Cloud-Speicherdienste:Bequemlichkeit siegt

Cloud-Speicherdienste: Hunderte Millionen Menschen nutzen Cloud-Speicherdienste für ihre Daten. Wie sicher ist das?

Hunderte Millionen Menschen nutzen Cloud-Speicherdienste für ihre Daten. Wie sicher ist das?

(Foto: Stefan Dimitrov / Süddeutsche Z; Illustration: Stefan Dimitrov/SZ)

Unternehmen wie Google und Amazon wollen die Menschen auf ihre Datenspeicher locken. Schnüffelnde Geheimdienste? Hacker? Kommen in den Werbeversprechen nicht vor - und die Nutzer scheinen nur die Vorteile der angebotenen Dienste zu sehen.

Von Matthias Huber und Hakan Tanriverdi

Zuerst einmal gibt es die Angst: Schütze deine Daten, tönt es auf allen Kanälen. Hacker sind hinter ihnen her, Geheimdienste auch. Und wer weiß, wer sonst noch. Dann kommen Firmen wie Google, Microsoft, Amazon oder Dropbox daher und bieten scheinheilig an, man könne doch die Inhalte ganzer Festplatten bei ihnen auslagern: Fotos und Videos aus dem letzten Familienurlaub ebenso wie Briefe, E-Mails oder Unterlagen für die Steuer. Wer soll denn darauf hereinfallen?

Kein Wunder, dass die großen Online-Unternehmen beträchtliche Anstrengungen auf sich nehmen, um Kunden zu gewinnen. Als Microsoft unlängst den Spieleentwickler Mojang für einen Milliardenbetrag kaufte, vermuteten einige Experten, dass es hauptsächlich darum ging, die über 100 Millionen Fans des Spiels "Minecraft" in die Microsoft-Cloud zu locken. Wer sich für die aktuelle Version des Bürosoftware-Pakets "Office" entscheidet, bucht automatisch umfangreichen Online-Speicher mit dazu oder kann seine Dokumente direkt beim Konkurrenzanbieter Dropbox auslagern, mit dem Microsoft seit Kurzem zusammenarbeitet. Und der Online-Händler Amazon lockt mit seinem jüngsten Angebot besonders Hobbyfotografen auf die eigenen Server.

Hunderte Millionen Menschen vertrauen den Konzernen - weil es so bequem ist

Die Rechnung geht auf. Hunderte Millionen Menschen vertrauen den US-Konzernen ihre Daten an, schon allein deshalb, weil es so bequem ist. Wer heute nicht nur einen PC hat, sondern auch noch Smartphone und Tablet, einen Rechner in der Arbeit und vielleicht noch einen Laptop, ist dankbar, wenn Dateien an einem zentralen Ort liegen, der von überall abrufbar ist, anstatt dafür ständig auch noch USB-Sticks oder andere Datenträger mit sich herumtragen zu müssen. Mit einer Online-Textverarbeitung ist es außerdem möglich, dass mehrere Menschen im selben Dokument arbeiten, gleichzeitig und gemeinsam - ohne dass man sich ständig verschiedene Versionen hin und her schicken müsste.

Unternehmen wie Google, Microsoft und Amazon optimieren sich und ihre Angebote längst für eine Welt, die auf die Cloud ausgerichtet sein wird. Der US-Filmanbieter Netflix, der in Spitzenzeiten für 35 Prozent der heruntergeladenen Daten in den USA verantwortlich ist, nutzt die Infrastruktur von Amazon, ebenso der Musikdienst Spotify und die Wohnungsvermittlung Airbnb. Selbst die CIA hat Mitte des Jahres einen Deal über 600 Millionen Dollar mit Amazon abgeschlossen. Weite Teile dieses Marktes hat der Online-Händler bereits für sich gesichert. Und für allzu viele verschiedene Mitbewerber neben Cloud-Riesen wie Google, Microsoft oder Dropbox wird kein Platz sein. Hochrangige Mitarbeiter von Google lassen sich mit dem Satz zitieren, die Cloud könnte in Zukunft für den Konzern mehr Gewinne abwerfen als das Werbegeschäft.

Dass die Cloud-Angebote von Privatkunden ebenfalls gut angenommen werden, passt in dieses Bild. Die Nutzerzahlen reichen bei den großen Anbietern von 120 (Google Drive) bis zu 300 Millionen (Dropbox). Das Bedürfnis nach der Cloud ist da - und wird von den Unternehmen bedient.

Ob die Daten auf einem privaten Server wirklich besser abgesichert sind?

Theoretisch könnten sich die Nutzer auch ohne die großen US-Anbieter behelfen. Sie könnten daheim einen privaten Server betreiben, also einen Computer, der ständig läuft und mit dem Internet verbunden ist, um seinem Besitzer auf der ganzen Welt die darauf hinterlegten Daten zur Verfügung zu stellen. Dafür ist aber eine besonders stabile Internetverbindung erforderlich, die allein schon oft teurer ist als die Cloud-Angebote. Hinzu kommen Anschaffungskosten, Wartung und das Risiko eines Datenverlusts. Der Betrieb eines eigenen Servers erfordert einen versierten Nutzer - erst recht, wenn ihm daran gelegen ist, dass die Daten vor möglichen Hackerangriffen auch ausreichend geschützt sind.

Den meisten Anwendern ist diese Alternative deshalb zu aufwendig. Für sie soll das Internet so funktionieren wie das Produkt eines Stromanbieters: Wenn man einen Schalter umlegt, soll das Licht angehen. Oder eben, wie in diesem Fall, die Daten griffbereit liegen. Wo diese Daten dann herkommen, spielt dabei offenbar keine so große Rolle, wie nach den Enthüllungen von Edward Snowden weithin angenommen wurde. Inmitten all der Berichte über Geheimdienste und deren Machenschaften befürchteten die US-Anbieter eine Zeit lang, dass sie daran Schaden nehmen würden. Wer sollte schon seine Daten übergeben, wenn Firmen wie Google, Amazon und Microsoft rechtlich zur Herausgabe an Geheimdienste verpflichtet sind? Der tatsächliche Effekt auf die Geschäftszahlen der Online-Konzerne scheint aber minimal zu sein. Auch in Deutschland ist die Nachfrage so groß, dass Amazon Ende Oktober hier zwei Rechenzentren eröffnet hat.

Ob die Daten auf einem privaten Server wirklich besser abgesichert sind als bei Google und Amazon ist durchaus zweifelhaft. Immerhin können es sich die Konzerne leisten, hohe technische Sicherheitsstandards zu pflegen. Die New York Times entschied sich deshalb im vergangenen Jahr dazu, die eigenen E-Mails künftig über Google abwickeln zu lassen. "Es ist sicherlich so", sagt Dr. Matthias Söllner, Wirtschaftsinformatiker an der Universität Kassel, "dass Amazon und Google die Top-Leute in ihre Reihen geholt haben, um die Systeme zu sichern." Seit den Snowden-Enthüllungen verschlüsselt Google den Datenverkehr zwischen seinen Rechenzentren. Das hilft zwar nicht gegen geltende Gesetze, erschwert die Arbeit für Sicherheitsdienste hingegen durchaus, da die Daten nicht mehr so einfach abgesaugt werden können.

Der Weg in die Cloud lockt mit Bequemlichkeit und Effizienz

Dafür entsteht eine neue Gefahrensituation: Sind die Daten erst einmal im Netz, werden auch Hacker aufmerksam. Diese suchen und finden oft genug Wege, um sich in Konten von fremden Personen einzuklinken. Die ohne Erlaubnis veröffentlichten Nacktfotos von Jennifer Lawrence sind nur ein Beispiel. Unbekannte haben die Antworten auf die von Lawrence hinterlegten Sicherheitsfragen erraten ("Was ist Ihr Lieblingssport?") und sich so Zugriff verschafft. Auch der Journalist Mat Honan des Technik-Magazins Wired schilderte eindrücklich, wie sämtliche Online-Konten übernommen und geleert wurden. Die Fotos des neugeborenen Babys? Die waren weg. Zwar konnte Honan mit großem Aufwand weite Teile seiner Daten wiederherstellen, das kostete ihn aber viel Zeit und Geld.

Die Beispiele zeigen: Der Weg in die Cloud lockt mit Bequemlichkeit und Effizienz. Auch dieser Text, ein Gemeinschaftsprojekt zweier Autoren, ist mithilfe von Cloud-Software entstanden. Nur: Wer seine Daten einem Konzern anvertraut, sollte dabei nicht jegliche Vorsicht fallenlassen. Bequemlichkeit allein erleichtert zwar den Alltag. Aber ein effektiver Schutz ist das nicht.

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