Cloud Computing:Strompreise sollen den Datenschutz gefährden

In Sachen Datenschutz ist Deutschland ein idealer Standort, aber leider nicht beim Strom. Das sagen Anbieter von Cloud-Computing-Diensten. Jetzt forden einige Betreiber von Rechenzentren günstigere Preise - und drohen mit Abwanderung.

Varinia Bernau

Der Weg in die Cloud führt vorbei an einer Tankstelle, einem Küchenstudio und ein paar Autohäusern. In einem Gewerbegebiet am Rand von Frankfurt geht es hinein in jenes digitale Gebilde, auf dem die Hoffnungen der gesamten IT-Branche ruhen. In der Cloud soll der Privatmann seine Fotoalben stapeln, der Geschäftsmann die Buchhaltung erledigen. Zu jeder Zeit und von jedem Ort können sie via Internet darauf zugreifen. Im Jahr 2015, so schätzt die Unternehmensberatung Roland Berger, wird der weltweite Umsatz mit Cloud Computing bei 73 Milliarden Dollar liegen. Das wäre dreimal so viel wie derzeit.

Damit das klappt, braucht es Menschen wie Peter Knapp. Von dem Frankfurter Gewerbegebiet aus leitet er das deutsche Geschäft von Interxion. Mitte April hat er ein neues Rechenzentrum eröffnet, das dritte binnen vier Jahren, etwa 21 Millionen Euro hat das gekostet. Dass sich Alltagsgewohnheiten und Geschäftsabläufe zunehmend digitalisieren, ist gut für sein Geschäft. Im vergangenen Jahr hat das europäische Unternehmen, das 28 Rechenzentren in elf Ländern betreibt, einen Umsatz von mehr als 244 Millionen Euro gemacht.

Biete Sicherheit

Dieses Geschäft, sagt Knapp, muss man sich wie das eines Flughafenbetreibers vorstellen. Nur dass dies kein Umschlagplatz für Container und Passagiere ist, sondern für Daten. Allein das neue Rechenzentrum bietet für ständig surrende Server eine Fläche von 1500 Quadratmetern, so groß wie zwei Handballfelder. Hier können sich Unternehmen wie die Deutsche Telekom, Hewlett-Packard oder IBM einmieten und ihre Cloud-Dienste anbieten. Aber auch Mittelständler, die diese nutzen.

Seinen Kunden bietet Knapp Sicherheit: In die Rechenzentren kommt niemand ohne Anmeldung. Die Tür einer gläsernen Schleuse öffnet sich erst, wenn auch der Fingerabdruck und das Körpergewicht stimmen. In einem Raum hängen 312 mannshohe rote Flaschen mit Löschgas, das im Fall eines Feuers binnen Sekunden in die Räume mit den Rechenschränken geleitet wird. Die Menge an Gas reicht aus, um die Räume zweimal zu füllen.

Manchmal reicht es aus, dass ein Techniker sein Taschentuch ausschüttelt, um einen ersten Alarm auszulösen - so genau prüfen Laser die Luft auf feinste Schmutzpartikel. Einige Schritte weiter stehen zwei Dieselgeneratoren, so kräftig wie ein Dutzend Sportwagen. Sie sollen anspringen, falls der Strom ausfällt. Mit den Stromanlagen, die auf dem Gelände von Interxion in dem Frankfurter Gewerbegebiet für den Notfall bereitstehen, könnte man eine Stadt mit 140.000 Einwohnern versorgen.

Der größte Posten: Strom

Strom, das ist der größte Posten, sagt Knapp, weit vor der Miete, auch weit vor den Lohnkosten für seine etwa 50 Mitarbeiter. Genau das bereitet Knapp Sorgen. Denn Strom ist in Deutschland teuer.

3,5 Cent pro Stunde

In Deutschland, rechnet Knapp vor, komme auf den Preis, zu dem Strom an der Börse gehandelt wird, noch einmal die Hälfte an Abgaben drauf. Allein 3,5 Cent pro Kilowattstunde fallen für die EEG-Umlage zur Förderung regenerativer Energien an. Manche Branchen sind davon befreit. Die Betreiber von Rechenzentren sind es nicht. "Wenn ich Schrauben und Metallbleche produziere, bekomme ich die Erleichterung. Die digitale Infrastruktur hingegen gilt als Eh-da-Technologie", schimpft Knapp, macht eine kurze Pause - und setzt nach: "Von wegen eh da. Sie wandert ab."

In Sachen Datenschutz sei Deutschland zwar ein idealer Standort, aber leider nicht beim Strom, heißt es auch bei 1&1, Deutschlands größtem Webhoster. "Es gibt zu viele Abgaben, die den Strompreis unnötig erhöhen. Unternehmen werden sich daher die Frage nach anderen Standorten stellen, an denen es grünen Strom ohne die Zusatzkosten gibt."

Made in Germany, das Label, das jahrzehntelang das der hiesigen Industrie war, soll nun auch das deutscher Cloud-Anbieter sein. Eine Garantie für höchste Qualität. Denn in Deutschland sind die Datenschutzbestimmungen besonders streng. Made in Germany soll als Argument dienen, um das Vertrauen der bislang skeptischen Unternehmer zu gewinnen - und sie in die Cloud zu locken. Stellt sich, was auf der Cebit unisono als Standortvorteil gepriesen wurde, nun womöglich als Standortnachteil heraus?

Auch Strato wirbt mit den deutschen Datenschutzstandards. Aber Damian Schmidt, der das Unternehmen leitet, sagt auch: "Nicht überall ist das Bewusstsein dafür so ausgeprägt wie bei uns." Letztlich schauten die meisten Kunden auf den Preis. Trotzdem ist Schmidt dagegen, dass der Staat den Rechenzentrumsbetreibern weniger Abgaben auf Strom gewährt. Strato zählt hierzulande zu den größten Verwaltern digitaler Datenströme. Das Unternehmen, seit zwei Jahren eine Telekom-Tochter, arbeitet mit dem Chiphersteller AMD zusammen, um effizientere Prozessoren zu entwickeln.

Zur Kühlung setzt man bei Strato auf kostengünstige Frischluft. Nur wenn die Außentemperatur über 25 Grad steigt, muss eine eigene Kühlanlage in den Rechenzentren laufen. Es sind verschiedene Maßnahmen, die dabei helfen sollen, dass Strato ein sich selbst gegebenes Versprechen einlösen kann: den Stromverbrauch konstant halten, auch wenn der Datenverkehr immer weiter steigt.

Zu viele staatliche Subventionen

Und Schmidt glaubt, dass Unternehmen, sobald Subventionen locken, vom Ringen um technische Neuerungen ablassen. "Wenn wir es schaffen, trotz höherer Kosten so effizient zu arbeiten, dass wir unsere Dienste günstiger anbieten können als die Anbieter im Ausland, dann sind wir wirklich vorn dabei." Was passiert, wenn sich eine Branche zu lange auf staatlichen Subventionen ausruhe, könne man am Niedergang der Solarindustrie sehen.

Datenübertragung ist immer auch eine Frage der Entfernung, selbst wenn die Daten mit Lichtgeschwindigkeit transportiert werden", sagt Schmidt. Aus der Mitte könne man Kunden deshalb besser bedienen, als wenn man am Rand sitze. Bei manchen Anwendungen, etwa beim Hochfrequenzhandel an der Börse, der Übertragung von Sportereignissen oder der Telemedizin, geht es um Bruchteile von Sekunden.

Kühles Finnland

Ein Rechenzentrum, wie es etwa Facebook gerade im kühlen Finnland baut, ist gut, um Daten zu lagern. Nicht aber, um sie schnell abzutransportieren. Natürlich gibt es auch in Finnland Flughäfen, sagt Knapp. "Aber in Frankfurt steigen nun einmal mehr Leute um." Und Frankfurt ist auch einer der wichtigsten Knotenpunkte für den Datenverkehr. Unter dem Gewerbegebiet, unweit von Tankstelle, Küchenstudio und Autohaus, verlaufen massenweise Glasfaserkabel.

Und trotzdem glaubt Knapp nicht, dass das auf lange Sicht als Argument ausreiche, um die Kunden anzulocken. Jetzt, sagt er, werden die Weichen für die digitale Wolke gestellt, werden die millionenschweren Investitionen in den internationalen Unternehmen vorbereitet. Amsterdam beispielsweise sei eben auch ein wichtiger Knotenpunkt für die weltumspannenden Netze. Und dort sei der Strom billiger. "Wenn ich hier 20 Quadratmeter vermiete, dann vermietet mein Kollege in Amsterdam 1000 Quadratmeter."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: