Google Tune:Diese Chrome-Erweiterung filtert giftige Kommentare

Google Chrome Tune

Die Google-Chrome-Erweiterung Tune soll gegen Hasskommentare im Netz helfen.

(Foto: Google)
  • Mit der Google-Chrome-Erweiterung Tune lassen sich Hasskommentare im Netz ausblenden oder dämpfen.
  • Entwickelt wurde das Programm von Googles Ideen-Inkubator Jigsaw. Allerdings befindet sich die Software noch in einem Experimental-Stadium.

Von Michael Moorstedt

Hier ist ein garantiertes Mittel, um allzu guter Laune Herr zu werden: einfach mal schnell Twitter öffnen. Schon bald wird die Timeline von allen Seiten mit dermaßen giftigen Kommentaren geflutet, dass jeglicher noch verbliebener Restglaube an das Gute und Schöne im Menschen hinfortgespült wird. Alte gegen Junge, Männer gegen Frauen, jeder gegen jeden - der dumme Kommentar ist im Internet längst zum guten Ton geworden. Im besten Fall nur hirnrissig und schlichtweg falsch und im schlimmsten Fall aktiv verletzend, hasserfüllt gegen jede nur denkbare Minderheit.

Abhilfe verspricht nun eine kleine Erweiterung für Googles Chrome-Browser. Ist die Software namens Tune installiert, klickt man auf einen kleinen Button am oberen rechten Eck des Fensters, dann öffnet sich ein Menü, bei dem man wie an einem Lautstärkeregler den Ton auf den besuchten Webseiten bestimmen kann. Die Toxizität im Internet lässt sich auf vier Stufen genau regulieren. Am einen Ende der Skala steht der Zen Mode, in dem einfach alle Kommentare weggefiltert werden, auf der anderen ist es das lautmalerisch sehr gut getroffene Blaring, also Plärren.

Ideen-Inkubator Jigsaw

Entwickelt wurde das Programm von Googles Ideen-Inkubator Jigsaw. Hier widmet man sich der Aufgabe, aus dem Internet wieder einen besseren Ort zu machen. Obwohl man darauf hinweist, dass sich die Software noch in einem Experimental-Stadium befindet, funktioniert sie erstaunlich gut. Tune basiert auf einem dortigen Projekt namens Conversation-AI. Es handelt sich also um eine künstliche Intelligenz. Nachdem ein paar Millionen Menschen der Software vorgegeben haben, was sie als verletzend und beleidigend empfinden, glaubt man, recht gut einschätzen zu können, welche Art der Ansprache angemessen ist und welche nicht. Bislang durften nur große Zeitungen wie die New York Times und der Guardian, aber auch die Wikipedia mit der Software experimentieren, in der Hoffnung, die marodierenden Nutzerhorden in ihren Kommentarbereichen unter Kontrolle zu kriegen.

Jetzt hat also auch der Endnutzer Zugang zu der Technologie. Noch funktioniert die Software zwar nur auf Englisch, dafür aber auch auf sämtlichen großen Social-Media-Plattformen wie Facebook, Twitter, Youtube, Reddit sowie dem Online-Dienst Disqus, der die Kommentarbereiche vieler großer Blogs unterhält. Genau diese Seiten zeigen sich ja, was das Filtern von Inhalten angeht, erfahrungsgemäß sehr verhalten. Schließlich gehört dort die Eskalation gewissermaßen zum Geschäftsmodell: Wer sich aufregt, greift eher in die Tasten als jemand, der seine Weltsicht bestätigt sieht. Damit rassistische Gruppen und White-Supremacy-Prediger gesperrt werden, bedarf es bei Facebook leider erst eines Attentats wie zuletzt im neuseeländischen Christchurch.

Führt Tune nun zu einem besseren Diskursklima im Netz? Chrome hat einen weltweiten Marktanteil von mehr als 70 Prozent. Wenn nun jeder Nutzer die Software installieren würde, wäre das Netz damit zwar noch kein Zen-Garten, aber doch ein wesentlich friedlicherer Ort als heutzutage. Bleibt nur die Frage, ob das Ausblenden überhaupt der richtige Weg ist. Denn nur weil die Hass-Kommentare nicht mehr sichtbar sind, heißt es ja noch lange nicht, dass auch die Menschen verschwinden, die sie verfassen. Überlässt man ihnen nun nicht Haus und Hof? Werden sie dadurch nicht noch weiter radikalisiert? Kann, nein, darf man sich der Schlechtigkeit der Welt einfach so verschließen?

Tune ist die logische Konsequenz eines schon seit langer Zeit im Internet beinahe festgeschriebenen Gesetzes, das den Umgang mit solchen Gestalten regelt. Es lautet: Don't feed the troll. Das bedeutet, dass man den gehässigen Nutzern keine Aufmerksamkeit schenken soll. Dann würden sie schon irgendwann das Interesse verlieren. Es ist die digitale Entsprechung jener Weisheit, die einem schon die Eltern mit auf den Weg gegeben haben, um mit Schulhof-Rowdies fertig zu werden - und die schon damals die meiste Zeit nicht funktioniert hat.

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