Computerspiel "Alien: Isolation":Horror, nichts als Horror

Computerspiel "Alien: Isolation": Szene aus "Alien: Isolation"

Szene aus "Alien: Isolation"

(Foto: AP)

"Alien: Isolation" ist das aufregendste Computerspiel seit langem. Gegen den übermächtigen Gegner helfen keine Waffen. Nur die Flucht.

Von Tim Rittmann

Nicht alle Computerspiele wollen unsere Freunde sein. Das Survival-Horror-Spiel "Alien: Isolation" gehört dazu. Es ist sadistisch, versetzt den Spieler in permanente Angst. Man fühlt sich, als ob man in einem zwanzigstündigen Horrorfilm die Hauptrolle spielt und weder auf Stopp drücken, noch die Hände vors Gesicht schlagen oder vorspulen kann.

Der Spieler betrachtet die Welt aus Amanda Ripleys Augen. Sie ist die Tochter jener Ellen Ripley, die 1979 gespielt von Sigourney Weaver im Film "Alien" dem schwarzen Weltraummonster im weißen Schlüpfer entgegentrat. Auf der Suche nach Lebenszeichen ihrer Mutter verschlägt es Amanda auf die Weltraumstation Sewastopol, wo der Xenomorph lauert, das von dem Schweizer Künstler H.R. Giger geschaffene Alien mit Doppelkiefer.

"Alien: Isolation" unterscheidet sich von vielen anderen Spielen: Es gibt keine Gegner, die in Scharen mit futuristischen Waffen niedergemacht werden. Wozu auch? Ein einziges Monster reicht vollkommen aus. Trotz Egoperspektive ist das Spiel kein Egoshooter, eher ein Versteckspiel. Feuergefechte mit den wenigen Überlebenden der Station oder der Androiden-Polizei locken das Alien an, und weder Revolver noch Flammenwerfer können ihn wirklich beeindrucken. Der Spieler ist plötzlich ziemlich wehrlos, der Fluchtreflex ersetzt die trigger happiness, der Horror liegt im Ausgeliefertsein.

Angst lauert überall

Die Raumstation Sewastopol ist ein schwach beleuchtetes, mehrstöckiges Wirrwarr aus Korridoren und Lüftungsschächten, verwüsteten Arbeits- und Aufenthaltsräumen. Die Angst lauert hinter jeder Ecke, jeder Tür, jeder Boden- und Deckenluke, die Ripley öffnet. Es dauert einige Zeit, bis man erstmals auf das Alien trifft, aber Paranoia macht sich von der ersten Sekunde an breit. Der Horror liegt in der Vorahnung.

Subtil ist auch die Geräuschkulisse. Die Musik, selten mehr als ein bedrohlicher Unterton, unterstützt das allgemeine Unwohlsein. Bereits das Öffnen einer Tür kann einen Höllenlärm machen, und das Alien jagt vor allem nach Gehör. Das kann sich Amanda auch zunutze machen, indem sie etwa mit selbst gebastelten Knallbomben von sich ablenkt oder das Alien auf die wenigen marodierenden Plünderer und Androiden hetzt.

Es gibt kein Autosave - das ist Absicht

Nimmt der Spieler verdächtige Geräusche wahr, und die gibt es eigentlich immer, sollte er das aus dem Film bekannte Ortungsgerät benutzen, eine Art piependen Geigerzähler, der immer wieder kurz gezückt wird. Nähert sich ein Feind, erscheint ein Punkt auf dem Display. Angezeigt wird jedoch bloß die absolute Distanz in einem frontalen 90-Grad-Winkel, aber nicht die relative Position. Befindet sich das Alien über einem und gleitet eklig aus einer Luke herab, heißt es Reißaus nehmen. Falls es dann nicht schon zu spät ist.

Das Alien ist unberechenbar. Es schreitet keine vorprogrammierten Wege ab, wie man es aus "Metal Gear Solid" oder "Batman: Arkham City" kennt, sondern bewegt sich frei durch die Station, angelockt von allerlei Geräuschen. Selbst offene Türen und Luken nimmt es wahr und sucht dann manisch nach der Beute. Der Spieler verbirgt sich unter Tischen und Kisten, und falls er eine Konsole mit Kamera besitzt, kann er auf dem Sofa sitzend den Kopf nach links und rechts bewegen, die Bewegungen werden registriert und in das Spiel übertragen. So lugt Ripley hinter Ecken und Tischkanten hervor.

Das Standard-Versteck sind jedoch die überall auf der Station verteilten Spinde. Manchmal verharrt man eine halbe Ewigkeit darin, blickt durch ein kleines vergittertes Sichtfenster und lauscht angestrengt. Den piependen Geigerzähler auspacken oder vergessen, per Knopfdruck die Luft anzuhalten, hieße, das Alien anzulocken. Dann wäre man wieder einmal tot. Man stirbt übrigens ziemlich oft.

Irgendwann lässt der Horror nach

Der Spielstand wird deswegen möglichst häufig gespeichert - die einzig wirksame Vorsichtsmaßnahme. Ein Autosave ist nicht vorgesehen. Amanda sucht stattdessen auf der Sewastopol verteilte Speicherstationen, steckt eine Art Diskette in ein tickendes Lesegerät. Und wartet. Wollen Sie den Spielstand speichern? Wieder warten und hoffen, dass sich das Alien nicht ausgerechnet jetzt von hinten anschleicht und jeden ungesicherten Fortschritt zunichte macht.

Hardcore-Gamer lieben diese kleinen Gemeinheiten, zumindest in der Theorie. In der Praxis sind solche Momente unendlich frustrierend. Doch irgendwann wird das Ableben mit einem Achselzucken quittiert, die Flucht in den Spind zur lästigen Alltagshandlung, das Spiel verliert sich ein wenig in der Repetition. Der Horror lässt irgendwann nach - und damit auch die Spielfreude.

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