Chiphersteller Intel vs. ARM:Kampf des Riesen gegen den Zwerg

Mit Branchengröße Intel und der aufstrebenden britischen Firma ARM ringen zwei ungleiche Rivalen um den Computerchip der Zukunft. Bislang stecken ARM-Chips vor allem in Smartphones, doch die Firma wildert jetzt auch im Revier von Intel.

Varinia Bernau

Paranoia sei überlebenswichtig. Nur wer überall eine Gefahr wittere, der werde sich in der Geschäftswelt behaupten. Das schrieb Mitte der neunziger Jahre Andrew Grove, einer der Mitbegründer und langjähriger Chef des weltweit größten Chipherstellers Intel. "Früher oder später wird sich etwas Grundlegendes ändern."

Intel to Announce Earnings

Ein Intel-Chip

(Foto: via Bloomberg)

Man darf davon ausgehen, dass sein Nachfolger Paul Otellini diese Zeilen gelesen hat. Vielleicht hat er sie sogar im Kopf, wenn er in Las Vegas die Bühne betritt. Bis zum Freitag werden dort auf der Consumer Electronics Show die neuesten technischen Spielzeuge gezeigt: dünne Computer; Programme, die sich aus der Ferne mit Sprache und Gesten steuern lassen. Und Otellini liefert mit seinen Chips das Herzstück zu all diesen Dingen. Die Frage ist nur: Liefert er auch noch das Herzstück zu all den Gadgets von morgen?

Der grundlegende Wandel, von dem Grove sprach, hat begonnen.Manager Otellini weiß das. Im Gepäck wird er deshalb aller Voraussicht nach erstmals auch Smartphones haben, in denen die Technologie aus dem Hause Intel steckt. Ausgerechnet die Alleskönnerhandys, von denen inzwischen mehr verkauft werden als von klassischen PCs, kommen noch gänzlich ohne Intels Chips aus. Doch der Konzern aus dem Silicon Valley überlässt dieses Feld nicht kampflos den aufstrebenden Rivalen. Es geht um die Zukunft.

Bauteile für große Kisten

313 Milliarden Dollar schwer ist der weltweite Chipmarkt. Intel streicht davon fast ein Fünftel ein. Noch. Denn der Konzern liefert vor allem die Bauteile für die großen Kisten, für Computer und Server. Es sind Chips, die Enormes leisten, aber auch enorme Mengen an Strom fressen. Über Jahrzehnte hinweg war das egal. Aber seit Computer nicht mehr am Kabel hängen, sondern unterwegs zum Helfer in allen Lebenslagen geworden sind, kommt es auf Sparsamkeit an.

Und genau damit kennt sich ARM aus: In 95 Prozent aller Smartphones steckt die Technologie des britischen Chipdesigners. Und ohne große Hürden hat das Unternehmen auch den Sprung in den boomenden Markt der Tablets genommen. Die Analysten des Marktforschers Gartner schätzen, dass von den flachen Rechnern, die sich per Fingerstreich bedienen lassen, in diesem Jahr fast doppelt so viele verkauft werden wie 2011. Von solchen Wachstumsaussichten sind PCs weit entfernt.

Der Kampf um den Chip von morgen ist ein Kampf zwischen einem Riesen und einem Zwerg. Mit 100 000 Mitarbeitern macht Intel jährlich einen Umsatz von etwa 53,8 Milliarden Dollar. Um sich unabhängig von Zulieferern zu machen, betreibt der Konzern zwölf Fabriken, quer über den Globus verteilt. Und er gibt mehr für die eigene Forschung aus als ARM umsetzt. Aber wie schrieb schon Gründer Grove: Wer sich für unangreifbar halte, der habe bereits verloren.

Kleiner und wendiger

ARM ist zwar kleiner, aber auch wendiger. Keinen einzigen Chip fertigen die Briten selbst. Sie sind so etwas wie ein branchenübergreifendes Labor, in dem sich mehr als 200 Hersteller bedienen. ARM kassiert Lizenzgebühren. Ein bis zwei Prozent des Chippreises sind es nur. Doch das rechnet sich: Der Jahresumsatz liegt bei etwa 476,95 Millionen Pfund. Das Unternehmen hat zwar nur 1700 Mitarbeiter - aber mächtige Allianzen.

Dazu zählen nicht nur die Hersteller von Halbleitern wie Nvidia, Qualcomm oder Texas Instruments, sondern auch Hersteller von Telefonen, Spielekonsolen oder Fernsehern sowie Softwarefirmen. Nach deren Bedürfnissen entwirft ARM die Chips - und lässt ihnen zugleich die Wahl, Prozessoren beliebig zu erweitern. Das erklärt, warum Intel seine Chips den Fertigern von Smartphones bislang nicht schmackhaft machen konnte - selbst wenn sich die Amerikaner mit der Mobilfunksparte des deutschen Chipherstellers Infineon vor eineinhalb Jahren einiges an Fachwissen eingekauft haben.

Noch bedrohlicher ist die Lage für den Riesen aus dem Silicon Valley, weil sich der Zwerg angriffslustig zeigt: ARM will sich nicht mehr länger mit dem Kleinkram begnügen. Das Unternehmen stößt seinerseits in das Revier von Intel vor. Im vergangenen November hat der Computerhersteller Hewlett-Packard ein neues Konzept für Rechenzentren angekündigt, das mit Prozessoren der ARM-Architektur arbeitet. Das Versprechen: Im Vergleich zu herkömmlichen Server-Systemen sollen der Energieverbrauch um mehr als 80 Prozent, der Platz um mehr als 90 Prozent und die Betriebskosten des Rechenzentrums um mehr als 60 Prozent sinken.

Das digitale Rückgrat

Die ersten Server will HP bis zum Sommer ausliefern. Die Rechnung dahinter: Je mehr Menschen in sozialen Netzwerken wie Facebook Fotos und Filmchen ausstellen, je mehr Firmen Personaldaten und Präsentationen ins Internet auslagern, desto größer wird das Verlangen, dass das digitale Rückgrat dahinter möglichst wenig Strom frisst und möglichst wenig Platz wegnimmt. Desto größer wird das Verlangen nach den auf Effizienz getrimmten Computerchips.

Für ARM und Intel geht es nicht nur darum, die bereits eingenommenen Bastionen zu verteidigen. Die Unternehmen wollen auch neues Terrain abstecken: Das Internet der Dinge. Hinter dem Zauberwort steckt eine durch und durch vernetzte Welt.

Winzige Chips auf Joghurtdeckeln, die dem Kühlschrank das nahende Verfallsdatum mitteilen; eingewebt in Hosen, die in der Kleiderfabrik jeden Fertigungsschritt dokumentieren; montiert ins Armaturenbrett von Autos, um einen Vorschlag zu machen, wie der Stau umfahren werden könnte. Nach Schätzung des Netzwerkausrüsters Cisco sind im Jahr 2020 weltweit über 50 Milliarden Geräte mit dem Internet verbunden. 2010 waren es gerade einmal 12,5 Milliarden Geräte.

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