Computerspiel Fifa 15:"Das ist eben Fußball"

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Der Sieger des Fifa Interactive World Cup 2015 heißt Abdulaziz Alshehri (rechts) und kommt aus Saudi-Arabien. (Foto: dpa)

In München ist der neue Fußballweltmeister gekürt worden - im Computerspiel "Fifa 15". Der Gewinner des Turniers bekommt 20 000 Dollar - und wird nun Messi und Co. treffen.

Von Hakan Tanriverdi

Daniel Butenko dreht sich zu seiner Mutter um, völlig entgeistert: "Was ist denn los heute?", will er wissen. In der Hand hält er einen Playstation-Controller, vor ihm ein Fernseher, neben ihm ein Mitspieler. Butenko spielt "Fifa 15", er gehört zu den besten Spielern weltweit - der 15-jährige zockt, um ins Finale einzuziehen. Doch dafür müssten seine Spieler auch mal das Tor treffen.

Am Montag und Dienstag hat in München das Finale der virtuellen Fußballweltmeisterschaft stattgefunden, Fifa Interactive World Cup genannt. 20 Spieler sind gekommen, um erst im Lenbach-Palais die Gruppenphase und das Viertelfinale zu spielen und anschließend im Volkstheater Halbfinale und Finale. Die Spieler kommen aus aller Welt, der älteste von ihnen ist 31 Jahre.

Die Spieler tragen Trikots, auf deren Rückseite ihr Name steht und das Land, für das sie antreten; vier der 20 Spieler kommen aus Frankreich. Ein Spiel dauert zweimal sechs Minuten. Die Gamer schauen konzentriert auf die Fernseher, einen Controller in den Händen: Mit der linken Hand können sie je einen Spieler bewegen, dessen Auswahl erfolgt mit der rechten; mit ihr wird auch geschossen und gedribbelt. Moderatoren kommentieren das Spiel live über Lautsprecher, zum Beispiel Alan McInally, der in den Neunzigerjahren für Bayern München gespielt hatte. Alle paar Minuten brüllt ein Mensch: So hören sich Sieger an.

"Der spielt besser als ich, oder?"

Wenn die Zuschauer August Rosenmeier beim Zocken über die Schulter schauen, enden ihre Sätze mit: "Na, der spielt aber schon besser als ich, oder?" Der Däne, athletischer Körperbau, auch im analogen Leben in einem Fußballverein, in der dritten Liga in Dänemark, spielt eine tadellose Kombination mit 30 Spielstationen. Er knallt den Ball knapp unter die Latte - am Ende steht es 4:0. Rosenmeier ist amtierender Weltmeister und klarer Favorit. Auch wenn es bis dato keinem gelungen ist, zweimal in Folge dieses Turnier, das es seit elf Jahren gibt, zu gewinnen.

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Da, wo Rosenmeier ist, will der 15-jährige Butenko hin. "Dieses Jahr habe ich professionell mit Fifa angefangen", sagt er. Doch Butenko ist zu nervös, überfordert vom Trubel. Zwischen den Spielen kommen die Fernsehkameras. "Hier ist der Newcomer", sagen die Reporter. Als klar war, dass Butenko in München der einzige deutsche Spieler sein würde, bekam er zig Anfragen von Online-Sportorganisationen, ihrem Team beizutreten. Er spielt ein paar Stunden täglich, will es aber nicht übertreiben: "Real Life geht vor", sagt er.

In der Gruppenphase verliert Butenko das erste Spiel, das zweite endet unentschieden. Bei den Spielen selbst passt seine Mutter auf, dass die Gegner sich an die Regeln halten. Doch im entscheidenden Moment im dritten Spiel, kurz vor Schluss, steht er mit einem Stürmer allein vor dem Tor - und vergibt die Chance. Er knallt mit der flachen Hand auf den Fernseh-Aufsteller. Sein Gegner zuckt irritiert. Das war's, Endstation Gruppenphase. Rosenmeier gewinnt währenddessen alle vier Spiele.

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Computerspielturniere haben sich in den vergangenen Jahren zu Megaevents entwickelt. Manche Live-Übertragungen füllen Fußballarenen, online sehen Millionen Menschen zu, meist Jugendliche. Das Preisgeld für Turniergewinner liegt mitunter bei mehreren Millionen, die Top-Spieler verdienen Hunderttausende Euro jährlich. Man könnte annehmen, dass "Fifa 15" auch in dieser Kategorie spielt, schließlich ist Fußball in der analogen Version ein Publikums-Garant, doch das Preisgeld von 20 000 Dollar macht schnell die Relationen klar. Spricht man mit den Gamern hier vor Ort, sagen sie, dass sie zwar ein paar Stunden täglich spielen, aber das alles nicht mehr sein soll als ein Hobby.

Doch neben dem Geld gibt es noch einen weiteren Preis: der Gewinner des Turniers bekommt ein Ticket zur Ballon d'Or-Veranstaltung des Fußball-Weltverbands. Dort zeichnet die Fifa jährlich die besten Fußballspieler und -trainer aus. Rosenmeier traf Anfang des Jahres auf der Veranstaltung den Fußballspieler Messi in Zürich: "Ein sehr netter Mensch. Ich habe ihn gefragt, ob er mit mir Fifa spielen will, aber er hatte klarerweise keine Zeit", sagt Rosenmeier. Er selbst spiele vier Stunden pro Woche "Fifa 15". An fünf Tagen trainiert der Student in seiner Fußballmannschaft. Er redet wie die Fußballprofis, in Phrasen: Die Konkurrenz ist stark, man gibt sein Bestes, das nächste Spiel wird hart.

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In der "Dota-2"-Szene ist er bekannter als mancher Spieler: Viele Fans kommen zu Turnieren, um den Live-Kommentar von Toby "TobiWan" Dawson zu hören. Kein Wunder - der Australier macht das, wofür es anderswo mindestens drei Leute bräuchte.

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Der Finalabend wird live übertragen, das Volkstheater selbst ist ordentlich gefüllt. Im Finale stehen die Spieler aus Dänemark, Saudi-Arabien, Frankreich und Kanada. Vor dem Turnier müssen sie alle je zwei Nationalmannschaften wählen, mit denen sie spielen wollen - eine als erste Mannschaft, eine als Ersatzteam. Fast alle wählen Brasilien, Argentinien oder Portugal. Genauer: Sie wählen Neymar, Messi und Ronaldo, die stärksten Spieler des Computerspiels.

Die Controller werden beim Elfmeterschießen versteckt

Rosenmeyer, der Däne, tritt im Halbfinale gegen einen französischen Spieler an, Julien Dassonville. Das Publikum aaaht und oooht, wenn Bälle gegen Latte und Pfosten knallen. Stadion-Atmosphäre in der XXS-Version, schließlich sitzen alle in Theatersesseln, Fangesänge fehlen und der Schiri ist ein Computer, wird also auch nicht beleidigt. Dennoch: Die Moderatoren kommentieren ununterbrochen, und durch ihre geschickte Art, das Spiel zu begleiten, entsteht tatsächlich Spannung. Die Masse fiebert mit Rosenmeier mit, der klar besser spielt als sein Gegner. Der mauert einfach und hofft, kein Tor zu kassieren. Erfolgreich, und so geht das Spiel erst in die Verlängerung, dann ins Elfmeterschießen. beide Spieler halten ihre Controller knapp über dem Boden, der Gegner soll nicht sehen, in welche Ecke der Spieler schießt und der Torwart springt. Rosenmeier verliert.

Sein Gegner sagt nach dem Spiel, dass er klar unterlegen gewesen sei: "Das war nicht mein bestes Spiel. Aber das ist eben Fußball und das interessiert hier keinen." Er ist im Finale, Rosenmeier nicht, so einfach sei das.

Ein wenig arrogant klingt das schon. Und ein wenig freuen sich die Zuschauer dann auch, als sich dieser ein wenig arrogante Spieler im Finale erneut durch eine Taktik des Mauerns retten will, doch von seinem Gegenspieler aus Saudi-Arabien, Abdulaziz Alshehri, mit 3:0 weggeputzt wird. Alshehri nimmt den Weltmeister-Pokal entgegen, David Alaba vom FC Bayern München übergibt ihn. Alshehri freut sich aufrichtig, reißt die Trophäe in die Luft und sagt: "2012 war ich im Viertelfinale, 2013 im Halbfinale. Dieses Jahr habe ich gewonnen. Man muss an seine Träume glauben."

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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