Cebit-Trends:Kuchenbacken auf der Autobahn

Das vernetzte Haus ist seit Jahren eine Vision, die immer wieder auftaucht. Auch auf der Cebit 2007 steht Technik im Mittelpunkt, die auf Knopfdruck die Heizung regelt oder die Jalousien herunterlässt.

Helmut Martin-Jung

Sind denn die Fenster daheim wirklich zu? Ist der Herd ausgeschaltet? Typische Fragen, die sich auftun, wenn die ersten Kilometer Autobahn auf der Urlaubsreise hinter einem liegen. Fragen, für die man umkehren kann, Tante Erna anrufen, seinen Nachbarn - oder aber auch sein eigenes Haus.

Cebit-Trends: Jalousien, Licht, Musik - im Berliner T-Com-Haus lässt sich alles zentral steuern.

Jalousien, Licht, Musik - im Berliner T-Com-Haus lässt sich alles zentral steuern.

(Foto: Foto: dpa)

So nämlich sieht sie aus, die Vision vom vernetzten Heim, von der Wohnung, die mitdenkt und sich übers Handy aus der Ferne steuern lässt.

Der vielbeschworene Internet-Kühlschrank hingegen, der Milch beim Online-Händler nachordert,"der war der Running Gag einer Haustechnik, die es so nie gegeben hat", sagt Viktor Grinewitschus vom Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme in Duisburg.

"Praxisfern" sei das gewesen und insofern ein Beispiel, das oft benutzt werde, um zu zeigen, wie die ganze Vernetzung auch übertrieben werden könne.

Mittlerweile ist praxisnahe Technik erneut in den Mittelpunkt des Interesses gerückt; auf der diesjährigen Cebit spielt sie eine wichtige Rolle. Drei Bereiche sind es vor allem, in denen noch geforscht wird, in denen aber auch schon erste Lösungen auf den Markt kommen.

Da sind zum einen heimische Geräteparks: MP3-Spieler, Digitalkameras, digitale Videorekorder, Computer - in den meisten Haushalten existieren sie nebeneinander her.

Eines für alles

Das möchte vor allem die Unterhaltungsindustrie ändern. Ein zentraler Computer fürs ganze Haus beispielsweise könnte in Zukunft Bild-, Musik- und Videodateien speichern und bei Bedarf an ein Ausgabegerät liefern: an einen großen Bildschirm im Wohnzimmer etwa oder auch an die tragbare Spielekonsole. Der Zentralrechner würde sich in diesem Fall auch darum kümmern, dass die Lieblingsendungen automatisch aufgezeichnet werden.

Der zweite Schwerpunkt liegt auf dem Energiesparen mittels intelligenter Haustechnik. "Wenn die Heizung zeitgesteuert würde, ließe sich bis zu einem Drittel der Energie einsparen", sagt Grinewitschus. Er beruft sich dabei auf eine aktuelle Studie des Dienstleisters Techem, der im Auftrag der Wohnungswirtschaft Energie- und Wasserverbrauch gemessen hat.

Unnötig viel Strom

Größter Heizenergieverbraucher in der Wohnung ist demnach das Badezimmer. Nur kurze Zeit genutzt, aber immer schön mollig warm - dafür werden in deutschen Bädern durchschnittlich 159 Kilowattstunden an Energie pro Quadratmeter und Jahr verheizt; in den Wohnzimmern sind es nur 116.

Ohnehin ist die Energiedebatte in der High-Tech-Industrie angekommen. Viele PC, Bildschirme, Server, Drucker und Handys verbrauchten unnötig viel Strom, findet die Vorsitzende des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Edda Müller.

"Es wird höchste Zeit, dass die Energiefresser vom Markt verschwinden." Sie forderte ein neues Öko-Label speziell für Computer, sodass Kunden verbrauchsarme Geräte aussuchen können.

Kuchenbacken auf der Autobahn

Auf einen Blick informiert

Cebit-Trends: Alles im Griff: Die Fernbedienung fürs Haus lässt sich beispielsweise auf einem Smarphone integrieren.

Alles im Griff: Die Fernbedienung fürs Haus lässt sich beispielsweise auf einem Smarphone integrieren.

(Foto: Foto: dpa)

Unter anderem um Fragen der Effizienz geht es auch im dritten Bereich der Vernetzungstechnik, dem sogenannten Assistenz-Wohnen. In der Stadt Hattingen im Ruhrgebiet hat die dortige Wohnstättengenossenschaft bereits komplett vernetzte Mietwohnungen im Angebot.

Sie verfügen über ein zentrales Bedienfeld im Wohnzimmer, auf dem beispielsweise mit einem Blick erkennbar wird, welche Fenster geöffnet oder wo die Rollläden zu sind. Ein unter dem Bett angebrachter Bewegungsmelder schaltet automatisch das Licht ein, wenn man nachts aus dem Bett steigt.

Lärm mit Gegenlärm bekämpfen

Ein Projekt des Fraunhofer-Institutes für Bauphysik in Stuttgart widmet sich einem gänzlich anderen Problem. Lautsprecher, die neben dem Bett angebracht sind, sorgen nicht etwa für Schlummermusik, sondern bekämpfen Verkehrslärm.

Ein Computer analysiert den Lärm und produziert sogenannten Gegenschall - einem Berg jeder Schallwelle wird ein Tal entgegengesetzt und umgekehrt. Theoretisch heben sich beide auf, in der Praxis lässt sich der Lärm zumindestens stark verringern.

Voller elektronischer Helfer

Weil jede Vernetzung erst einmal ein technisches Netz braucht, kommt sie in erster Linie für Neubauten oder bei Komplettsanierungen in Betracht. Über Funk lässt sich nicht alles steuern. Ein Rauchmelder beispielsweise funktioniert auch mit Batterie, aber um Herd oder Bügeleisen auszuschalten, sobald ein Brand registriert wird, braucht es den Zugriff auf die Verkabelung.

Weitgehend verwirklicht ist diese Komplett-Vernetzung im Duisburger InHaus, einem gemeinsamen Projekt des Fraunhofer-Institutes Duisburg mit Partnern aus der Industrie. Auch das Münchner Haus der Gegenwart oder das T-Com-Haus in Berlin stecken voller elektronischer Helfer, die sich von außen steuern lassen.

Nicht zuletzt die Diskussion um CO2-Emissionen und das immer teurer werdende Öl hat das Interesse an vernetzten Häusern stark ansteigen lassen, mit denen Energie gespart werden kann.

"Man kann heute schon was tun", sagt Fraunhofer-Mann Grinewitschus, der beispielsweise die derzeit geführte Diskussion um Energiesparlampen "ein bisschen daneben" findet. "Es wäre schlauer, sich auf die wirklichen big points, auf das Wichtige zu konzentrieren."

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