Computerspiel "Anno 2205":Fahrstuhl zum Mond

Schluss mit Kolumbus: "Anno 2205", Fortsetzung der Strategiespiel-Klassiker, bleibt auch im Weltraum seinen Qualitäten treu. Bis auf die völlig verkorksten Kämpfe.

Von Matthias Huber

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(Foto: Ubisoft/PR)

Angespielt, nicht durchgespielt: Unsere Games-Kurzkritik "Screenshot" beantwortet Fragen zu den neuesten Computer- und Videospielen auf allen gängigen Plattformen. Und gibt einen ersten Eindruck, worauf Sie sich bei einem neuen Spiel freuen können - und wann Sie lieber noch skeptisch sein sollten. Worum geht es in "Anno 2205"? Endlich. Der Weltraum. Vier Spiele lang durften die Fans der Aufbaustrategie-Reihe vergangene Epochen besiedeln, der Ausflug in die Zukunft in "Anno 2070" beschäftigte sich mit der Erde nach einer Klimakatastrophe. Jetzt verlässt die Spielereihe aus Deutschland, deren Titel bisher insgesamt weltweit mehr als fünf Millionen Mal verkauft wurden, erstmals tatsächlich den Planeten. Die Idee der Entwickler von "Anno 2205": In 190 Jahren sind wir in der Lage, den Mond zu besiedeln und seine Ressourcen für die Energiegewinnung nutzbar zu machen. Auf dem Weg zu diesem interstellaren Goldrausch muss der Spieler zuerst auf der Erde die Voraussetzungen dafür schaffen. Er errichtet Siedlungen in gemäßigten Klimazonen und in der Arktis, um sich allmählich den Weltraumhafen samt Fahrstuhl zu einer Raumstation finanzieren zu können. Von dort ist es nur ein kleiner Sprung in die Mondlandschaft, in der nur Energieschilde die Siedler und Minenarbeiter vor Meteoriteneinschlägen und tödlicher kosmischer Strahlung schützen.

Was sieht vielversprechend aus?

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(Foto: Ubisoft/PR)

Ein Wal taucht aus den Wellen auf, Blätter wiegen sich im Wind hin und her, ein Schneesturm peitscht über die Eislandschaft, und nur wenige Meter von der Ansiedlung entfernt schlägt krachend ein Meteorit in den Felsboden. Mittendrin: Winzige Siedler, die in dicke Winteranzüge verpackt über die notdürftig vom Schnee befreiten antarktischen Straßen stapfen. Oder Roboter und Menschen in Raumanzügen, die ein Mondfahrzeug besteigen und damit zum Arbeitsplatz in der nächsten Helium-3-Mine fahren. Die "Anno"-Reihe war immer auch für ihre vielen liebevoll gestalteten graphischen Details bekannt, und "Anno 2205" ist da keine Ausnahme. Das hebt den Spaß am Siedeln ungemein und rettet über die ersten paar Spielstunden hinweg, die ansonsten etwas dröge werden. Spätestens mit der Besiedlung der Arktis entfaltet sich aber auch die strategische Tiefe, die viele Spieler der Vorgängertitel Hunderte Stunden vor dem Rechner verbringen ließ. Die Mondbasis schließlich verlangt mit ihrem Netz aus Energieschilden eine komplett andere Siedlungsstruktur.

Warum sollte man trotzdem skeptisch sein?

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(Foto: Ubisoft/PR)

Über die "Anno"-Basics kann sich niemand beschweren. Zumindest niemand, der in der Aufbaustrategie-Reihe die Kampfszenen immer schon etwas fehl am Platz fand. Wer aber während des Städtebaus zur Abwechlsung gerne Kanonen krachen ließ, dürfte von "Anno 2205" enttäuscht werden. Statt sich zwischen Inseln und in Städten mit den computergesteuerten Gegnern zu beschießen, finden Kämpfe diese Mal in unbewohntem Gebiet statt. Sie sind vollständig in Missionen ausgelagert - abgeschlossene Karten, über die der Spieler seine Armee steuert. Was als gute Idee begann, um die Pazifisten und Krawallisten unter den Anno-Fans gleichermaßen zufrieden zu stellen, ist doch nur ein umständlicher Zeitvertreib zwischendurch. Die Schiffe tuckern träge durch die Kanäle und Fjorde, sammeln Spezialangriffe ein und feuern sie auf die ähnlich lahmen Gegner. Das erinnert eher an ein Actionspiel in Zeitlupe als an die Präzision und Hektik eines Echtzeit-Strategiespiels. Immerhin ist die Teilnahme an diesen Scharmützeln freiwillig, Konflikte können im Jahr 2205 auch mit hemmungslosem Wirtschaftswachstum beendet werden.

Woran erinnert Anno 2205?

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(Foto: Ubisoft/PR)

Abgesehen vom verkorksten Kampfsystem ist "Anno 2205" ein Anno-Spiel durch und durch. Nur das Science-Fiction-Setting ist ungewohnt, in zweierlei Hinsicht. Es erinnert nicht nur eher an "Star Trek" als an Christoph Kolumbus. Es macht die ohnehin komplexe Wirtschaftssimulation noch schwerer überschaubar. Der historische Rahmen vergangener Spiele erfüllte über seine atmosphärische auch eine spielerische Funktion. Die Verwendung der Ressourcen, um die es damals ging - Nahrung, Baustoffe wie Holz und Stein, Luxusgüter wie Seide und Gold - leuchtete stets ein. Es war klar, welches Gebäude welchen Zweck erfüllt, also aus welchem Rohstoff welches Produkt entsteht. Aber offenbar hat in der Zukunft niemand mehr Interesse an Holz, Steinen und Gold. Stattdessen wird aus Aluminium Metallschaum gewonnen, aus Nano-Keramik und Kobalt entstehen Konstruktionsroboter und aus Algen erst synthetische Zellen und daraus wiederum Verjüngungsspritzen für die Bevölkerung.

Was passiert, wenn man das Spiel zum ersten Mal startet?

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(Foto: Ubisoft/PR)

"Sie beginnen jetzt mit Phase eins des lunaren Lizensierungsprozesses", sagt eine blecherne Computerstimme. Sie erzählt von einem Weltraum-Aufzug, der gebaut werden müsse. Der Spieler müsse mithelfen, durch die Besiedlung des Mondes eine weltweite Energiekrise zu verhindern. "Global Union wünscht Ihrem Konzern viel Erfolg." Die erste Siedlung liegt in einer gemäßigten Klimazone, die Startbedingungen - viel Platz zum Bauen oder viele seltene Rohstoffe - sollen für den weiteren Spielverlauf entscheidend sein. "Sie brauchen erst einmal Arbeiter", sagt eine Beraterin, und öffnet das entsprechende Menü, in dem man das nächste Bauprojekt auswählt. Wohnhäuser; Straßen, die sie mit dem Hafen verbinden, damit Waren bei den zukünftigen Einwohnern ankommen; eine Reisplantage liefert Nahrung - natürlich Bio, wir sind schließlich in der Zukunft; auf einer Sonnenblumenfarm wächst der Rohstoff, aus dem in einer Fabrik Kunststoffe entstehen. Und aus der Null am oberen Bildschirmrand, die die Einwohnerzahl der Siedlung beziffert, ist eine 16 geworden.

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