In der Facebook-App gibt es seit Kurzem ein neues kleines Symbol, es sieht aus wie eine eigentümliche Mischung aus einem strahlenden Wlan-Symbol und einem Menschen. Wie passend, darum geht es ja auch: Der Mensch als Sender. Wer auf das Symbol drückt, überträgt mit der Kamera seines Handys live auf die eigene Facebook-Seite, was um ihn herum zu sehen ist. Die Zugriffe auf dieselbe sind theoretisch unbeschränkt, jeder kann zugucken.
Wenn zum Beispiel Timo aus der fünften Klasse mit seinem iPhone die ganze Welt oder wenigstens jene 1,6 Milliarden Menschen, die auf Facebook aktiv sind, dabei zugucken lassen möchte, wie er Lisa aus der Sechsten an den Haaren zieht, dann geht das jetzt problemlos. Und nach allem, was man in den vergangenen Jahren über die Aufmerksamkeitsökonomie im Netz gelernt hat (Youtube-Hits sind zum Beispiel: niesendes Pandababy, kleiner Junge auf Beruhigungsmitteln, Koreanerinnen, die mit dem Hintern wackeln), könnte es gut sein, dass Tim mit seinem Programm für 15 Minuten die Aufmerksamkeit der Welt geschenkt bekommt.
Die Funktion erinnert an die Apps Meerkat und Periscope, die ihren Nutzern Ähnliches ermöglichten. Auch mit ihnen konnten und können Nutzer einen Livestream ins Netz schicken. Aber mit der Integration der App in Facebook, die die Firma derzeit für immer mehr Nutzer freischaltet, erreicht diese Technik sehr viel mehr Menschen.
Videos könnten das Leitmedium des 21. Jahrhunderts werden
Mark Zuckerberg, Facebooks Chef und Gründer, ist der Ansicht, dass Videos in naher Zukunft das Bild als primäre mediale Ausdrucksform neben Text ablösen werden. Der Trend zum Bewegtbild wird maßgeblich begünstigt durch den immer günstiger werdenden Speicher, die schnelleren und günstigeren Datenverbindungen und die Möglichkeit, sehr kleine und leichte Kameras in nahezu jedem beliebigen Gerät unterzubringen.
Live-Videos sind da nur der nächste Schritt. Sie erweitern die Kommunikation mit bewegten Bildern um einen entscheidenden Faktor: die Gleichzeitigkeit von Senden und Empfangen. Bislang war der Versand von Videos und Bildern stets mit dem vorhergehenden Speichern der Aufnahme verbunden, meist auf dem eigenen Gerät, sei es ein Handy oder eine Kamera. Von dort musste das Bild hochgeladen werden und zu einem in der Regel genau definierten Empfänger transferiert werden.
Live-Videos werden die Gesellschaft verändern - nur wie?
Diese Beschränkungen, allesamt auch Punkte für mögliches Innehalten, sind ein für alle Mal durchbrochen. Und wie das so ist im Zeitalter der Digitalisierung: Die Funktion ist ein weiterer, gar nicht kleiner Schritt auf dem Weg in eine neue Gesellschaft, von der sich nach wie vor nicht wirklich absehen lässt, wie sie sein wird.
Allerdings lässt sich grob die Richtung erkennen, in die wir unterwegs sind. In Zukunft wird in sehr vielen Situationen die Wahrscheinlichkeit, gefilmt zu werden, größer sein, als die Wahrscheinlichkeit, nicht gefilmt zu werden. Dazu trägt auch bei, dass die neue Technik die bestehende ergänzt, etwa die allgegenwärtigen Überwachungskameras der Behörden.