Counter-Strike: Global Offensive:Internet 1 - Cybermobbing 0

Adam "loop" Bahriz

Adam Bahriz beim Counter-Strike-Spielen. Dabei wurde er erst zum Cybermobbing-Opfer und anschließend zum Internet-Held.

(Foto: Screenshot Youtube.com)
  • Im Online-Shooter "Counter-Strike: Global Offensive" mobben Mitspieler den 17-jährigen Adam Bahriz aufgrund seiner Behinderung.
  • Nachdem User das Video des Vorfalls auf Reddit posten, erfährt Bahriz große Solidarität im Netz.
  • Am Ende kann er sich sogar dank großzügiger Spenden einen Traum erfüllen.

Von Caspar von Au

Mobbing ist eine ziemlich scheußliche Angelegenheit, und ein "Cyber" davor macht es auch nicht besser. Dennoch bezeichnete Adam Bahriz den Ostermontag auf Twitter als "den besten Tag meines Lebens".

Nur wenige Stunden zuvor hatten ihn andere Spieler im Online-Taktik-Shooter "Counter Strike: Global Offensive" (CS:GO) so geärgert, dass Bahriz vor laufender Kamera in Tränen ausbrach. Wie viele andere Gamer filmt sich Bahriz, ein 17-jähriger US-Amerikaner aus Kalifornien, während er spielt, und überträgt das Ganze live auf der Streaming-Plattform Twitch.tv. "Loop", Endlosschleife, nennt er sich online. Und er ist verdammt gut in CS:GO, in dem es vor allem auf schnelle Reaktionen ankommt.

Nur: Der Teenager ist beinahe blind und taub. Folgeerscheinungen einer extrem seltenen Erkrankung, an der Bahriz seit seiner Geburt leidet: Hereditäre sensorische und autonome Neuropathie (HSAN) führt dazu, dass er sehr viel weniger Schmerz empfindet als gesunde Menschen. Weil er nicht spürt, wenn er sich verletzt, kratzte sich Bahriz als Kind sein Gesicht kaputt. Seine Hornhaut und seine Ohren haben bleibende Schäden davongetragen. Beim Zocken beugt er sich deshalb nah zum Bildschirm vor. Außerdem fehlt ihm ein großes Stück seiner Nase, nur drei seiner Zähne sind noch übrig, Arme und Beine waren mehrfach gebrochen.

Auf Reddit wird Adam Bahriz als Held gefeiert

Dass er trotz dieser Einschränkungen auf hohem Niveau CS:GO zockt, finden alle bewundernswert - sollte man meinen. Am Montagmorgen jedenfalls spielt Bahriz in der ESEA, einem offenen E-Sport-Ligasystem für CS:GO, mit fremden, zufällig zusammengewürfelten Spielern in einem Team. Wie Mashable berichtet informiert er zu Beginn der Partie seine Mitspieler im Chat darüber, dass er aufgrund seiner fehlenden Zähne "nicht so deutlich" sprechen könne, und bittet um Verständnis. In CS:GO ist es üblich, dass man sich über ein Mikrofon mit seinen Mitspielern verständigt, um Taktiken zu besprechen.

Adam Bahriz schlägt seinen Mitspielern eine Taktik vor. Doch die antworten, er solle aufhören zu reden, er nerve. Der 17-Jährige spielt weiter, aber man sieht und hört ihn im Stream schluchzen. Obwohl er sich nicht mehr traut, ins Mikrofon zu sprechen, haben ihn die Mitspieler weiter auf dem Kieker. Er sei ein Troll, sagen sie. Dabei ist er an seiner Punktzahl gemessen zu dem Zeitpunkt der beste Spieler im Team. Schließlich stimmen sie mehrheitlich dafür, ihn aus dem Spiel zu werfen - weil er nicht mit ihnen kommuniziert hätte.

Bahriz' Zuschauer aber - zu dem Zeitpunkt gerade mal eine Handvoll - wollen, dass das Mobbing öffentlich wird und "Loops" Mitspieler bestraft werden. Sie posten Ausschnitte aus dem Twitch-Stream auf Reddit und im Forum der ESEA-Liga. Die Reddit-Gemeinde stellt sich sofort geschlossen hinter Bahriz. Sie ermutigen, feiern und loben den 17-Jährigen für seine CS:GO-Fähigkeiten und seine freundliche Art. "Loop ist mein Held", schreiben sie zum Beispiel. Sogar einige Profi-Gamer, die hauptberuflich CS:GO spielen, melden sich persönlich bei ihm und zocken für einige Zeit gemeinsam mit ihm.

Am Nachmittag kommen Bahriz ein zweites Mal Tränen

Statt einer Handvoll schauen ihm plötzlich mehrere Tausend Menschen live auf Twitch zu. Besser noch: Sie sammeln Spenden für Bahriz, der sich zu seinem 18. Geburtstag nichts sehnlicher wünscht als eine Operation, um sein Gesicht wiederherzustellen. Die für die OP benötigten 6000 US-Dollar kommen schnell zusammen. Zudem bietet ihm Twitch.tv eine Partnerschaft an, dank der er in Zukunft an Werbe- und Abonnementeinnahmen beteiligt wird.

Nachtragend ist Bahriz nicht: Seine vier Mitspieler, die ihn so übel behandelt haben, werden von der ESEA für drei Tage gesperrt. Das fände er okay, schreibt er auf Reddit. Schließlich haben sie ihre Fehler eingesehen und sich entschuldigt. Nicht zuletzt hofft Bahriz nun, dass seine Geschichte bei allen mehr Verständnis für Spieler mit Behinderungen schafft. Dem Games-Blog Kotaku sagte er: "Denkt ihr, ich bin der Einzige, der trotz einer Behinderung dieses Spiel mehr oder weniger gut spielt? Schaut euch Handi an, der Typ hat keine Arme, und er zerstört andere."

Am Montagnachmittag, als ihm rund 5000 Menschen beim Spielen auf Twitch zuschauen, ist Bahriz ein zweites Mal zum Heulen zumute - diesmal vor Freude.

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