Das Internet im Kino:Böses Netz

Im Kino hat sich das Internet zu einem allmächtigen Superschurken entwickelt, gegen den selbst James Bond vergebens kämpft.

Fritz Göttler

Toller Körpereinsatz, harter direkter Zugriff, das rühmte man weltweit am neuen James Bond, als Ende des vorigen Jahres Casino Royale in die Kinos kam. Daniel Craig, der neue Bond, hatte alles souverän im Griff - bedenklich stimmte nur, dass sein Gegenspieler ausgerechnet den Namen Le Chiffre trug.

Das Internet im Kino: James Bond spielte als Raubkopie schon längst im Casino Royal, bevor der Film in Deutschland gestartet war

James Bond spielte als Raubkopie schon längst im Casino Royal, bevor der Film in Deutschland gestartet war

(Foto: Foto: dpa)

Und dass Bond, wenn er sich mal konzentrierte und an den Spieltisch hockte, sich in die Abhängigkeit der Finanzbeamtin Vesper Lynd begab. Die Herrin der Zahlen hielt den Staragenten an der Leine, entschied, wieviele Millionen Ihrer Majestät er zum Einsatz bringen durfte. Und sorgte dafür, dass am Ende die ganze Macht und Herrlichkeit der geheimdienstlichen Aktion auf dem Bildschirm ihres Laptops zerbröckelte.

Mit den modernen tricks of the trade wurde Bond düpiert, und am Ende Le Chiffre noch dazu. Die Zahlenkolonnen purzelten, Millionenbeträge lösten sich in Nichts auf, die unsichtbare Großmacht der Banken siegt.

Gegen das Internet ist auch Bond machtlos

Gegen das Internet kämpft auch ein Bond vergebens, das ist das Fazit dieses Films. Ein schmerzlicher Kommentar auch zur Situation im Action-Kino heute - in dem der ganze physische Einsatz sich sabotiert sieht durch ein paar Internet-Bildschirmbefehle.

Natürlich ist das Internet inzwischen unersetzlich, wenn es um flottes Plotting und den Ausbau globaler Intrigen geht. Dann setzen auch Cameron Diaz und Kate Winslet sich vor den Computer und enden beim weihnachtlichen Häusertausch, wie in der Starkomödie ,,Liebe braucht keine Ferien''.

Anfang der Achtziger war das alles noch ein großes Spiel, ein Spiel, das sich lässig in die Wirklichkeit einklinkte und fast für fatalen Ausgang sorgte. In ,,WarGames'' fand ein Teenager - der junge Matthew Broderick - auf seinem Bildschirm plötzlich folgendes Angebot: Bridge, Dame, Schach, Poker, Fighter Combat, Guerilla Engagement, Desert Warfare

Das war lange, bevor die Ego-Shooter-Spiele sich breit machten, weshalb die weiteren Spielangebote eher gruselig phantastisch klangen, bis hin zum abschließenden globalen Atomkrieg. Der reizte den Jungen, und er suchte sich den Part der Sowjetunion aus. Bald darauf gab es beunruhigende Nachrichten im Radio und Fernsehen, Truppenbewegungen, Angriffsdrohungen, Verteidigungsmaßnahmen.

Der Computer als Gegner

Der Junge hatte sich versehentlich in den Verteidigungscomputer der USA eingeklinkt, und das Spiel, das er eingeleitet hatte, war der sehr reale Weltkrieg. Zur Lösung des Dilemmas griff Regisseur John Badham schnell auf die gewohnte Action zurück, mit Verfolgungsjagden und Helikopterflug und einem grandiosen War room, mit riesigen Bildschirmen.

Die gibt es auch sowohl in den Schaltzentralen im neuen Film ,,Flug 93'', in denen sich die ganze Hilflosigkeit nach der 9/11-Attacke manifestierte, wie aus dem Riesenraum, den der geniale Ken Adam für Kubricks ,,Doktor Seltsam'' konstruiert hatte. Der Schrecken musste einfach Größe haben, Terrorausmaße. Joshua, der Computer, der sich als Gegenspieler im War Game präsentiert, erinnert ein wenig an die Nervensäge Hal in Kubricks ,,2001 - Odysse im Weltraum''.

Er war die große Neuschöpfung des politischen Erfindergeistes, der totale Hardliner - man hatte jegliche Einflussnahme seitens der unzuverlässigen Menschen-Weicheier bei ihm unmöglich gemacht.

Mit dem Besenstiel gegen das Böse

Ein paar Jahre spielte man noch fröhlich mit im neuen Spiel, die ,,Sneakers'', die sich um Robert Redford und River Phoenix scharten, vereinten die alten Action- mit den neuen Nerd-Qualitäten, und das Chaos, das sie produzierten, war entsprechend fröhlich. Langsam bildete ein neuer Helden-Typus sich heraus, der Hacker, der Robin Hood des Computer-Zeitalters.

Selbst bei uns hat er auf die Leinwand gefunden, in Hans-Christian Schmids ,,23'', der mysteriösen Geschichte von Karl Koch und seinen Freunden, die im Internet ganz easy Firmengeheimnisse ausspionieren und an den KGB verkaufen, die das Luxusleben mit Schampus und Swimmingpool entdecken und am Ende von der Staatsmacht zur Verantwortung gezogen werden.

Im Hintergrund, in den Hinterköpfen spuken immer Ahnungen von der großen Weltveschwörung, inspiriert von Robert Anton Wilsons Buch ,,Illuminatus''.

Sehr viel weniger Spaß im Netz hatten die Frauen, Sandra Bullock zum Beispiel oder Sigourney Weaver. Bullock kam in ,,Das Netz'' einer Politintrige auf die Spur und bekam zur Abschreckung ihre gesamte Existenz ausradiert, indem man die Personaleinträge in den Dateien löschte, ihr eine kriminelle Vergangenheit anhängt.

Weaver wurde in ,,Copycat'' (deutscher Titel: Copykill) als Spezialistin für Serienmörder selbst von einem Verbrecher verfolgt. Beide Frauen, daran lassen die Filme keinen Zweifel, leiden an Verhaltensstörungen, benutzen den Platz vor dem Computer als Versteck. Um ihre Morgenzeitung aus reinzuholen, muss die arme agoraphobe Sigourney sich am Türpfosten festhalten und mit einem Besenstiel im Flur herumstochern.

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