abtrünniger Nordkoreaner, die das Regime am liebsten tot sehen würde.

Kang glaubt, dass die Macht der Kim-Dynastie, die in dritter Generation über Nordkorea herrscht, nicht durch einen Drohnenkrieg oder andere militärische Interventionen von außen gebrochen werden kann, sondern nur von innen: Indem die Bewohner des Landes merken, dass sie Propaganda ausgesetzt sind. US-Serien sind ihm zufolge der Weg zum freien Denken. "Wenn Nordkoreaner 'Desperate Housewives' schauen, sehen sie, dass Amerikaner nicht alle nur kriegsliebende Imperialisten sind", sagte Kang der Wired. Bleibt zu hoffen, dass das TV-Leben amerikanischer Hausfrauen nicht allzu abschreckend auf freiheitshungrige Nordkoreaner wirkt.

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