Computerspielmarkt im Wandel:Aufholjagd im Schatten der Revolution

Weil sich der Markt für Computerspiele wandelt, ist Deutschland auf dem Weg zur Videospiel-Weltmacht. Unternehmen, die Browsergames entwickeln, sind hierzulande besonders stark vertreten. Doch noch immer sind die Bedingungen anderswo günstiger.

Helmut Martin-Jung

Die Sprüche sind genauso hohl, wie sie immer waren: "Besiege deine Gegner mit Mut und scharfen Waffen, schreibe deine Geschichte mit Schweiß und Blut." Doch wer sich am Bildschirm als Gladiator in einem virtuellen Kolosseum üben will, braucht dafür heute weder einen hochgezüchteten Spiele-Rechner noch eine Konsole für den Fernseher und auch nicht DVDs, die pro Stück 40 Euro oder mehr kosten. Online-Spiele laufen in riesigen Rechenzentren, die Geräte der Spieler brauchen bloß noch Bild und Ton auszugeben, die übers Internet geliefert werden.

Computerspielmesse Gamescom

Feuer frei: Deutschland Videospielindustrie will zur Weltmacht auf dem Milliardenmarkt der Zukunft werden.

(Foto: dpa)

Auf diesem boomenden Markt ist Deutschland auf dem Weg zur Weltmacht: Viele Entwickler dieser sogenannten Browsergames haben ihren Sitz in Deutschland. Unternehmen wie Bigpoint, Gameforge oder Wooga sind international bekannt, ihre Spiele werden in mehr als 50 Ländern der Welt gespielt.

Aber auch für die Großen der Branche, die noch immer das meiste Geld umsetzen, ist Deutschland ein wichtiger Standort. Spielehersteller wie Sony, Ubisoft und Electronic Arts (EA) haben hier seit vielen Jahren Niederlassungen, und sie arbeiten auch mit deutschen Entwicklungsfirmen zusammen. Dieser Industriezweig beschäftigt nach Zahlen des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) allein in Deutschland etwa 10 000 Menschen, fest angestellt oder freiberuflich.

Zentren sind Nordrhein-Westfalen, das Rhein-Main-Gebiet, Hamburg, Berlin und Bayern. Bereits im Jahr 2010 überholten Computer- und Videospiele mit einem Umsatz von 1,86 Milliarden Euro sowohl die Musik- als auch die Filmbranche. 2011 waren es bereits 1,99 Milliarden Euro. In Europa ist Deutschland der wichtigste Standort nach Großbritannien.

International liegen jedoch die USA, Japan und Kanada vorne. Vor allem Kanada hat sich in den vergangenen Jahren schnell entwickelt und dabei Großbritannien überholt. Dazu beigetragen haben liberale Einwanderungsregelungen, praxisnahe Ausbildung, Wirtschaftsförderung und nicht zuletzt auch die hohe Lebensqualität. In Deutschland entstanden dagegen erst vor rund zehn Jahren erste private Hochschulen, an denen das Entwickeln von Spielen gelehrt wurde. Inzwischen findet man selbst bei staatlichen Universitäten Studiengänge für diese Fachrichtung.

Dabei geht es keineswegs nur um Programmierung. Gefragt sind auch Spiele-Designer, Herstellungsleiter und Fachleute, die sich aufs Modellieren von Figuren am Bildschirm verstehen. Am besten bezahlt werden jedoch die Programmierer. Weil gute Programmierer auch in anderen Branchen arbeiten könnten, sind sie besonders begehrt, müssen dafür aber auch Einiges können - vom geschickten Umgang mit Datenbanken, Grafikberechnung bis hin zu künstlicher Intelligenz reicht das Spektrum. Bei größeren Firmen gibt es dabei Experten für jeden Einzelbereich.

Nachwuchstalente sind gefragt

Als letzte der Kreativ-Branchen gerät die Spieleindustrie nach der Musik- und der Filmindustrie nun in den Sog der Veränderungen, die vom Internet ausgehen. Nicht nur werden viele Spiele nicht mehr in einer bunten Schachtel im Laden gekauft, sondern als Datei über das Netz heruntergeladen. Viele, die früher gar keine andere Möglichkeit hatten, als sich einen Datenträger mit einem Spiel zu kaufen (dazu einen PC oder eine Konsole), können nun gleich ganz online spielen. Dazu taugt inzwischen nahezu jeder PC oder Laptop, für viele der Angebote tut es sogar ein Smartphone oder ein Tablet-PC wie Apples iPad.

Das zeigt sich längst an den Absatzzahlen: In Deutschland fiel der Umsatz mit Spielen für Konsolen wie Sonys Playstation oder Microsofts Xbox im ersten Halbjahr 2012 um sieben Prozent auf 300 Millionen Euro, wie der BIU mitteilte. Bei den Spielen für mobile Geräte stieg er dagegen um 40 Prozent auf 20,4 Millionen Euro an. Verdient wird bei mobilen Spielen entweder durch Werbung, durch Zugangsgebühren oder indem virtuelle Zusatzinhalte verkauft werden - etwa ein besseres Schwert für den Gladiator.

Gespielt jedenfalls wird nach wie vor mit Begeisterung: Bei den 14- bis 29-Jährigen beschäftigt sich einer Emnid-Studie zur Gamescom zufolge mehr als jeder Dritte regelmäßig mit Computerspielen. Besonders beliebt sind in Deutschland Strategiespiele wie die Anno-Reihe.

Anno 1602, das maßgeblich von der deutschen Firma Sunflowers entwickelt wurde, verkaufte sich bis zum Jahr 2002 bereits zwei Millionen Mal und war damals das meistverkaufte Spiel, das je in Deutschland entstanden war. Auch die Nachfolger waren sehr erfolgreich. Es geht dabei darum, unbewohnte Inseln oder gar Welten zu besiedeln und so zu wirtschaften, dass die Bevölkerung wächst und gedeiht.

Noch immer spielen überwiegend Männer Ballerspiele

Actionspieler und sogenannte Shooter rangieren erst auf Platz drei, knapp hinter Abenteuerspielen und knapp vor Sportsimulationen. Auch Frauen spielen sogenannte Ballerspiele, sind dabei aber gegenüber männlichen Spielern klar in der Minderheit. 44 Prozent der Männer lieben Umfragen zufolge solche Spiele, aber nur 16 Prozent der Frauen.

Viele Hersteller, darunter auch Größen wie Microsoft, Nintendo, THQ oder Sega, sind zwar dieses Jahr der Gamescom ferngeblieben. Dennoch gilt die Messe als einer der wichtigsten Gradmesser dafür, wohin der Trend bei den Spielern geht. All die Helden, Bösewichter und Monster, die waffenstarrenden Kämpfer wie die wohlgeformte Amazone Lara Croft, kämpfen nicht bloß gegen ihre Gegner im Spiel, sondern auch um die Aufmerksamkeit der Käufer - für die große Weihnachtsschlacht.

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