Computerspiel "Assassin's Creed IV: Black Flag":Wertlose Kisten voller Gold

Assassin's Creed 4: Black Flag

PETA gefällt das gar nicht: In "Assassin's Creed IV" kann der Spieler auch auf Haifischjagd gehen.

(Foto: Screenshot: Ubisoft)

Leute ermorden, klar, aber auch Segeln oder Jagen: Das Computerspiel "Assassin's Creed IV: Black Flag" wirbt mit endlosen Möglichkeiten. Doch alles, was spektakulär aussieht, passiert fast von allein. In der populären Spielereihe sind mittlerweile selbst die versprochenen virtuellen Reichtümer bedeutungslos geworden.

Von Matthias Huber

"Wie soll ein Mensch in dieser Welt nur reich werden?", fragt Edward Kenway seine Verlobte. Es ist eine rhetorische Frage, auf die er selbst die Antwort gibt: Freibeuter müsste man sein. Also zieht er los, um als Kapitän eines Schiffes die Karibik unsicher zu machen, die spanische Armada um ihre Dublonen und die britische Flotte um ihre Sterling-Pfund zu erleichtern. Seine Verlobte lässt er zurück - "nur für ein Jahr, maximal zwei."

In Assassin's Creed IV: Black Flag schlüpft der Spieler in die Rolle dieses Freibeuterkapitäns Edward Kenway. Dazwischen steht allerdings noch eine zweite, zunächst namenlose Figur im Jahr 2013. Sie ist es, die das Leben des fiktiv historischen Edward Kenways in einer Computersimulation namens Animus nachspielt. Ein Spiel-im-Spiel, also - im Fall von Assassin's Creed IV: Black Flag, um so angeblich Material für einen spektakulären interaktiven Film zu sammeln. "Aufnahmen echter Geschichte, aber nur die aufregendsten Stellen", fordert eine Sprecherin der fiktiven Firma Abstergo Entertainment, die der Spielfigur das Animus-Gerät zur Verfügung stellt. Das Problem: Dieser Rückzug auf eine augenzwinkernde Meta-Ebene wirkt, als wollte man sich im Voraus gegen all das immunisieren, was im Spiel-im-Spiel, also in der überbevölkerten Piratenwelt, schiefläuft.

Viel los in der Karibik

Assassin's Creed 4: Black Flag wirkt wie ein Spiel, das darauf hin entwickelt wurde, mit einer möglichst umfangreichen Feature-Liste werben zu können. Was in Teil eins mit ein wenig Schleich- und Kampf-Mechanik begann, ist zu einer unübersichtlichen Sammlung kaum noch zusammenhängender Elemente angewachsen. Wenn Edward gerade mal nicht in irgendeinem Piratennest wie Nassau oder Havana Meuchel-Aufträge durchführt, kann er wilde Tiere jagen, angeln oder sogar Haie und Wale mit der Harpune erlegen - ein Feature, dessen Ankündigung sogar den unvermeidlichen PETA-Protestschrei nach sich zog.

Das eigene Schiff muss mit Kanonen und Bordpanzerung aus- und aufgerüstet werden. Dringend nötig, denn auf den gar nicht so weiten karibischen Meeren kann man kaum zwei Minuten dahinschippern, ohne von einem spanischen, britischen oder Piraten-Schiff unter Beschuss genommen zu werden. Die folgenden Seegefechte sehen spektakulär aus, zwischen turmhohen glitzernden Wellen, krachend einschlagenden Kanonenkugeln und dem athletischen Elan, mit dem sich Kapitän Edward ins Steuerruder legt. Sie erinnern aber spielerisch weniger an eine Segelschiff-Simulation als an den Gokart-Klassiker Mario Kart - nur dass statt Schildkrötenpanzern eben Kanonenkugeln fliegen.

Wie in einem Reiseführer

Ähnlich komprimiert erscheint die Karibik-Welt selbst: Ist eine Gegend erstmal durch einen kurzen Ausflug zum nächstgelegenen Aussichtspunkt erkundet, offenbart ein Blick auf die ins Spiel integrierte Übersichtskarte die Absurdität des Ganzen. Wie in einem perfekt recherchierten Reiseführer weisen unzählige Symbole den Weg: Zu Schiffbrüchigen, die wenige Meter vor der nächsten Küste dringend gerettet werden müssen. Zur Flaschenpost, die direkt neben einer belebten Anlegestelle am Strand liegt. Zur Schatzkarte, die ein paar Gehminuten vor der Stadt in den Taschen einer mittlerweile skelettierten Leiche steckt. Zu Kisten voller Dublonen, die einfach so zwischen Palmen herumstehen. Zum gesunkenen Schiffswrack, in dem Edward nach Gold tauchen kann. Und zur nächsten Hafenkneipe, in denen trunksüchtige Piraten zum Damespiel einladen.

"Wir wollten, dass die Spieler wirklich viel zu tun haben", sagte ein Entwickler auf der Kölner Spielemesse Gamescom. Da darf man dann wohl eine ordentliche Portion "Suspension of Disbelief" erwarten, also dass sich der Konsument auf all die Unglaubwürdigkeiten einlässt, des großen Spaßes willen. Echte Geschichte eben, aber nur die aufregendsten Stellen. Heißt es ja auch im Spiel selbst. Und da ist es wieder, dieses Augenzwinkern.

Eher Minispiel-Sammlung als Sandkasten

Das alles wäre kein Problem, wenn es einen Grund gäbe, sich darauf einzulassen. Aber die präsentierten Minispiel-Mechaniken sind hohl und wenig einfallsreich. Das Harpunieren ergeht sich in albernem Geklicke ohne große Auswirkung auf das restliche Spiel. Das Jagen ist nichts anderes als das Meucheln, bloß eben mit wilden Tieren vor den Assassinen-Klingen, die Edward am Handgelenk trägt. Und Symbolen von Schatztruhen auf der Karte nachzurennen hat in etwa so viel mit dem Ausleben von Forscherdrang und Erkundungsgeist zu tun wie Autofahren nach Navigationsgerät.

Grand Theft Auto, das große Vorbild für sogenannte Open-World-Spiele der scheinbar endlosen Möglichkeiten, zeigt, wie es gehen könnte: Mit geschicktem Informationsmanagement, das den Spieler gerade genug anstachelt, auf die Suche zu gehen, aber ihm nicht jedes Erfolgserlebnis auf dem Silbertablett präsentiert.

Assassin's Creed 4: Black Flag

Im vierten Teil der Reihe mordet sich der Assassine durch die Karibik.

(Foto: Screenshot: Ubisoft)

Das gilt auch für die Akrobatik- und Freerunning-Passagen in Assassin's Creed. Alles, was toll aussieht, passiert im Grunde von allein. Um spektakulär von Dach zu Dach zu springen, über Balkongeländer und Holzbalken zu balancieren oder an Kirchtürmen hochzuklettern, braucht es genau eine einzige Taste. Ärgerlicherweise auch noch die selbe, mit der Edward rennt, wenn er sich ausnahmsweise am Boden rumtreibt. Was in so mancher Verfolgungsjagd zu frustrierenden Situationen führt, wenn man zu nahe an einer Leiter vorbeirennt, und sich Edward spontan dazu entschließt, den Fliehenden einen guten Mann sein zu lassen und sich lieber auf Klettertour begibt.

Alles nur wegen des Geldes

Assassin's Creed IV: Black Flag wirbt mit seiner offenen Spielwelt und der schier unendlichen Feature-Liste. Und ist doch viel eher Minispiel-Sammlung als ein Sandkasten, in dem sich der Spieler austoben kann - es sei denn, ihm genügt es, genau dann eine Partie Dame zu spielen, wenn er gerade zufällig an einer virtuellen Hafenkaschemme vorbeikommt. Selbst die aufwändig-wirre Weltverschwörungs-Geschichte taugt nicht als Motivation für die vielen Stunden, die Assassin's Creed IV seinem Spieler abverlangt. Einfach, weil sie viel zu langsam und zerklüftet erzählt ist, Open-World-Dogma sei Dank.

Warum sollte man sich also darauf einlassen, zu jagen, zu fischen, zu plündern und in einer kleinen Wirtschaftssimulation sogar eine kleine Flotte auszurüsten, Handelsrouten zu erschließen und Assassinen auf Missionen zu schicken? Assassin's Creed IV: Black Flag findet dafür nur eine wenig überzeugende Antwort: Jedes dieser kleinen Spielchen-im-Spiel-im-Spiel bringt virtuelles Geld, lässt eine Zahl allmählich anwachsen, die ständig im linken unteren Eck des Bildschirms eingeblendet ist. Damit lassen sich neue Waffen kaufen oder die Fähigkeiten des Schiffes verbessern, um die ohnehin herausforderungsarmen Nebenmissionen noch einfacher zu machen.

Es ist die gleiche Motivation, die auch den Titelhelden zu seiner großen Kaperfahrt veranlasst. "Wir brauchen keine Reichtümer", sagte seine Verlobte, als er ihr seine Pläne unterbreitete. Edward Kenway gab nur zurück: "Ich rede nicht davon, was wir brauchen. Ich rede davon, was ich will."

Assassin's Creed IV: Black Flag (USK 16) ist am 29. Oktober 2013 für Xbox 360 und Playstation 3 von Ubisoft erschienen. Versionen für PC, Xbox One und Playstation 4 sind für den 21. November 2013 angekündigt.

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