DAK-Studie:Ist mein Kind internetsüchtig? Das sagen Eltern

Junges Mädchen am Tablet

Nicht jedes Kind, das viele Stunden am Computer verbringt, ist süchtig. Doch die Nutzung kann pathologisch werden.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Die DAK hat Eltern befragen lassen, wie sie über die Internetnutzung ihrer Kinder denken. In weniger als der Hälfte der Familien gibt es diesbezüglich Regeln.

Von Simon Hurtz

Wer hat was untersucht?

Die DAK-Gesundheit und das Deutsche Zentrum für Suchtfragen haben eine Studie zur "Internetsucht im Kinderzimmer" in Auftrag gegeben. Dafür befragte das Forsa-Institut telefonisch 1000 Mütter und Väter zwischen 30 und 75 Jahren, wie sie die Internet- und Computernutzung ihrer zwölf- bis 17-jährigen Kinder einschätzen. Die Daten wurde im August erhoben, das Ergebnis weist eine Fehlertoleranz von plus/minus drei Prozentpunkten auf. Forsa zufolge ist die Befragung repräsentativ - die Ergebnisse können auf alle Eltern von Kindern im Alter von zwölf bis 17 Jahren in Deutschland übertragen werden.

Zu welchen Ergebnissen sind die Forscher gekommen?

Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick:

Weitere Ergebnisse der Studie:

  • Fast fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland leiden unter krankhaften Folgen ihrer Internetnutzung - zumindest empfinden das deren Eltern so. Jungen sind mit 5,6 Prozent betroffen, Mädchen mit 3,9 Prozent. Dieser Unterschied ist statistisch nicht signifikant, könnte also auch der Fehlertoleranz der Umfrage geschuldet sein.
  • Weniger als die Hälfte der Eltern (49 Prozent) gibt ihren Kindern Regeln zur zeitlichen Nutzung des Internet. Die Werte schwanken in Abhängigkeit vom Alter der Kinder: Bei Zwölf- bis 13-Jährigen schränken 57 Prozent der Eltern den Internetkonsum zeitlich durch feste Vorgaben ein, bei 14- bis 15-Jährigen sind es 53 Prozent, in der Altersgruppe der 16 und 17-Jährigen nur noch 29 Prozent. Je höher der Bildungsabschluss der Eltern, desto eher neigen diese dazu, Regeln aufzustellen.
  • Mehr als zwei Drittel der Eltern (68 Prozent) reglementieren dagegen die inhaltliche Nutzung des Internets. Auch hier nimmt der Anteil mit dem Alter der Kinder ab. Während 72 Prozent der Eltern mit Hauptschulabschluss ihren Kindern inhaltliche Vorgaben machen, sind es bei den Eltern mit Abitur oder Hochschulabschluss nur 63 Prozent.
  • Insgesamt sagt eine deutliche Mehrheit von 89 Prozent der Eltern, dass die Regeln, die sie aufgestellt hätten, "voll und ganz" oder "eher" eingehalten werden. Väter sind etwas skeptischer als Mütter.
  • In jeder vierten Familie (27 Prozent) gibt es angeblich nie Streit wegen der Internetnutzung der Kinder. 38 Prozent streiten sich "selten", 23 Prozent "manchmal" und zwölf Prozent "häufig". Das Geschlecht spielt eine Rolle: Mütter streiten sich öfter als Väter mit Kindern um die Internetnutzung, Mädchen geraten darüber deutlich seltener mit ihren Eltern in Streit als Jungen.

Was genau soll "Internetsucht" eigentlich bedeuten?

Der Begriff "Internetsucht" wurde angeblich vom US-Psychiater Ivan Goldberg geprägt. Er soll 1995 von "internet addiction" gesprochen haben - allerdings als ironische Anspielung auf den Hang seiner Kollegen zur Dramatisierung. Aus dem einstigen Scherz ist für viele Forscher längst Ernst geworden. Die Diagnose "Internetabhängigkeit" löst seit Jahren Kontroversen aus, da sie insbesondere in der Populärwissenschaft und von einigen einschlägig bekannten Hirnforschern bisweilen etwas leichtfertig verwendet wird. In der Geschichte wurde so ziemlich jedem neuen Medium unterstellt, abhängig zu machen und bei übermäßigem Konsum negative Effekte auf die Psyche der Betroffenen auszulösen - Bücher, Radio, Fernsehen und nun eben das Internet galten als gefährlich.

Doch tatsächlich kann die Internetnutzung krankhafte Ausmaße annehmen und süchtig machen. So hat die American Psychiatric Association (APA) neun Diagnosekriterien für "Internetspielesucht" aufgestellt. Sobald fünf dieser Verhaltensweisen zutreffen, gilt der Konsum als pathologisch. Jugendliche mit einer Internet- beziehungsweise Computerspielsucht vernachlässigen andere Aktivitäten und verbringen acht bis zehn Stunden am Tag oder mehr am Computer. Sie täuschen Familienangehörigen eine geringere Dauer vor, nehmen Konflikte in Kauf und reagieren gereizt, wenn sie am Internetzugang gehindert werden. Das schränkt ihre schulische beziehungsweise berufliche Leistungsfähigkeit ein, beeinträchtigt ihr Sozialleben und führt zum Stillstand ihrer psychosozialen Reifung.

Was können Eltern tun?

Auf dem Portal Computersuchthilfe.info bietet das Deutsche Zentrum für Suchtfragen Informationen und Beratungsangebote für Betroffene. Erklärtes Ziel ist es, "wissenschaftlich fundierte" Erkenntnisse zusammenzutragen. Jugendliche, Angehörige sowie Lehrer und Ausbilder finden Hilfs- und Beratungsangebote, außerdem werden Warnsignale aufgezählt, anhand derer mögliches Suchtverhalten früh erkannt werden kann. Betroffene können sich per Mail (hallo@computersuchthilfe.info) oder telefonisch (040 7410 59307) beraten lassen.

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