Süddeutsche Zeitung

Kriminalität:Polizei knackt Telegram-Drogenmärkte

Seltener Ermittlungserfolg gegen Drogenhandel via Messenger: Die Behörden verkünden, neun Drogen-Kanäle auf Telegram "übernommen" zu haben.

Von Max Muth

Wer in der App Telegram Drogen kauft, vertraut darauf, dass die Macht des Staates nicht bis in die Chat-App hineinreicht. Nun aber haben die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) und das Bundeskriminalamt (BKA) am Donnerstag neun Drogenmarktplätze beim Messengerdienst "Telegram" übernommen und geschlossen. Potenzielle Kunden sahen am Mittwoch beim Betreten der Gruppen nur ein Banner der Behörden: "Diese Chatgruppe wurde übernommen und deren Inhalt sichergestellt." Bei Durchsuchungen im Rahmen der Aktion stellte die Polizei in mehreren Bundesländern einige Kilogramm an Drogen, acht Waffen und 8000 Euro Bargeld sicher.

Moderne Messenger-Apps, von denen fast jeder in Deutschland eine nutzt, stellen Staatsanwaltschaft und Polizei vor ein Problem. Denn früher war Verschlüsselungstechnik, etwa für E-Mails, sehr umständlich einzurichten. Nur wenige Technik-Fans nahmen den Aufwand in Kauf. Nun hat sich anonyme Kommunikation in die Hosentaschen von weltweit Milliarden Menschen verlagert. Auch Telegrams Verschlüsselung der Chats zwischen einzelnen Nutzern gilt als einigermaßen stark.

Die App ist schnell heruntergeladen, viele junge Menschen haben sie ohnehin installiert. Die Kultur der Kommunikation ist vertraut, in Drogenmärkten glänzen Sticker und Emoji wie in anderen Chatgruppen, das senkt die Einstiegshürden noch einmal. Über die Suchfunktion lassen sich öffentliche Gruppen finden, in denen Dealer für alle sichtbar auf Kundschaft warten. Die eigentlichen Verkaufsgespräche laufen dann in separaten, verschlüsselten Chats zwischen Käufer und Verkäufer ab. Es ist wie ein von Dealern bevölkerter Park, die Polizei kann zunächst alles beobachten. Im Augenblick des eigentlichen Geschäfts werden Dealer und Kunde dann unsichtbar, das ist für Ermittler frustrierend. Um ein Geschäft aufzudecken, muss die Polizei direkt auf die Handys der Beteiligten zugreifen, nur dort liegt diese Kommunikation unverschlüsselt vor. Um eine Gruppe komplett übernehmen zu können, wie in diesem Fall offenbar geschehen, muss die Polizei auf das Handy des Gruppen-Adminstrators zugreifen. Das ist ihr in diesem Fall offenbar gelungen. In einem weiteren Schritt wollen die Behörden nun auch Kunden der Kanäle strafrechtlich verfolgen.

Die Aktion am Mittwoch war nun Ermittlern zufolge der erste Fall, in dem derartige Chatgruppen von Behörden geschlossen wurden. "Für uns hatte die ganze Aktion Pilotcharakter", sagt Staatsanwalt Benjamin Krause vom ZIT. Die Behörden hätten festgestellt, dass sich Teile des Drogenhandels aus dem Darknet auf Telegram verlagert hatten. Man habe zeigen wollen, dass man auch gegen diese Form des Drogenhandels im Netz etwas unternehmen könne. Beobachtet hätten die Ermittler die Gruppen mit Namen wie "Silk Road", "Marktplatz//Schwarzmarkt" oder "GermanRefundCrew" seit Juni.

Wie genau die Ermittler die Gruppen übernehmen konnten, wollte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag nicht verraten - "um weitere Ermittlungen nicht zu gefährden". Dass Telegram selbst den Ermittlern geholfen hat, ist unwahrscheinlich. Das Netzwerk gibt IP-Adressen und Telefonnummern laut eigener Aussage eigentlich nur an Behörden heraus, wenn es um Ermittlungen wegen mutmaßlichem Terrorismus geht. Bleiben noch eine Überwachung der Verdächtigen per Quellen-TKÜ, also der sogenannte Staatstrojaner, und klassische verdeckte Ermittlungen, in denen sich Ermittler als Kunden ausgeben. Doch der Staatsanwalt hüllt sich in Schweigen, wie seine Leute die Dealer und die vermeintlich anonyme App ausgetrickst haben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5099730
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/jab
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.