Computerspiele-Industrie:Spieleriese gibt klein bei

Nach einem miesen Testbericht drohte Publisher Atari der Computerspieleseite 4players.de mit einer Unterlassungsklage - grundlos. Ein Beispiel dafür, wie die Spieleindustrie versucht, Einfluss auf die Fachpresse zu nehmen. Und wie sich die Redaktionen dagegen wehren.

Sarina Märschel

In seinem Profil auf der Seite von 4players.de schreibt Jörg Luibl, es ärgere ihn, dass es in der Welt der Computerspiele "immer weniger klare Trennungen zwischen Journalismus, PR und Marketing gibt." Vergangene Woche ist dem Chefredakteur der Spieleseite nun der Kragen geplatzt - nachdem er Post vom Rechtsanwalt bekommen hatte. Er stellte Auszüge aus der Unterlassungsaufforderung des Spiele-Publishers Atari ins Internet. Und machte damit öffentlich, wie die Spieleindustrie versucht, Einfluss auf Redaktionen zu nehmen.

Computerspiele-Industrie: Hat die Anschuldigungen zurückgezogen: Der Spiele-Publisher Atari.

Hat die Anschuldigungen zurückgezogen: Der Spiele-Publisher Atari.

(Foto: Foto: Getty Images)

Grund für den Streit zwischen Atari und 4players.de ist ein Testbericht über das Spiel "Alone in the Dark", derzeit das Flaggschiff von Atari. Feststeht, dass das Testergebnis von 4players.de für "Alone in the Dark" mau ausfiel - das Spiel erhielt nur die Note "befriedigend". Feststeht auch, dass Atari 4players.de dazu zwingen wollte, den Spieletest von der Seite zu nehmen. Die Motive beschreiben die beiden Parteien allerdings unterschiedlich.

Schlechte Publicity

Aus Sicht von Chefredakteur Luibl ist der Fall klar: Dem Computerspiele-Hersteller ging es darum, schlechte Publicity verschwinden zu lassen.

Atari begründet die Unterlassungsaufforderung jedoch anders. Im Netz veröffentlichte Luibl Auszüge aus dem Unterlassungsschreiben. Darin wirft der Anwalt von Atari dem Internetportal vor, der Spieletest sei "kein solcher". 4players.de verstoße mit dem Test "gegen geltendes Recht" und missachte "die Standards, die für Warentests gelten. Warentests müssen nämlich objektive und sachkundige Untersuchungen zugrunde liegen." Der Test sei vor dem offiziellen Erscheinungsdatum des Spiels online gestellt worden.

Das ließ Atari darauf schließen, dass der Test entweder nur auf einer Vorabversion beruhe, die nur zu Zwecken der Vorberichterstattung zur Verfügung gestellt wird oder aber, dass der Bericht gar auf einer illegal downgeloadeten Version des Spiels basiere.

Image-Gau fürs Unternehmen

Die Redaktion hatte das Spiel jedoch völlig legal über einen Händler bezogen. Die Quittung, versicherte Chefredakteur Luibl sueddeutsche.de, könne er vorlegen. Das muss er nun aber gar nicht mehr: Am Dienstagabend erhielt Luibl einen freundlichen Anruf von der Geschäftsführung des Spielekonzerns Atari - das Unternehmen nahm alle Vorwürfe zurück. Atari hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass 4players.de mit dem Anwaltsschreiben an die Öffentlichkeit gehen könnte und ist nun sehr bemüht, die Wogen zu glätten. Denn in den vergangenen Tagen wurde der Fall bereits auf mehreren Nachrichtenseiten und in Foren diskutiert. Atari als Feind der Pressefreiheit - für das Unternehmen ein Image-Gau.

Im nächsten Abschnitt: Die Stellungnahme von Atari

Spieleriese gibt klein bei

Ein Sprecher von Atari sagte, eine Unterlassungsaufforderung sei "ein ganz normaler Vorgang, der in anderen Branchen tagtäglich gang und gäbe ist." Der frühe Erscheinungstermin der Spielekritik sei für das Unternehmen eben nicht nachvollziehbar gewesen. Es sei dem Unternehmen aber in keinster Weise um die Einschränkung der Pressefreiheit gegangen. Schließlich habe Atari andere Magazine mit ähnlicher Wertung nicht angeschrieben oder kritisiert.

Die Vorwürfe gegen 4players.de hätten dem Atari-Sprecher zufolge einfach entkräftet werden können, indem die Redaktion dem Konzern die Spiele-Quittung unverzüglich vorgelegt hätte. Stattdessen habe Luibl den Streit in recht populistischer Weise veröffentlicht.

Kein Einzelfall

Dass Spiele-Publisher an einer positiven Produktberichterstattung sehr interessiert sind und dies Redaktionen auch auf unangenehme Weise deutlich machen, ist laut Luibl jedoch kein Einzelfall.

Zwar gebe es viele Publisher, mit denen man nie Probleme habe - selbst bei Kritiken, die schlecht ausfallen. "Aber über die Jahre gesehen ist es immer wieder vorgekommen, dass ein Hersteller mehr oder weniger geschickt versucht, unsere Artikel zu beeinflussen."

Luibl verweist auf den österreichischen Publisher JoWooD, der das Magazin PC PowerPlay aufgrund seiner "geschäftsschädigenden" Wertung zur Gothic 3 per einstweiliger Verfügung vom Kiosk verbannen wollte. "Atari ist nicht der einzige Hersteller, der versucht, schlechte Kritiken möglichst ohne Medienwirkung verpuffen zu lassen."

Die perfidere Version, Druck auszuüben

Das bestätigt auch Christian Schmidt, leitender Redakteur beim Spielemagazin gamestar: "Es kommt ständig vor, dass Hersteller versuchen, Einfluss zu nehmen." Dass die Unternehmen mit dem Anwalt drohen, sei zwar selten, "aber das haben wir auch schon erlebt".

Üblicher seien wirtschaftliche Sanktionen: Wenn die Magazine nicht positiv berichten, schalten die Hersteller keine Anzeigen mehr im Blatt. Damit können sie auf die Fachpresse, die wirtschaftlich von ihren Anzeigenkunden abhängig ist, großen Druck ausüben. Die laut Schmidt etwas "perfidere" Version, Druck auf die Redaktion auszuüben sei, den Journalisten keine Testversionen mehr zur Verfügung zu stellen.

Nach Angaben von Luibl hatte Atari 4players.de vorher schon mit beiden Maßnahmen bestraft: Atari stornierte nach der Vorberichterstattung eine bereits gebuchte Werbekampagne und stellte der Redaktion trotz Anfrage keine Testversion des Spiels zur Verfügung.

Luibl hofft nun auf eine nachhaltige Wirkung des Dämpfers für Atari - und darauf, dass die ganze Herstellerszene aufhorcht: "Das könnte für Spielemagazine ein kleiner Präzedenzfall sein."

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