Computerspiel:"Cyberpunk 2077" - das Spiel des Jahres mit den vielen Bugs

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Überzeugend an "Cyberpunk 2077" ist vor allem die dichte Atmosphäre. (Foto: CD Projekt/dpa-tmn)

Den Entwicklern von "Cyberpunk 2077" ist ein herausragendes Computerspiel gelungen, auch wenn Grafikfehler und Bugs das Spielerlebnis trüben.

Spieletest von Caspar von Au

Mehr Speicherplatz im Hirn, verstärkte Sprunggelenke oder gleich der Raketenwerfer für den Unterarm? Die Chirurgen im Computerspiel "Cyberpunk 2077" pflanzen dem Spieler alles ein, solange er mit genügend Eddies (kurz für Eurodollars) bezahlen kann. Dass er mit metallenen Fingerkuppen oder Drähten am Hals schiefe Blicke auf sich zieht, muss er aber nicht befürchten. Auch die Kinder auf den Straßen von Night City tragen bereits Chips unter der Haut und Hightech-Prothesen.

Night City ist der Schauplatz von "Cyberpunk 2077". Gewaltige Hochhäuser türmen sich in der Metropole aufeinander, Neonreklamen tauchen die Straßen in pinkes Licht, an jeder Ecke wummern Bässe. Von einer hochtechnisierten strahlenden Zukunft sind die Menschen in den Gassen aber weit entfernt, viele sind obdachlos. Die Schönen und Reichen schweben dagegen in fliegenden Autos über der Stadt. Korrupte Megakonzerne und kriminelle Banden beherrschen die Welt und haben die Kluft zwischen Arm und Reich weit auseinandergetrieben.

Das ist das Szenario, dass sich der Spieleerfinder Mike Pondsmith 1988 für die Zukunft ausgemalt hat. Seine Pen-and-Paper-Rollenspiele "Cyberpunk 2013" und "Cyberpunk 2020" haben das gleichnamige Science-Fiction-Subgenre maßgeblich geprägt. Nun gibt es seine Ideen auch als Computerspiel. Mehr als acht Jahre lang hat das polnische Unternehmen CD Projekt Red an "Cyberpunk 2077" geschraubt - im Austausch mit Pondsmith. Herausgekommen ist ein Open-World-Rollenspiel.

Der Spieler steuert den Protagonisten V oder die Protagonistin V - über das Geschlecht entscheidet er selbst, genauso wie über das Muster des Nagellacks, die Schamhaarfrisur und über die Hintergrundgeschichte. Wahlweise ist V auf der Straße, im Ödland außerhalb der Stadt oder als Kind einer reichen Unternehmerfamilie aufgewachsen. Der Hintergrund kann an einigen Stellen den Ausgang der Story beeinflussen.

V verdingt sich als Söldner oder Söldnerin bei verschiedenen Größen aus dem kriminellen Milieu. Für einen Auftrag soll ein Implantat besorgt werden, das quasi unsterblich macht. Eine Art Unsterblichkeitselixier also, nur - passend zu Cyberpunk - in Form eines Computerchips.

Keanu Reeves als digitaler Geist

"Cyberpunk 2077" hat zwei Gesichter. Auf der einen Seite ziehen die Erzählweise und die vielen erlebbaren Details in Night City einen sofort in die düstere Zukunftsvision hinein. Vor allem akustisch dringt das Spiel schnell vor. Denn still ist es in Night City eigentlich nie. Techno dröhnt, Menschen rufen durcheinander, Schüsse fallen. Läuft V an einem Straßenstand vorbei, kann man zwei Polizisten belauschen, die sich über ihren letzten Einsatz streiten. Elf Radiosender mit zum großen Teil eigens dafür komponierter Musik von Reggaeton bis Black Metal machen die langen Autofahrten, um die V auf dem Weg durch die Stadt nicht herumkommt, mehr als erträglich.

Auch die Charaktere sind gut gezeichnet, die Dialoge stimmig. Man entwickelt schnell Sympathien - selbst für eher unwichtige Nebenfiguren. Etwa für Vs Nachbar Barry, der ein paar Tage nicht mehr zur Arbeit gekommen ist, seit er einen Freund verloren hat. Der Spieler soll versuchen, ihn aufzumuntern. Besonders gut gelungen ist die Figur des Johnny Silverhand, verkörpert von Keanu Reeves. V bekommt es im Spielverlauf mit dem digitalen Geists des Rockstars und Cyber-Terroristen zu tun.

Nebenbei wirft "Cyberpunk 2077" auf unterhaltsame Art und Weise immer wieder philosophische Fragen dazu auf, wie Technologie in Zukunft unser Leben verändern könnte. Ist es zum Beispiel möglich, dass eine künstliche Intelligenz ein Bewusstsein entwickelt und in der Folge psychische Probleme bekommt?

Tanzende Palmen trüben das Gesamtbild

Das alles ist die eine Seite. Inhaltlich ist den Entwicklern von CD Projekt Red ein herausragendes Computerspiel gelungen. Doch auf der anderen Seite strotzt das Spiel nur so von Fehlern technischer Art, die das Erlebnis trüben.

Es stört weniger, dass die Menschen in Night City hin und wieder nicht dort stehen, wo sie eigentlich stehen sollten. Etwa auf der Ladentheke statt davor oder inmitten der Motorhaube des eigenen Autos. Auch dass die Pixel einiger Palmen am Straßenrand dafür sorgen, dass diese tanzen, könnte fast noch als gewollter Glitch durchgehen.

Aber gibt es immer wieder Bugs, unter denen der Spielspaß erheblich leidet. Zum Beispiel wenn V nach einem Autounfall im Spiel unter ihrem Motorrad eingeklemmt ist und sie gemeinsam weiter über den Highway rutschen und wackeln, ohne dass der Spieler eingreifen kann. Oder wenn in einer Videosequenz aus einem kleinen Mikrochip plötzlich eine Pistole wird, die sich V dann in den Steckplatz hinters Ohr schiebt. Und viele Playstation-4-Spieler berichten von regelmäßigen Komplettabstürzen.

Auf Twitter trendete deshalb vor ein paar Tagen der Hashtag #Cyberbug2077. CD Projekt Red hat sich bereits entschuldigt und zwei umfangreiche Updates für Anfang 2021 angekündigt. Es wirkt so, als habe das Unternehmen trotz bekannter technischer Probleme das Spiel - dessen Veröffentlichung ohnehin mehrfach verschoben worden war - unbedingt noch für das Weihnachtsgeschäft und zum Verkaufsstart von Playstation 5 und Xbox Series X in die Läden bringen wollen. Wer sich gedulden kann, sollte sich den Kauf des Spiels aufsparen, bis der Entwickler die gröbsten Fehler beseitigt hat.

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