Campus Party Europe in Berlin:Zehntausend feiern Festival der Geeks

Auf der Campus Party in Berlin treffen sich nicht etwa 10 000 Studenten, sondern High-Tech-Fans aus aller Welt. Sie tauschen Ideen aus und diskutieren über Zukunftstechnologien. Bei all dem feiern die Sponsoren kräftig mit.

Leonard Goebel

Irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Seine Augen sind weit aufgerissen, drehen sich hin und her. Wenn ein Hindernis in Sicht ist, nimmt er eine andere Richtung. Er spricht nur selten und recht leise. Aber das alles ist es nicht, was Markus Knapp beschäftigt. Er ist genervt, weil die Kamera seines Roboters kaputt gegangen ist.

Campus Party Berlin 2012

Die Start-Up-Szene in Berlin ist eine der lebendigsten in Europa. Konsequenterweise findet dort in diesen Tagen auch die Campus Party Europa statt.

(Foto: Getty Images)

Drei Jahre lang hat Knapp an dem PC-großen Kasten gearbeitet. Hat ihm beigebracht, auf vier Rädern zu fahren und mithilfe eines Laserscanners selbständig die Richtung zu wechseln, wenn der Weg versperrt ist. Hat ihm eine Stimme gegeben und eine Funkverbindung für die nonverbale Kommunikation. Hat ihn mit Musikanlage, Bildschirm und Blinklichtern ausgestattet. Und mit einer Kamera. Aber die ist jetzt kaputt. Ausgerechnet bei der Campus Party.

Die Campus Party ist ein Festival für Technikfreaks. Für Programmierer, Bastler, Spieler, Hacker und alle, die Ideen für die digitale Welt der Zukunft haben. 10 000 von ihnen haben sich seit Dienstag für fünf Tage in Berlin einquartiert, in der Vorhalle des ehemaligen Tempelhofer Flughafens. Außer ihren Zelten sind dort lange weiße Tischreihen mit Laptops und Lan-Kabeln untergebracht, dazwischen neun Bühnen, auf denen Vorträge und Diskussionen stattfinden. Es gibt abgetrennte Bereiche für Workshops.

Es ist die erste Campus Party in Deutschland und die größte, die es bisher gab. 1997 kamen erstmals 250 sogenannte Campuseros in Spanien zusammen. Und noch immer kommt ein Großteil der Teilnehmer und Organisatoren von dort. Inzwischen ist die Campus Party international geworden - und hat politische und wirtschaftliche Relevanz bekommen. Sponsoren wie Telefonica, Google oder Microsoft haben das kreative Potenzial der Veranstaltung für sich entdeckt.

Wirtschaftsminister und EU-Kommissarin lassen sich blicken

Auch die Europäische Kommission will es nutzen: EU-Kommissarin Neelie Kroes kam gestern nach Berlin, um Ideen für eine neue Digitale Agenda zu sammeln. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, Bestsellerautor Paulo Coelho und der israelische High-Tech-Pioneer Yossi Vardi waren ebenfalls schon da. "Dieses Event ist eine Kirche für die säkulare Religion der Internet-Generation", sagt Vardi.

Markus Knapp ist ein Anhänger dieser Religion. Er twittert, bloggt und stellt Podcasts auf seine Internetseite, deren Adresse auf sein schwarzes T-Shirt gedruckt ist: robotiklabor.de. Über Umwege wurden die Veranstalter auf ihn aufmerksam und luden ihn auf die Campus Party ein. "Es ist einfach überwältigend hier, der Austausch mit den Leuten, die ganze Atmosphäre", sagt er. Eigentlich ist er Leiter einer IT-Abteilung im Reisekonzern Tui. Nach der Arbeit bastelt er an seinem Roboter. Oder an einem Fluggerät, das er zusammen mit einem Gleichgesinnten programmiert - via Skype. Ein Ziel gibt es dabei nicht. "Das ist wie bei Lego früher. Wenn es fertig ist, wird es langweilig", sagt Knapp. High-Tech ist sein Hobby. Und die Campus Party ein riesiger Hobbyraum.

Akademie für Start-Ups in München

Doch sie ist auch ein Geschäft. Weniger mit den Karten für die Campuseros, die nicht eingeladen wurden. Die sind mit 128 Euro für fünf Tage recht günstig. Aber um die Campuseros herum hat sich ein großes Netzwerk aus Unternehmen gespannt, die den Anschluss zur kreativen New-Media-Generation suchen. Google hat eine Gründer-Garage aufgebaut, Samsung bietet Workshops im Tempelhofer Flughafen an.

Campus Party Berlin 2012

Temporäre Zeltstadt Tempelhof: Sogar feiernde Geeks müssen schlafen.

(Foto: Getty Images)

Der Hauptsponsor der Campus Party, das spanische Kommunikationsunternehmen Telefonica, wählte am Freitag neun Start-Up-Unternehmen aus, die nun ein Jahr lang in eine Akademie in München ziehen dürfen. Dort erhalten sie neben den Büroräumen Unterstützung von Fachleuten - und nicht zuletzt Startkapital. Im Gegenzug sichert sich Telefonica über ihre Tochterorganisation Wayra den Zugang zu guten Ideen und eine zehnprozentige Beteiligung an den jungen Unternehmen. "Unser Ziel ist es, ein weltweites Netzwerk von lokalen Silicon Valleys aufzubauen", sagt Tanja Kufner, Akademieleiterin von Wayra Germany. In elf verschiedenen Ländern fördert Wayra bisher 151 Start-Ups.

Im September ziehen erstmals Gründer nach München. Mit dabei ist Lukas Steinbacher. Der 31-jährige Österreicher hat gemeinsam mit seinem 28-jährigen vietnamesischen Partner An Tran eine Software entwickelt, mit der Lehrer, Professoren oder Trainer Lern-Apps für Smartphones erstellen können - ganz ohne Programmierkenntnisse, sagt Steinbacher. "Wir wollen es so einfach wie möglich machen, damit jeder sein Unterrichtsmaterial auf mobile Geräte übertragen kann."

Cleverlize nennen sie ihr Unternehmen, für das sie nun in München ein genaues Geschäftskonzept ausarbeiten werden. Außerdem soll die Software noch einfacher und intelligenter werden, um den Unterrichtenden möglichst gut bei der Erstellung der App zu unterstützen, ihm beispielsweise geeignete Aufgabentypen zu empfehlen. "Wir haben schon zwei Universitäten, die an einer Lizenz für die Software interessiert sind", so Steinbacher. Dozenten könnten dann ihren Studenten mit ein paar Klicks ermöglichen, den Vorlesungsstoff mobil zu wiederholen. Eine erste Lern-App für englische Grammatik, die Steinbacher und Tran gemeinsam mit einem Lehrer entwickelt haben, wurde schon mehrere hunderttausend mal heruntergeladen.

Damit haben sie die achtköpfige Jury überzeugt, vor der sie ihre Idee auf der Campus Party präsentieren mussten. Gegen 268 Bewerber haben sie sich durchgesetzt. Ein solcher Ideenwettbewerb ist Jochen Enderlein fremd. Der 55-jährige Hamburger hat unter anderem eine Maschine gebaut, die E-Mails empfängt und direkt auf eine Kassenzettelrolle druckt - alles im viktorianischen Stil. Steampunk nennt sich dieses Hobby und Enderlein ist auf der Campus Party, um jungen Leuten eine Einführung darin zu geben - samt technischen Geheimnissen. "Das Ganze ist einfach ein riesiger Spaß", sagt er.

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