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"Call of Duty: Warzone" im Test:Im Krieg gibt es keine Teddybär-Masken

In der Corona-Pandemie ist der Ego-Shooter "Call of Duty: Warzone" für Millionen Menschen das Computerspiel der Stunde. Das Spielprinzip ähnelt "Fortnite", aber sonst ist vieles anders.

Spieletest von Caspar von Au

Kein blauer Schulbus, kein Gehupe, keine Teddybärmasken. Stattdessen ein wuchtiges Militärflugzeug, Explosionen, Soldaten, die sich aus dem Frachtraum des Fliegers in Richtung Schlachtfeld stürzen. Gleich in den ersten Sekunden wollen die Entwickler von "Call of Duty: Warzone" dem Spieler wohl verdeutlichen: Das hier ist Krieg und kein Kinderspielplatz. Das hier ist nicht Fortnite.

Dabei geht es in beiden Computerspielen um dasselbe. Die Spieler (in Warzone bis zu 150, in Fortnite bis zu 100) werden mit Fallschirm über einem großen Gebiet abgesetzt. Am Boden lassen sich verschiedenste Waffen finden. Schrotflinten, Maschinengewehre, Granaten. Wer das virtuelle Schlachtfeld als Einziger lebendig verlässt, gewinnt.

Battle Royale nennt sich das bei Gamern seit Jahren erfolgreiche Genre. Nach "PUBG", "Apex Legends" und Fortnite ist Warzone innerhalb dieses Genres für Millionen Gamer das Spiel der Stunde. Sein Publisher Activision-Blizzard meldete vor ein paar Tagen 30 Millionen aktive Spielerinnen und Spieler - das war zehn Tage nach Erscheinen. Auf der Livestreaming-Plattform Twitch, die ein guter Indikator für die Beliebtheit von Computerspielen ist, hat Warzone seit dem 10. März im Durchschnitt die meisten Zuschauer.

Schon am Tag seines Erscheinens sorgte Warzone für viel Durchlauf in den europäischen Internetleitungen. 9,1 Terabit pro Sekunde meldete der Internetknoten De-Cix in Frankfurt für den gesamten Datenverkehr am 10. März. Ein neuer Rekord, zu dem die Erweiterung des Ego-Shooters "Call of Duty: Modern Warfare" ihren Teil beigetragen hat. Das liegt zum einen an der Coronakrise. Weil mehr Menschen zu Hause bleiben, spielen auch mehr von ihnen am Computer. Außerdem ist Warzone kostenlos und unabhängig vom Grundspiel Modern Warfare spielbar. Der Anstieg des Datenverkehrs liegt aber auch an der Downloadgröße des Spiels. Wer Modern Warfare nicht schon installiert hat, muss mehr als 85 Gigabyte herunterladen.

Zweite Chance im Gulag

Die Datenmenge lässt sich unter anderem durch die Größe der Karte erklären. Kriegsschauplatz ist die fiktive russische Stadt Verdansk, die sich über mehrere virtuelle Quadratkilometer erstreckt. Auf dem Flughafen im Westen können Spieler in ein riesiges Wrack klettern und Flugzeughallen durchforsten, im Osten finden sich kleine Bauernhöfe und Felder. Verdansk hat ein riesiges Stadion, einen Hafen, viele Brücken und einen Staudamm. Die Stadtbezirke und Landschaften in Warzone wirken weitläufiger und abwechslungsreicher als in Fortnite oder PUBG.

Viele Dinge haben sich die US-amerikanischen Entwickler von Infinity Ward von den beiden Spielen dennoch abgeschaut. Im Verlauf jeder Runde wird der bespielbare Bereich der Karte stetig kleiner, bis am Ende nur noch ein wenige Quadratmeter großer Kreis übrig ist. Passend zur Atmosphäre in Warzone zieht sich ein Ring aus Giftgas zusammen. Spieler treten alleine oder in Dreierteams gegeneinander an. Glaubt man den Gerüchten, sind mit dem nächsten Update auch Zweier- und Viererteams möglich wie in PUBG und Fortnite.

Schon das Vorgängerspiel "Call of Duty: Black Ops 4" (2018) hatte einen Battle-Royale-Modus. Allerdings konnte sich der "Blackout" genannte Modus nicht richtig durchsetzen. Blackout ist ein solider Shooter, aber dem Spiel fehlt etwas, das es von den anderen Spielen des Genres abhebt. Das versucht Infinity Ward in Warzone anders zu machen - mit Erfolg. Wer im Spiel zum ersten Mal stirbt, hat nicht sofort verloren, sondern wird in einen Gulag geschleppt. In Warzone befindet sich im Zentrum des Gefängnisses eine kleine Arena. In der tritt der Spieler, meist nur mit einer Pistole bewaffnet, gegen einen anderen Spieler an, der draußen auf dem Schlachtfeld getroffen wurde. Der Sieger des Duells bekommt eine zweite Chance.

Mikrotransaktionen trüben Gesamteindruck

Im Team-Modus können außerdem Kollegen einen Spieler freikaufen. Das nötige Geld dafür finden sie zum Beispiel in Kisten, neben Waffen und Ausrüstung. Der Spieler muss sich aber nicht mit den gefundenen Gewehren zufriedengeben. Mit dem Geld kann er sich auch Teile seiner Lieblingsausrüstung dazu kaufen. Zusätzlich gibt es noch eine "Beutejagd" genannte Variante von Warzone. Dabei geht es nicht ums Überleben, sondern darum, welches Team am Ende einer Runde die meisten Dollarscheine hat. Eine unterhaltsame Abwechslung, wenn man genug vom Battle Royale hat.

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Weil Warzone kostenlos ist, strotzt das Spiel nur so vor möglichen Mikrokäufen. Ein virtueller Sticker, mit dem der Spieler sein Gewehr verzieren kann, kostet acht Euro, ein neuer Operator (also ein verändertes Aussehen der eigenen Spielfigur) kostet mehr als 20 Euro und ein seltenes Sturmgewehr mehr als 25 Euro. Zwar haben Spieler, die echtes Geld investieren, keinen direkten Vorteil in Warzone. Die meisten zukaufbaren Gegenstände sind kosmetischer Natur. Allerdings müssen neue Spieler die Waffen, die man mit Spielgeld auf dem Schlachtfeld kaufen kann, erst mühsam freispielen.

Auch wenn das den Gesamteindruck trübt, ist Call of Duty: Warzone dennoch ein unterhaltsames Computerspiel für Erwachsene und eine neue Interpretation des Genres. Gerade in Zeiten des verordneten sozialen Abstands stellt der Shooter einen möglichen Ausweg aus der Isolation dar. Viele nutzen die Gelegenheit, um sich online zu treffen und gemeinsam zu spielen. Vorausgesetzt, der eigene Rechner packt die hohen Systemanforderungen. Unklar ist, ob der anfängliche Hype die Krise überdauern wird. Konkurrent Apex Legend hat es vergangenes Jahr zumindest nicht geschafft, sich gegen die pinken Teddybären aus Fortnite durchzusetzen.

"Call of Duty: Warzone" ist für PC, Playstation 4 und Xbox One erhältlich.

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