Computerspiel "Evolve":Streit um teure Monster

Computerspiel "Evolve": Vier gegen einen: Die Spielidee von "Evolve" ist das beste, was dem Egoshooter-Genre passieren kann. Wäre da nicht das verwirrende Preismodell.

Vier gegen einen: Die Spielidee von "Evolve" ist das beste, was dem Egoshooter-Genre passieren kann. Wäre da nicht das verwirrende Preismodell.

  • Der Mehrspieler-Shooter "Evolve" wird vorab hoch gelobt. Spieler sorgen sich aber, dass das fertige Spiel überteuert sein könnte.
  • Verantwortlich für den Protest ist das komplizierte Bezahlmodell, nicht ein wirklich unüblich hoher Preis.
  • Der Protest könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Computerspiele-Branche Verkaufsstrategien überdenken muss.
  • "Evolve" ist ein Mehrspieler-Shooter mit einer ungewöhnlichen Spielidee. Vier Spieler verbünden sich gegen den fünften Spieler. Dieser hat die Kontrolle über ein mächtiges Monster.

Von Matthias Huber

Die Spielidee ist wahrscheinlich die beste, die das fade Egoshooter-Genre inmitten von "Call of Duty"-Klonen in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Im Online-Shooter "Evolve", der am Dienstag in den Handel kommt, stürzen sich die Spieler in asymmetrische Gefechte: Vier von ihnen gehen als Jäger auf die Hatz nach dem Fünften, der in die Rolle eines außerirdischen Monsters schlüpft.

Vier gegen einen, Unfairness als Spielprinzip. Das letzte Mal, als sich ein großbudgetiertes Spiel getraut hat, mit den wichtigsten Regeln des Genres zu brechen, war das Multiplayer-Rollenspiel "The Secret World" 2012. Das Ergebnis geriet trotz positiver Kritiken zum finanziellen Debakel für den Spieleverlag Funcom - vor allem, wegen eines veralteten Preismodells. Glaubt man dem Ärger in verschiedenen Internetforen, könnte "Evolve" ein ähnliches Schicksal drohen.

Dort beschweren sich Spieler, dass sie sich hinters Licht geführt fühlen, unter Druck gesetzt von einer Verkaufsstrategie, die letztlich nur dazu dienen soll, den Kunden noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen. Der Vorwurf ist nachvollziehbar, immerhin ist das Preismodell denkbar kompliziert: "Evolve" soll zwischen 50 Euro (PC) und 70 Euro (Playstation 4 und Xbox One) kosten, enthalten sind drei verschiedene Monster und zwölf verschiedene Jäger, die man spielen kann. Ein viertes Monster soll einige Wochen später verfügbar sein, für weitere 15 Euro, vier zusätzliche Jäger gibt es für 25 Euro mehr. Wer vorbestellt und sofort bezahlt, bekommt das vierte Monster gratis, wer sich für eine 80 Euro teure Sonderedition entscheidet, auch die zusätzlichen Jäger und ein fünftes, noch unbekanntes, Monster. Kauft man sich all das erst beim jeweiligen Erscheinen zusammen, bezahlt man insgesamt mehr als 100 Euro.

Größtenteils positive Eindrücke - außer beim Preis

Der Dschungel, durch den sich potentielle "Evolve"-Käufer wühlen müssen, ist fast so dicht wie das Gestrüpp, in dem sich die Monster so gern vor den Jägern verstecken. Dahinter steckt psychologische Methode: Spieler sollen sich Sorgen machen müssen, einen Vorteil zu verpassen. Dann, so die Strategie, greifen sie zur Sicherheit lieber zur teuersten Version. Dumm nur, dass der Spieleverlag 2K Games, der für die Vermarktung von "Evolve" verantwortlich ist, so stattdessen eher das Misstrauen in der Spielergemeinde geschürt hat.

Dabei hat sich das Entwicklerstudio Turtle Rock, deren Programmierer sich bereits mit "Left 4 Dead" und "Counterstrike" einen Namen gemacht haben, redlich bemüht, das Vertrauen der Spielergemeinde zu gewinnen. Die Presse hatte während der vergangenen Monate bereits ausführlich die Gelegenheit, "Evolve" auszuprobieren, auf den wichtigsten Fachmessen E3 und Gamescom erhielt "Evolve" vorab so viele Preise wie kaum je ein anderes Spiel. Und auch die Spieler selbst hatten schon mehrmals die Gelegenheit, Vorab-Versionen gratis daheim testen zu können. Bei einem Betatest-Wochenende Anfang Januar trugen sie zweieinhalb Millionen Matches aus. Die Eindrücke von "Evolve" selbst? Größtenteils sehr positiv.

Spieler geben Tausende Euro für Gratisspiele aus

Computerspiel "Evolve": Der "Wraith" ist das kleinste Monster bei "Evolve". Was ihm an Stärke fehlt, macht er mit Hinterlist und Wendigkeit wett.

Der "Wraith" ist das kleinste Monster bei "Evolve". Was ihm an Stärke fehlt, macht er mit Hinterlist und Wendigkeit wett.

(Foto: 2K Games/PR)

Trotzdem ist der Unmut unübersehbar. Das Spiel kommt offenbar zu einem Zeitpunkt des Umdenkens über die etablierten Geschäftsmodelle: Immer mehr Spieler sind frustriert davon, für ein Spiel beim Erscheinen Geld zu bezahlen und dann später noch einmal für Zusatzinhalte zur Kasse gebeten zu werden. Dabei gab es das schon immer. Auch früher brachten die Hersteller Spielerweiterungen auf den Markt, und inflationsbereinigt waren Spiele in der Vergangenheit eher teurer als billiger.

Aber mittlerweile hat dieses Verkaufsmodell vom sogenannten "Free to Play", kurz, F2P, Konkurrenz bekommen. Es hat vor zwei Jahren auch "The Secret World" zu Fall gebracht: Das Spiel kostete zu Beginn noch einen monatlichen Abonnementsbetrag, wie es seit "World of Warcraft" für Online-Rollenspiele durchaus üblich ist. Ein neues Spiel, das diesem Modell folgt, hatte es aber offenbar besonders schwer, von den Spielern akzeptiert zu werden.

F2P-Spiele hingegen locken mit einem kostenlosen Basiszugang zu weiten Teilen des Spiels. In "League of Legends", dem derzeit populärsten Computerspiel der Welt, ist immer nur ein kleiner Teil der 123 verfügbaren Spielfiguren gratis nutzbar, die Auswahl wechselt regelmäßig. Wer sich dauerhaft eine oder mehrere Figuren sichern will, muss dafür entweder sehr viel Zeit im Spiel verbringen, oder Geld bezahlen.

Beim direkten Konkurrenten "Dota 2" sind sogar alle Figuren gratis, die Spieler bezahlen lediglich dafür, um an Turnieren teilzunehmen oder wenn sie ihre Helden mit besonderen Waffen oder Rüstungen ausstatten wollen. Für viele Spieler ist das günstiger. Manche versenken auf diesem Weg aber auch Tausende Euro in ein einziges Spiel. 2014 hat die Branche mit dem angeblichen Gratis-Geschäftsmodell "Free to Play" fast acht Milliarden Dollar umgesetzt.

Unfairer Vergleich

Viele Spieler, die jetzt in Foren zum Boykott von "Evolve" aufrufen, wünschen sich ein solches Modell. Und auf den ersten Blick scheint der Multiplayer-Shooter ja auch vergleichbar: Immerhin wollen auch Turtle Rock und 2K Games daran verdienen, zusätzliche Spielfiguren zu verkaufen. Dann soll aber bitteschön, so die Kernforderung, das Grundspiel kostenlos oder wenigstens deutlich günstiger sein.

Ganz fair ist dieser Vergleich aber nicht: Die Entwicklung einer Figur für "Evolve" dürfte wesentlich aufwendiger sein - eben weil das Spielprinzip asymmetrisch ist. Das macht es für die Programmierer besonders schwer, neue Figuren so einzubauen, dass sie nicht das empfindliche Spielgleichgewicht in Gefahr bringen und sich trotzdem ausreichend von den bestehenden Jägern oder Monstern unterscheiden. Auch die grafische Gestaltung der Figuren spielt in den düsteren Dschungeln oder kargen Eislandschaften von "Evolve" eine entscheidende Rolle, weshalb die Möglichkeiten für bunte Rüstungen oder andere kosmetische Spielinhalte begrenzt sind.

Wie groß aber die Zahl derer wirklich ist, die aufgrund ihres Ärgers über die vielen Spielversionen auf den Kauf verzichten, ist aus der Aufregung in den Foren kaum abzulesen. Für die kreative Entwicklung der gesamten Branche wäre es in jedem Fall wünschenswert, wenn nicht ausgerechnet der wahrscheinlich interessanteste Egoshooter der vergangenen Jahre dem wachsenden Unmut über eine gängige Verkaufsstrategie zum Opfer fällt. Turtle-Rock-Mitgründer Phil Robb gibt sich gelassen: "Dagegen braucht man ein dickes Fell", sagt er im Gespräch mit Süddeutsche.de. "Selbst in den schlimmsten Schimpftiraden steckt immer etwas Nützliches - wenn man mal den ganzen Bullshit weggekocht hat."

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