Cyber-Kriminalität:Die Darknet-Fürsten aus Kleve und Bad Vilbel

Cyber-Kriminalität: Das BKA hat drei junge Deutsche festgenommen, die gemeinsam eine Darknet-Plattform betrieben haben sollen. (Symbolbild)

Das BKA hat drei junge Deutsche festgenommen, die gemeinsam eine Darknet-Plattform betrieben haben sollen. (Symbolbild)

(Foto: Illustration: Stefan Dimitrov)
  • Drei junge Deutsche sollen einen der größten Drogenumschlagplätze der Welt im Darknet betrieben haben.
  • Die Polizei nahm die Männer jetzt fest. Die Ermittlungen des BKA mit dem FBI und Europol liefen seit mehr als einem Jahr.
  • Allein niederländische Händler sollen auf der Plattform mehr als Hundert Millionen Euro umgesetzt haben.

Von Max Muth

Wenn sich der Erfolg einer polizeilichen Ermittlung an der Anzahl der Personen auf dem Podium einer Pressekonferenz bemessen lässt, dann kann das Bundeskriminalamt (BKA) an diesem Freitag sehr zufrieden sein. Ein US-Staatsanwalt ist mit zwei weiteren US-Beamten angereist, ebenfalls anwesend der Sprecher der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT), Georg Ungefuk, mit einem weiteren Staatsanwalt, sowie zwei niederländische Beamte. Eingeladen hatte BKA-Chef Holger Münch.

Sichtlich stolz verkündet Münch die Festnahme dreier junger deutscher Männer, die für den Betrieb eines der größten Drogenumschlagplätze im Internet verantwortlich gewesen sein sollen: ein 31-Jähriger aus Bad Vilbel, ein 29-Jähriger aus dem Landkreis Esslingen und ein 22-Jähriger aus Kleve. Sie sollen gemeinsam das Darknet-Forum "Wall Street Market" betrieben haben. Bei Hausdurchsuchungen hätten Beamte des BKA 550 000 Euro in bar, größere Summen in Kryptowährungen sowie mehrere wertvolle Autos beschlagnahmt.

Auf internationalen Webseiten, auf denen sich Nutzer über Darknet-Märkte austauschen, war schon seit Tagen über Wall Street Market spekuliert worden. Nutzer befürchteten, auch Wall Street Market werde sich bald einreihen in die Liste derjenigen Darknet-Marktplätze, die ihre Kunden irgendwann übers Ohr hauten und sich mit den dort gelagerten Bitcoins aus dem Staub machten - im Jargon der Szene wird so ein Plan als "Exit-Scam" bezeichnet.

Betreiber planten wohl "Exit-Scam"

Am Freitag bestätigte das Bundeskriminalamt diese Befürchtungen. Demnach hatten die Betreiber tatsächlich am 22. April begonnen, das Geld ihrer Kunden abzuzweigen. Doch in die Vorbereitungen zum Ausstieg platzte der Zugriff des BKA. Wer am Freitag die Darknet-Adresse des Drogen-Markplatzes aufrief, dem prangte ein Banner der deutschen Strafverfolgungsbehörden entgegen: "Die Plattform und der kriminelle Inhalt wurden beschlagnahmt durch das Bundeskriminalamt." Für Nutzer ist diese Nachricht noch deutlich schlimmer als der befürchtete Exit-Scam der Betreiber. Sie müssen jetzt mit der Sorge leben, dass die Polizei auch irgendwann bei ihnen vor der Tür stehen könnte.

Diese Befürchtungen werden von den beteiligten Behörden bei der gemeinsamen Pressekonferenz in Frankfurt am Main noch geschürt. Der niederländische Beamte Andy Kraak formuliert es so: "Unser Ziel ist es, das Vertrauen der Händler zu zerstören, dass sie im Darknet anonym Straftaten begehen können." Deshalb sei es besonders wichtig, nicht nur Dealer, sondern auch die Administratoren und Moderatoren der Plattformen ausfindig zu machen. Das gelingt den Strafverfolgungsbehörden viel zu selten, wie der Sprecher der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT), Georg Ungefuk, zugab.

Internationale Zusammenarbeit von BKA, Europol und FBI

Dass es in diesem Fall klappte, liegt laut BKA-Chef Holger Münch vor allem an der guten internationalen Zusammenarbeit der Behörden. An den eineinhalbjährigen Ermittlungen gegen Wall Street Market waren laut Münch neben dem BKA noch die US-Staatsanwaltschaft, das FBI, die US-Drogenbekämpfungsbehörde DEA, die europäische Polizeibehörde Europol sowie eine niederländische Spezialeinheit zur Bekämpfung von Darknet-Kriminalität beteiligt. Die drei Deutschen standen laut Münch erst seit März 2019 im Fokus der Ermittler. Der entscheidende Tipp kam offenbar von der niederländischen Spezialeinheit. Der gelang es, die Server der Darknet-Plattform in den Niederlanden aufzuspüren. Durch die Überwachung der Administratoren dieser Server sei es dann gelungen, die deutschen Betreiber ausfindig zu machen.

Darknet-Plattformen wie der jetzt vom Netz genommene Wall Street Market funktionieren im Grunde genommen wie gewöhnliche Online-Versandhäuser - mit einem Unterschied: Erreicht werden können sie nur über den Tor-Browser, eine Software, die dafür sorgt, dass die IP-Adresse der Nutzer nicht zurückverfolgt werden kann. Einmal auf der Seite, können die Nutzer aus einem reichhaltigen Angebot an Drogen, gestohlenen Daten, Waffen und Ähnlichem wählen, Produkte in den Warenkorb legen und am Ende bezahlen - mit Kryptowährungen wie Bitcoin und Monero, welche die Identität der Nutzer ebenfalls verschleiern. Verkäufer und Produkte können nach einer erfolgreichen Transaktion bewertet werden, genauso wie bei Amazon oder Zalando.

Umsatz der Darknet-Händler: mehr als Hundert Millionen Euro

Die Betreiber des Wall Street Market mögen drei junge Deutsche gewesen sein, die Händler und Kunden der Plattform kamen aus der ganzen Welt. Seit März, so schätzen die US-Ermittler, war Wall Street Market zum weltweit größten Drogenumschlagplatz im Internet aufgestiegen. Die niederländischen Ermittler erklärten, sie hätten bereits 200 niederländische Verkäufer der Plattform identifiziert, die zusammen einen Umsatz von über 100 Millionen Euro gemacht haben sollen. Auch Kunden dieser Händler dürfen sich demnach auf eine Anzeige gefasst machen.

Ob auch deutsche Händler und Kunden identifiziert wurden, darüber wollte BKA-Chef Münch am Freitag nichts verraten, doch selbstverständlich gebe es Folgeermittlungen, so Münch. Den drei mutmaßlichen Betreibern drohen für ihre Vergehen maximal 15 Jahre Haft. In Untersuchungshaft sitzen sie wegen "gewerbsmäßiger Verschaffung einer Gelegenheit zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln". Einen eigenen Straftatbestand für das Betreiben des Darknet-Marktplatzes gibt es nicht, deshalb wird gegen die drei lediglich wegen Beihilfe ermittelt. BKA-Chef Münch fordert deshalb eine Änderung des Strafgesetzbuches, die auch das Betreiben von Darknet-Infrastruktur unter Strafe stellt. Münch könnte schon bald bekommen, was er sich wünscht. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde vor wenigen Tagen im Bundesrat auf den Weg gebracht.

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