Cebit-Trends 2009:Eingeborene im Netz

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Computer, Internet und Handy haben die Arbeitswelt revolutioniert. In der Krise wird sich der Wandel noch beschleunigen.

Thorsten Riedl

Wie war das früher? Da haben sich Kollegen wohl noch in ihren Büros besucht und Unterlagen vorbeigebracht, statt E-Mails mit Anhängen zu versenden. Wem ein Wort fehlte, der hat in einem Lexikon aus Papier nachgeschlagen - statt bei Google 266.000 Treffer in genau 0,2 Sekunden für das Fremdwort "Usance" zu finden, an erster Stelle Wikipedia, die neuzeitliche Online-Version einer Enzyklopädie.

Drei Viertel der Zuwächse bei der Arbeitsproduktivität lassen sich schon jetzt direkt auf den Einsatz von Computer und Handy zurückführen. (Foto: Foto: AP)

Und wer nach Feierabend schauen wollte, welche Nachrichten ihm Kollegen, Kunden oder Vorgesetzte geschickt haben, der musste ins Büro fahren, statt sein Blackberry-Handy einzuschalten und E-Mails zu checken. Keine Frage: Computer, Internet und Mobiltelefon haben das Arbeitsleben radikal umgekrempelt - und die Wirtschaftskrise beschleunigt den Wandel künftig noch.

Drei Viertel der Zuwächse bei der Arbeitsproduktivität lassen sich in Europa laut einer Studie von Microsoft schon jetzt direkt auf den Einsatz von Computer und Handy zurückführen. Dabei dienen die modernen Werkzeuge der IT- und Telekommunikationsbranche schon lange nicht mehr nur den Büroarbeitern. Auch in traditionellen Handwerksberufen sind die Kollegen Computer und Mobiltelefon nicht mehr wegzudenken.

Turbo-Internet und mobiles Surfen

Während in den 70er und 80er Jahren der Einzug der Rechner das Arbeitsleben revolutioniert hat, in den 90ern und später das World Wide Web, zeichnen sich jetzt die nächsten Änderungen ab: durch das Turbo-Internet, mobiles Surfen und das Heranwachsen einer Generation von Beschäftigten, die mit dem Netz groß geworden sind. Tempo bekommt die Entwicklung noch durch die Rezession. Die kommenden Technologien versprechen wie schon der vorangegangene Wandel erneut sinkende Ausgaben. "Der Druck, Kosten zu sparen, ist auf der Prioritätenliste der Kunden von Stelle acht auf eins gestiegen", sagt Volker Smid, Deutschlandchef von Hewlett-Packard.

Die heute 20- bis 30-Jährigen kennen sich aus: Das Telefonieren über Internet, im Branchenjargon Voice over IP, und Begriffe wie twittern - Twitter ist ein Kurznachrichtendienst im Netz - oder googeln für das schnelle Suchen gehören zum Alltag. Von "Digital Natives" ist bei dieser Generation die Rede, von Eingeborenen im Netz - die eine Welt ohne das Internet gar nicht mehr kennen.

Die Generation Web legt höchsten Wert auf die neueste Technik, auch beim Arbeitgeber. In einer Studie der Unternehmensberatung Accenture sagen das 67 Prozent der Befragten. Für ihre Kommunikation spielen E-Mails längst eine untergeordnete Rolle. Fast die Hälfte der jungen Berufstätigen will lieber über Soziale Netzwerke wie Xing oder Facebook kommunizieren. Mehr als ein Drittel zieht Instant Messaging, das Verschicken von kurzen Chat-Nachrichten, der E-Mail oder dem Telefon vor.

Für Unternehmen bedeutet dies, dass die aus dem Web 2.0 bekannten Technologien Einzug halten unter den Kollegen: Wikis beispielsweise, um firmeninternes Wissen zu dokumentieren, Blogs für das Verbreiten von Neuigkeiten, oder Social-Bookmarking-Werkzeuge, mit denen unternehmensweit wichtige Adressen im Internet gesammelt werden, empfiehlt IBM als erste Schritte.

Das sei besonders wichtig für international tätige Unternehmen, sagt David Faller, zuständig für Web 2.0 im Forschungs- und Entwicklungszentrum von IBM in Böblingen. So habe man beim zweitgrößten IT-Unternehmen der Welt früher auf Kommunikation in Kaffee-Ecken gesetzt. "Heute arbeiten internationale Teams in Projektgruppen oft nur kurzfristig zusammen. Das erschwert den Aufbau von Beziehungen", sagt er. Mittlerweile verwende IBM daher Internet-Werkzeuge, mit denen die Mitarbeiter untereinander ihr Wissen austauschen und kommunizieren.

Rasanter Wandel bei den kurzen Lebenszyklen

Nicht überall geht es so schnell wie bei IBM, das Unternehmen aus der IT-Branche ist rasanten Wandel bei den kurzen Lebenszyklen der Industrie gewohnt. Andere brauchen länger - aber auch für sie werden die neuen Werkzeuge interessant, gerade jetzt durch die Wirtschaftsflaute. Die Anbieter aus der IT- und Telekommunikationsbranche wissen, wie sie ihre Kunden zu fassen bekommen: über die Kosten. Bestes Beispiel für eine neue Technologie, die sich auf diese Weise verkaufen lässt: Videokonferenzsysteme.

Die modernen Konferenzräume, in denen sich die Manager zum Gespräch mit Kollegen oder Kunden treffen, haben nichts mehr gemein mit ruckeligen Konferenzen auf kleinen Bildschirmen in den Anfangsjahren der Technik. Wer sich heute zu einem Meeting vor dem Bildschirm trifft, hat das Gefühl, sein Gegenüber halte sich im selben Raum auf. Die Systeme nutzen dazu eine hochauflösende Videodarstellung; das gibt ein besseres Bild als beim TV zuhause. "Telepresence wird allgegenwärtig", sagt Chris Dedicoat, Europachef von Cisco.

Solche Systeme gibt es auch von Hewlett-Packard oder Polycom, doch der US-Netzausrüster vermarktet die eigenen Produkte am aggressivsten. Seit Verkaufsstart 2006 hat Cisco mehr als 1000 Telepresence-Systeme verkauft - und das bei einem Preis für die größte Version von 300000 Dollar. Wieso setzen trotzdem die Vorstände von SAP oder die Geschäftsführung der Media-Saturn-Holding die Systeme im eigenen Unternehmen ein? Die Rechnung ist einfach: Jedes Video-Treffen spart Reisekosten - und Zeit, die den Vorständen entsprechend kostbar ist.

Bei Cisco arbeitet man an der Weiterentwicklung: Bald werden Simultanübersetzungen per Computer möglich sein. Dann können Spanier und Chinesen oder Deutsche und Russen per Video konferieren, ohne dass sie die jeweilige Muttersprache ihres Geschäftspartners verstehen. Außerdem werden die Systeme so klein und handlich, dass Konferenzen in Zukunft im heimischen Wohnzimmer abgehalten werden - wenn alles klappt wie geplant zum Preis, der einem handelsüblichen Fernseher entspricht.

Mit solchen Videokonferenzsystemen könnten Heimarbeiter problemlos mit ihren Kollegen im Büro kommunizieren und immer im Bild sein. Vor diesem Szenario scheint der von der Bundesregierung geplante Ausbau der Breitbandnetze auf ein Tempo von 50 Megabit pro Sekunde bis zum Jahr 2018 sinnvoll. Zum reinen Surfen im Internet oder dem Versenden von E-Mail reichen die Geschwindigkeiten aktueller Internetzugänge schon bei weitem aus.

Das Turbonetz dagegen ermöglicht neue Formen der Zusammenarbeit, gerade in Kombination mit Mobilfunknetzen, in denen auch schon Durchsatzraten von 20 Megabit pro Sekunde getestet werden. Der Engpassfaktor allerdings bleibt der Mensch: So sind in Japan alle Voraussetzungen gegeben, die hierzulande erst aufgebaut werden müssen. Was hilft's? Heimarbeit per PC ist in Fernost verpönt.

© SZ vom 27.02.2009/mri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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