Computerspiele:Zocken ums große Geschäft

Gamescom

Auf der Gamescom - hier ein Bild aus dem vergangenen Jahr - wird immer gezockt. Im echten Leben muss die Branche aber neue Geschäftsmodelle entwickeln, um weiterhin Geld zu verdienen.

(Foto: dpa)

Ein aufwendiges Computerspiel zu entwickeln, kostet Millionenbeträge. Viele Gamer sind aber nicht mehr bereit, 50 oder 60 Euro dafür zahlen. Die Branche sucht deshalb nach neuen Geldquellen.

Von Matthias Huber, Köln

Im Grunde genommen, so sollte man meinen, gibt es für die Branche überhaupt keinen Grund zur Sorge. 29 Millionen Menschen spielen in Deutschland dem Branchenverband Bitkom zufolge regelmäßig mit dem Computer, einer Spielkonsole oder, immer mehr, mit ihrem Smartphone. Jährlich geben sie mehr als 2,5 Milliarden Euro dafür aus. Für viele ist das Spielen Zeitvertreib, für manche ein leidenschaftliches Hobby, für eine wachsende Zahl sogar Beruf. Fast 400 000 Besucher werden in diesen Tagen zur Gamescom in Köln erwartet, der weltweit größten Messe der Branche. Dennoch ringt die Spieleindustrie mehr denn je damit, wie sie die teure Spieleentwicklung finanzieren soll.

Electronic-Arts-Manager Peter Moore glaubt zwar, dass der Boom der Smartphone-Spiele den Markt erweitert hat. Die Zahlen bestätigen das. "Dutzende oder sogar Hunderte Millionen Menschen mehr sind jetzt Gamer", sagt er. Aber es wird schwieriger, sie davon zu überzeugen, ein Spiel für 50 oder 60 Euro zu kaufen. Die Jüngeren scheuen eine derartige Investition, die Älteren haben zwar mehr Geld, aber weniger Zeit für aufwendige und umfangreiche Spiele wie "Call of Duty" oder "Grand Theft Auto". Deren Entwicklung kostet mittlerweile einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Und dann die laufenden Kosten: Ein Mehrspieler-Modus ist quasi Industrie-Standard. Dafür müssen Server bereitgestellt und unterhalten werden, für regelmäßige Software-Updates fallen außerdem weiterhin Entwicklungskosten an - womöglich viele Jahre lang. Geld fließt dafür aber nach dem einmaligen Kauf des Spiels nicht mehr.

Einen Weg aus diesem Dilemma sucht seit einigen Jahren der Spieleentwickler Blizzard. Für seinen Kundendienst genießt das Unternehmen bei den Fans einen makellosen Ruf. Für "Diablo 2", erschienen im Jahr 2000, stellte Blizzard noch im März 2010 ein kostenloses Software-Update mit neuen Spielinhalten bereit, die ebenfalls kostenlosen Mehrspieler-Server laufen bis heute. Geld verdient Blizzard damit seit mehr als einem Jahrzehnt kaum noch.

2004 kam deshalb mit dem Online-Rollenspiel "World of Warcraft" (Wow) ein Strategiewechsel hin zum Abo-Modell. Für knapp 15 Euro pro Monat steht die gesamte virtuelle Welt offen. Zu Spitzenzeiten bezahlten weltweit zwölf Millionen Spieler diesen Betrag, auch heute sind es noch mehr als sieben Millionen, die fünfte Erweiterung "Warlords of Draenor", die Blizzard in Köln auf der Gamescom vorstellt, dürfte diese Zahl kurzfristig etwas anheben.

Wieso für ein Schwert kämpfen, wenn man es auch ganz einfach kaufen kann?

Allerdings sind seit dem marktbeherrschenden Erfolg von Wow viele Konkurrenten mit Abo-Modellen gescheitert, darunter auch der weltweit größte Hersteller Electronic Arts trotz wertvoller "Star Wars"-Lizenz mit "The Old Republic". Blizzard versuchte es mit virtuellen Spielgegenständen, um mit "Diablo 3" Einnahmen über den einmaligen Kaufpreis hinaus zu generieren. Bisher hatten die Spieler beim Vorgänger diesen Handel über fremde Plattformen wie Ebay abgewickelt. Bei der ins Spiel integrierten Auktionsmöglichkeit konnte man von anderen Spielern neue Ausrüstungsgegenstände für den eigenen Krieger oder Magier erstehen. Blizzard behielt für jede Auktion einen Prozentbetrag ein. Wenn sich ein Spieler seinen so erwirtschafteten Gewinn ausbezahlen lassen wollte, wurde erneut eine Gebühr fällig.

Das Problem: Warum sollte man sich viele Stunden durch die virtuelle Hölle klicken, um endlich das ersehnte legendäre Schwert zu bekommen, wenn man es auch einfach im Auktionshaus kaufen kann? Stattdessen fanden Spieler mit ihrem Krieger weit häufiger beispielsweise einen für sie nutzlosen Zauberstab - und damit nur einen weiteren Anreiz, das Auktionshaus dem eigentlichen Spiel vorzuziehen. Das Ergebnis: Sie wandten sich der Konkurrenz zu oder blieben bei "Diablo 2".

Trotz des gescheiterten Blizzard-Experiments ist gerade im Mehrspieler-Bereich mittlerweile das sogenannte "Free-to-play" die dominierende Verkaufsform. Spieler erhalten kostenlos ein fertiges, vollständiges Spiel. "Das sorgt dafür, dass es sehr viele Leute ausprobieren", sagt Ralf Reichert, Chef des E-Sport-Turnierveranstalters ESL. "Dieser Netzwerkeffekt würde verloren gehen, wenn das Spiel erst einmal 40 oder 50 Euro kosten würde."

Das Geld kommt über zusätzliche Spielinhalte, die von wenigen Cent bis ein paar Euro kosten können. Nur: Stellt sich bei den Spielern der Eindruck ein, dass man Erfolg einfach kaufen kann, fehlt die Motivation zum Weiterspielen. Sind die angebotenen digitalen Gegenstände andererseits nicht attraktiv genug, hat man zwar viele Spieler, aber keinen Umsatz.

Deshalb vermarkten die Entwickler viele Spielinhalte als Statussymbole ohne echten Nutzen, als digitale Luxusobjekte. Oder gleich als Dankeschön für eine freiwillige Spende an die Entwickler, mit deren Produkt man so viel Spaß hat. Das Smartphone-Spiel "Candy Crush" macht so laut Angaben des Entwicklerstudios King täglich eine halbe Million Dollar Umsatz. Und die Multiplayer-Hits "Dota 2", "Team Fortress 2" (beide Valve) oder "League of Legends" (Riot Games) beweisen, dass man mit Free-to-play auch aufwendige Spiele lukrativ produzieren kann. "Mit dieser Strategie sind viele Hersteller sehr erfolgreich", sagt Reichert. "Das bringt auch andere Industrien zum Umdenken."

Das Spiel selbst ist kostenlos, der Entwickler verdient an zusätzlichen Inhalten

Eine kostenlose Grundversorgung also, um Reichweite, Markenbindung und weitere Kaufanreize zu erzeugen. Diesem Bezahlmodell folgen zum Beispiel auch Online-Ausgaben von Zeitungen: Eine gewisse Anzahl Artikel ist jeden Monat kostenlos. Erst wenn diese Schwelle erreicht wird, schaltet sich eine Bezahlschranke ein. Mehr als 800.000 Menschen zahlen beispielsweise bei der New York Times jeden Monat für ein wenig mehr Komfort beim digitalen Zeitunglesen.

Manche Modelle funktionieren also bemerkenswert gut, aber die Kunden lassen sich nicht alles gefallen. Und die Spieleentwickler müssen darauf reagieren. Seitdem im März dieses Jahres die Erweiterung "Reaper of Souls" erschienen ist, finden Krieger in "Diablo 3" keine Zauberstäbe mehr, sondern nur noch Gegenstände, die für sie auch wirklich nützlich sind. Das Auktionshaus wurde auch wieder ersatzlos aus dem Spiel entfernt. Entwicklerstudio Blizzard verdient jetzt wie früher nur noch am einmaligen Verkauf des Spiels und eventuellen Erweiterungen. Immerhin: Fast drei Millionen Spieler kauften sich "Reaper of Souls" bereits innerhalb der ersten vier Wochen nach Erscheinen des Spiels.

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