Crowdfunding für Smartwatch:Pebble sammelt eine Million Dollar in 49 Minuten

Neue Pebble-Smartwatch bekommt Farbdisplay

Die neuen Smartwatches erhalten ein Farbdisplay - und eine Kickstarter-Vorfinanzierung in Höhe von mehr als sechs Millionen Dollar.

(Foto: dpa-tmn)
  • Die Farb-Smartwatch "Pebble Time" erlöst im Kickstarter-Vorverkauf innerhalb eines Tages mehr als 6,5 Millionen US-Dollar.
  • Hersteller Pebble bricht damit nicht nur Rekorde, sondern erhält Aufmerksamkeit auf dem umkämpften Smartwatch-Markt.
  • Die Hochgeschwindigkeits-Geldsammlung zeigt auch den Wandel im Crowdfunding.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Es könnten die besten Stunden in der bisherigen Geschichte des Crowdfundings gewesen sein. Oder die hysterischsten. Pebble hatte den Kickstarter-Vorverkauf seines neuen Smartwatch-Modells "Pebble Time" gerade einmal vor 49 Minuten freigegeben, da sprang der Zähler schon auf eine Million Dollar.

Es folgten innerhalb der nächsten beiden Stunden: Million zwei, drei und vier. Und als nach etwas mehr als sechs Stunden bereits 5,5 Millionen Dollar eingesammelt waren, kamen (der Autor hat mit der Hand gestoppt) immer noch alle 60 Sekunden etwas mehr als 10.000 Dollar zusammen.

Dass die Firma aus Palo Alto damit alle Kickstarter-Geschwindigkeitsrekorde bricht, versteht sich von selbst. Sollte sich der große Andrang (Stand: 37 000 Unterstützer gaben insgesamt 7,9 Millionen Dollar) in den verbleibenden 30 Tagen der Kampagne fortsetzen, wackelt der aktuelle Crowdfunding-Rekord, den derzeit das Videospiel Star Citizen mit 73 Millionen Dollar hält.

Ruf des Mitmach-Produktes

Hinter den Zahlen steckt ein Phänomen, das nicht unbedingt etwas mit dem aktuellen Produkt zu tun hat: Die "Pebble Time" scheint im Vergleich zu den beiden Vorgänger-Generationen (die US-Elektronikgeschäfte wie Best Buy gerne unter der Theke verstecken) leichte Design-Fortschritte zu machen und ist etwas dünner. Ein echtes Mode-Accessoire ist sie dennoch nicht, und die E-Ink-Ästhetik des Displays (bekannt zum Beispiel von Amazons Kindle) dürfte weiterhin keine Design-Preise einfahren, auch wenn sie künftig in Farbe zu bewundern ist.

Auch das Mikrofon für eine Sprachsteuerung und der Beschleunigungssensor sind keine Besonderheiten, ein Pulsmesser fehlt hingegen und die geplante Integration in andere tragbare Hardware ist nur für Experten interessant. Doch darum geht es genauso wenig wie um die diversen Rabatte, die Crowdfundern gegenüber dem Ladenpreis gegeben werden oder die frühere Auslieferung im Mai: Pebble lebt von seinem Ruf, ein persönliches Mitmach-Produkt zu sein.

David gegen den Goliath aller Goliaths: Apple

Bereits 2012 sammelte die Firma für die erste Smartwatch-Generation mehr als zehn Millionen US-Dollar durch eine Kickstarter-Kampagne ein. Weil damals zwar viele Firmen an einer internetfähigen Uhr arbeiteten, aber noch kaum ein Modell auf dem Markt war, konnte Gründer Eric Migicovsky die Pebble als visionäres Tüftler-Gadget mit Indie-Charme präsentieren - die guten Verkaufszahlen gaben ihm recht. Und wer möchte nicht dabei sein, wenn David versucht, den Goliaths der Konsumwelt Paroli zu bieten?

Die neue Kickstarter-Kampagne bedient genau dieses Image (und ermöglicht hohe Gewinnmargen, wie The Verge anmerkt). "Wir wollten die Pebble Time den Menschen vorstellen, die uns unterstützt haben, die in den vergangenen Jahren zu uns standen", sponn Pebbl-Chef Migicovsky die Underdog-Erzählung weiter.

Der Sammel-Erfolg bringt der Firma Aufmerksamkeit in einem Jahr, in dem mit Apple der Goliath aller Goliaths in das Smartwatch-Geschäft einsteigt und die Chancen gut stehen, dass auch künftige Android-Modelle von Samsung, Sony oder Motorola endlich nicht mehr aussehen werden, als habe sie ein Design-Student im ersten Semester konzipiert.

Crowdfunding als Vorbestellung?

Für Pebble, das stets mit Vertriebsproblemen zu kämpfen hat - in Deutschland kam die Uhr erst vor wenigen Wochen auf den Markt -, dürften die Marktbedingungen in den kommenden Jahren nicht einfacher werden. Andererseits ist die Firma mit 130 Mitarbeitern und 15 Millionen Dollar Investoren-Finanzierung aus dem Jahr 2013 ordentlich ausgestattet (das Start-up ist ein klassisches Beispiel für die heute gängige Praxis, sich über Crowdfunding-Prominenz im Sichtfeld von Risikokapital-Gebern zu positionieren).

Indirekt zeigt sich an den Unterschieden zwischen den Kampagnen von 2012 und heute auch die Entwicklung des Crowdfundings (Transparenzhinweis: auch die SZ nutzt gerade Crowdfunding für das Projekt "Langstrecke"): Die Finanzierungsform ist längst im Mainstream angekommen und ermöglicht vor allem in den USA Unternehmen öffentliche Markttests und den Zugang zu ansehnlichen Vorfinanzierungen.

Inzwischen, so merkt deshalb Wired-Autorin Issie Lapowski nachdenklich an, habe sich Kickstarter von einer Bühne für interessante Nischenprojekte zusehends zu einer Marketing-Plattform für etablierte Firmen gewandelt - zu denen auch Pebble gehört. Und Roran Cellan-Jones von der BBC fragt, ob denn künftig auch Samsung und Google ihre Produkte im Vorverkauf dort anbieten könnten.

Noch im September 2012 verfassten die Kickstarter-Verantwortlichen einen Blogeintrag mit dem Titel "Kickstarter ist kein Laden". Spätestens heute hat in Crowdfunding-Kreisen die Debatte begonnen, ob das "kein" nicht einfach gestrichen werden kann.

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