Chips aus Plastik:Der biegsame Computer

Belgische Forscher entwickeln den ersten Prozessor aus Plastik. Damit könnten Computer künftig noch flacher werden - und sehr viel billiger. Das Ende der Silizium-Ära?

Helmut Martin-Jung

Es ist nur eine Folie aus Polycarbonat, billiges Plastik von der Art, die man benutzt, um die Brotzeit einzuwickeln oder um Getränkeflaschen herzustellen. Doch sie enthält das, was die Welt verändert hat wie wenige andere Erfindungen des Menschen: Transistoren.

CeBIT 2008

Prozessoren aus Silizium könnten bald der Vergangenheit angehören: Ist Plastik das Material der Zukunft?

(Foto: ddp)

4000 davon haben Wissenschaftler des renommierten belgischen Nano-Forschungsinstituts Imec vor kurzem auf einer Fläche von zwei Quadratzentimetern untergebracht und verschaltet - und damit den ersten Computer-Prozessor aus flexiblem Plastik entwickelt. Neigt sich also die Ära des anorganischen Halbleitermaterials Silizium, aus dem die heutigen Chips gefertigt werden, dem Ende zu?

Wenn es jemals dazu kommt, dann wird es zumindest noch ziemlich lange dauern. Bei Prozessoren aus Silizium, wie sie in aktuellen Computern stecken, sind die kleinsten Strukturen 32 bis 45 Nanometer dünn.

Auf der Fläche eines Centstücks lassen sich damit zwei Prozessoren mit Milliarden von Transistoren unterbringen und dazu noch Recheneinheiten für die Graphik- und Musikausgabe. Der Plastik-Chip ist verglichen damit ein Riese - aber ein Zwerg, was die Rechenleistung angeht. Sie entspricht etwa der eines gewöhnlichen Taschenrechners aus den siebziger Jahren.

"Von einer Anwendung im Produkt ist das noch weit entfernt", sagt Karlheinz Bock, Professor für Polytronische Mikrosysteme an der TU Berlin und Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für modulare Festkörper-Technologien in München. Der Plastikprozessor zeige aber, was potentiell in dieser Technik stecke.

Dünne, billige Foliencomputer

Zwei Eigenschaften des Materials sind es vor allem, die ihm eine aussichtsreiche Zukunft versprechen: Plastik ist billig zu fertigen und im Gegensatz zu Silizium mit seiner Kristallstruktur lässt es sich leichter biegsam produzieren. Das macht Bauformen möglich, die sich derzeit kaum realisieren lassen.

So könnten in einigen Jahren einmal Folienbildschirme hergestellt werden, auf denen nicht bloß die Bildpunkte aus organischem Material sind - sondern auch die Elektronik, die sie ansteuert; das Funkmodul, über das die Inhalte geladen werden; die Batterie und die Elektronik, mit der diese drahtlos aufgeladen werden. Weitere Anwendungsfälle sind elektronische Teststreifen etwa zur Blutzucker-Kontrolle.

Anwendungen wie diese hat beispielsweise das Projekt Cosmic im Sinn, an dem mit EU-Mitteln Forschungseinrichtungen und Privatfirmen aus sechs europäischen Ländern daran arbeiten, wie sich Chips aus Kunststoff nicht bloß im Labormaßstab herstellen lassen, sondern mit Druckverfahren in großen Stückzahlen und vor allem kostengünstig.

Mängel bei der Zuverlässigkeit

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Zuverlässigkeit solcher Chips. Dabei schneidet Kunststoff im Vergleich zu Silizium bisher noch nicht gut ab. Weil das Material keine so regelmäßige Struktur hat wie Silizium, gleicht nach dem bisherigen Stand der Technik kaum einer der Kunststoff-Transistoren dem anderen.

Vieles können sich die Forscher aus einer verwandten Disziplin abgucken: Kunststoff-Leuchtdioden finden sich bereits bei Anzeigen von Handys. Das Material lässt sich dünn verbauen und braucht keine Hintergrundbeleuchtung.

Bis sich Elektronik massenhaft herstellen lässt, die nur aus Kunststoff besteht, gehen die Forscher Mittelwege, bei denen Plastik und Silizium verbunden werden. Denn zum Beispiel ist das Stück Silizium, mit dem ein Joghurtbecher sein Verfallsdatum an einen intelligenten Kühlschrank melden kann, nicht größer als ein Salzkorn.

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