Süddeutsche Zeitung

Börsengang des Jahres:Die Facebook-Welt von A bis Z

Wer glaubt, alles über Facebook zu wissen, täuscht sich: Wo Zuckerberg und Konsorten Rollhockey spielen, warum bekannte Persönlichkeiten Frühstücksbilder veröffentlichen und wie schwedische Pensionäre vom anstehenden Börsengang profitieren. Skurriles und kaum Bekanntes zum Internet-Portal der Stunde.

Nur wenige börsennotierte Unternehmen sind gleichzeitig Internet-Plattformen, und wohl kaum eines sorgt für so viel Fantasie, Zweifel und Aufmerksamkeit wie Facebook. Ein kleiner Blick auf das Unternehmen, die handelnden Akteure und die Facebook-Kultur, die unsere Gegenwart verändert.

A wie Angestellte

Mehr als 3000 Menschen arbeiten für Facebook, ein Teil davon dürfte sich im Zuge des Börsenganges über Aktienoptionen eine goldene Nase verdienen. Doch einen Job bei Facebook zu bekommen, ist nicht einfach: Während sich Programmierer zu Anfangszeiten in Hack-Wettbewerben gegeneinander durchsetzen mussten, müssen sie nun Fragen wie "Wie würden Sie eine Million Namen speichern und durchsuchbar machen?" beantworten. Das Hauptquartier ist für sein gutes Essen bekannt.

B wie Bilder

250 Millionen Fotos laden die 900 Millionen Facebook-Nutzer jeden Tag hoch. Weil das aber im Mobilbereich noch etwas umständlich ist, kaufte Mark Zuckerberg jüngst im Alleingang den mobilen Fotodienst Instagram. Welche Bilder Facebook löscht, kam vor einiger Zeit durch ein internes Dokument an die Öffentlichkeit: Bilder von Hass, Gewalt, Geschlechtsmerkmalen oder Drogen sind tabu - was unter anderem auch dazu führte, dass Fotos stillender Mütter aus dem Netz genommen wurden.

C wie China

Der weltweite Siegeszug der sozialen Netzwerks hat an Chinas Grenzen haltgemacht. Die Seite ist dort gesperrt, ein Einstieg ins Land wäre mit der Verpflichtung zu Zensur und Überwachung verbunden. Dennoch wird immer wieder gemutmaßt, dass Mark Zuckerberg gerne in den chinesischen Markt eintreten würde - womöglich nicht unter dem Namen Facebook, sondern in Partnerschaft mit einer chinesischen Firma. Er selbst spricht Chinesisch, seine Freundin Priscilla Chan ist chinesischer Abstammung.

D wie Datenschutz

Das größte Problem des Unternehmens: Die ständigen Funktionsänderungen gingen häufig damit einher, dass plötzlich Informationen öffentlich zugänglich waren, die eigentlich privat markiert waren. Weil Facebook alles analysiert, was ein Mitglied auf der Plattform tut, warnen Datenschützer vor dem gläsernen Nutzer. Die Firma hat in Europa mit einigen Zugeständnissen reagiert und zudem einen "Data Protection Officer" ernannt. Ob dieser wirklich Einfluss auf die Firmenpolitik haben wird, ist allerdings unklar.

E wie Eminem

56 Millionen Menschen gefällt Eminem - zumindest bei Facebook. Der Rapper ist damit der beliebteste Prominente eines Portals, auf dem sowieso kein Mangel an bekannten Persönlichkeiten herrscht. Die können sich über Tausende "Gefällt mir" freuen, selbst wenn sie nur ein Foto ihres Mittagessens oder wie Eminem nur Links zu eigenen Videos posten. Am Ende ist die direkte Kommunikation mit den Anhängern eben häufig doch nur PR.

F wie Freundschaft

100 Milliarden Freundschaften gibt es bei Facebook. Nicht die Summe, sondern die Struktur der Verbindungen ("Social Graph") macht das Unternehmen theoretisch zur am besten über die Menschheit informierten Organisation. Lange stritten digitale Denker darüber, ob a) wir wirklich Facebook-Kontakte "Freunde" nennen können und dies b) unser Konzept dessen, was Freundschaft bedeutet, verändert. Womöglich wäre es einfacher, würden wir Facebook einfach als Kontaktbuch betrachten.

G wie Geld

"Facebook ist und bleibt kostenlos", heißt es auf der Startseite, nachdem immer mal wieder Falschmeldungen über eine Mitgliedsgebühr kursierten. Das Unternehmen verdient über Anzeigen derzeit mehr als 800 Millionen Dollar pro Quartal, angetrieben von einem System, durch das Nutzer selber Werbung buchen können. Doch weil das Wachstum nicht unendlich ist, musste Facebook 2011 seinen Vertrieb um ein Drittel vergrößern. Dass auch Werbung häufig ein Nullsummenspiel ist, zeigt der Fall Procter & Gamble: Der Konzern kündigte an, seine Marketingabteilung zu verkleinern - weil man nun über Facebook die Kunden einfacher erreichen könne und auf klassische Anzeigen stärker verzichten wolle.

H wie Humor

Facebook-Witze haben sich hierzulande noch nicht durchgesetzt, sind in den USA aber Bestandteil der Late-Night-Kultur. Kostprobe gefällig? "Facebook soll 96 Milliarden wert sein. Das ist fast so viel Geld wie die Summe, die Unternehmen jedes Jahr verlieren, weil ihre Mitarbeiter bei Facebook Zeit verschwenden (Jay Leno)." Man sieht: Das Genre taugt noch nicht zum Humor-Hit. Mehr Facebook-Humor findet sich auf dieser Seite.

I wie Imperium

Mark Zuckerberg gilt als großer Fan antiker Geschichte, als Jugendlicher war ein großer Fan des PC-Spiels "Civilization", bei dem es darum geht, Gesellschaften aufzubauen. Kein Wunder, dass ihm schon Ähnlichkeit mit einer Skulptur auf einem antiken griechischen Sarkophag bescheinigt wurde und Vanity Fair ihn zum "Cäsaren des Internets" ausrief.

J wie Jobs

Steve Jobs gilt als eines der größten Vorbilder von Facebook-Gründer Zuckerberg, die beiden sollen zu Lebzeiten des Apple-Gründers ein beinahe freundschaftliches Verhältnis gehabt haben. Allerdings funktioniert Facebook noch nicht ganz nach den Apple-Prinzipien. Zwar lässt sich Zuckerberg wie einst Jobs kaum eine Entscheidung aus der Hand nehmen; doch die Kritik an vielen Plattform-Änderungen zeigt, dass die Devise, den Menschen etwas zu geben, von dem sie nicht wussten, dass sie es wollen, im Bereich der sozialen Netzwerke nicht zwangsläufig funktioniert. Auch das Design hat wenig von der Apple-Eleganz - es erinnert inzwischen eher an einen blauen Rübenacker.

K wie Kontrolle

Eine Blackbox mit Krakenarmen. So oder so ähnlich ist das Bild, das vielerorts von Facebook gezeichnet wird. Tatsächlich lässt das Portal den Nutzer häufig verzweifeln - wenn beispielsweise seine kompletten Status-Updates plötzlich in der Chronik auftauchen oder er feststellt, dass er nach Änderung der Facebook-Logik seinen gesamten Freundeskreis in neue Gruppen einteilen muss. Ob das Unternehmen vom Kontrollverlust der Mitglieder profitiert, weil diese dann mehr von sich preisgeben, ist umstritten. Am Ende kann Vermarktung nicht funktionieren, wenn sie auf dem Frust der Nutzer beruht.

L wie Lügen

Lügen gehören von Beginn an zur Facebook-Geschichte. Die Winklevoss-Zwillinge beschuldigten Mark Zuckerberg, ihre Idee gestohlen und sie dabei mehrmals belogen zu haben. Facebook wiederum bezeichnete die Vorwürfe eines Holzhändlers, Zuckerberg habe ihm zu Beginn der Unternehmensgeschichte einen Großteil von Facebook überschrieben, als Lüge. All das freut wiederum Anwälte, die im Laufe der Facebook-Geschichte durch solche Kontroversen ein Vermögen verdient haben dürften.

M wie Management

Zwei Menschen halten Mark Zuckerberg den Rücken frei: Sheryl Sandberg, die als Chief Operation Officer fürs Tagesgeschäft zuständig ist, sowie Finanzchef David Ebersman. Ex-Google-Frau Sandberg sorgte jüngst für Schlagzeilen, als sie öffentlich erklärte, jeden Tag pünktlich um halb sechs aus ihrem Büro zu verschwinden, um sich um ihre Familie zu kümmern. Dass sie von zu Hause arbeitet, sobald die Kinder im Bett sind, ging dabei fast unter. Ebersman gilt als klug, aber schweigsam und spielt nebenbei Bass in der Band Feedbomb, die aus aktuellen und ehemaligen Facebook-Mitarbeitern besteht. Auch hier steht er im Schatten von Zuckerberg: Sängerin Randi ist Marks Schwester.

N wie Nachrichten

Wenn die Nachricht wichtig ist, wird sie mich finden. Diese neue Regel des Informationskonsums könnte durch den Halbsatz "womöglich bei Facebook" ergänzt werden. Inzwischen machen bei Facebook gepostete Links einen nennenswerten Anteil der Reichweite von Nachrichtenportalen aus. Einige Marken wie Washington Post und Guardian bieten ihre Seiten sogar in einer Facebook-Umgebung an, damit Nutzer das Portal nicht mehr verlassen müssen und Freunde von gelesenen Artikeln erfahren. Eine Online-Welt, in der sich alles auf Facebook abspielt - ein Traum für Zuckerberg, ein Albtraum für Verfechter des freien Webs.

O wie Outsider

"Netzwerk-Effekt" nennt sich das Phänomen, dass Facebook so viele Nutzer bescherte: Irgendwann müssen sich (meist junge) Menschen dort anmelden, um mitzubekommen, was in ihrem Freundeskreis passiert. Inzwischen ist der Effekt so groß, dass Forscher unter bestimmten Bedingungen sogar 40 Prozent der Beziehungen zwischen Nichtmitgliedern voraussagen können. Das funktioniert, wenn Nutzer ihre Adressbücher hochladen - über den Abgleich der Kontaktlisten ergibt sich ein Bild, das auch entsprechende Facebook-Abstinenzler mit einschließt.

P wie Pensionäre

Wer hätte das gedacht: Durch den Börsengang verfolgen ab sofort 2,7 Millionen Schweden das Facebook-Schicksal - sie haben einem Bericht zufolge in Pensionsfonds investiert, die wiederum Facebook-Aktien kaufen.

Q wie Quellcode

Im Sommer 2007 veröffentlichte ein Blog mit Namen "Facebook Secrets" den Quellcode des Netzwerks, also aus heutiger Sicht das digitale Äquivalent zur Coca-Cola-Rezeptur. Geschadet hat es Zuckerberg und Co. offenbar nicht - bezeichnend ist, dass unter der Blog-Adresse inzwischen Tipps zum Thema Facebook-Marketing vorgestellt werden.

R wie Rahmen

Beweis für den aktuellen Hype und eine Alternative für Menschen, die beim Börsengang leer ausgehen, aber sowieso gerade umdekorieren: Eine einzelne, gerahmte Aktie als Wandschmuck. Anbieter wie giveashare.com werben schon mit den blauen Papieren - wahlweise auch mit eingravierten dummen Sprüchen wie: "Endlich werde ich für die Zeit, die ich auf Facebook verbracht habe, bezahlt."

S wie Stadion

Würde man alle angemeldeten Facebook-Mitglieder in ein Stadion packen, könnte man 11.274 Mal das Dortmunder Fußballstadion füllen. Auch Facebook hat eine eigene Arena, genannt "Hack Stadium". Dabei handelt es sich um einen kleinen Platz auf dem Campus der Firmenzentrale, auf dem Mark Zuckerberg der New York Times zufolge mit einigen Mitarbeitern abends gerne Rollhockey spielt.

T wie Tod und Trauer

Jemand stirbt. Und lebt online weiter. Das ist befremdlich: Die Fotos, die Pinnwand - kurz das gesamte Online-Erbe des Toten existiert einfach weiter. Facebook war auf diese Situation erst nicht vorbereitet: So bekamen Nutzer einen Toten etwa als Freund vorgeschlagen oder wurden an seinen Geburtstag erinnert. Seit einigen Jahren bietet Facebook den Angehörigen des Verstorbenen an, sein Profil in eine Gedenkseite umzuwandeln. Sie ist dann oft ein Ort, an dem Familie und Freunde den Toten direkt ansprechen: "Heute wäre dein Englischabitur gewesen, du hättest es super gemacht". So sieht sie aus, die Trauer online.

U wie Updates mit Folgen

Vom flüchtigen Gefängnisausbrecher, der über Facebook seine Verfolger narrt, bis hin zum Bräutigam, der noch vor dem Kuss schnell seinen Status in "verheiratet" ändert: Die Facebook-Welt ist voller Anekdoten und Status-Updates mit Konsequenzen. Die witzigsten Facebook-Momente sammelt whatthefacebook.com.

V wie Verabredungskultur

Telefon und Einladungskarten haben in vielen Fällen ausgedient. Seit Facebook sind Flashmobs, Demos und ausufernde Partys kinderleicht zu organisieren. Exemplarisch dafür ist Thessa: Sie hatte 2011 (versehentlich) öffentlich zur Geburtstagsfeier in Hamburg geladen, 1600 Gäste kamen. Dass "Facebook-Partys" in Deutschland zwischenzeitlich zum Schreckgespenst wurden, sagt wohl mehr über die Internet-Hysterie, als über ein vermeintliches gesellschaftliches Problem aus. Das hat inzwischen offenbar auch Horst Seehofer verstanden.

W wie Wohnheim

Immerhin keine Garage: In Apartment H33 des Kirkland-Wohnheims an der Elite-Uni Harvard startete Mark Zuckerberg am 4. Februar 2004 Facebook. Seine Nachmieter wussten noch nicht, an welch legendärer Stelle sie Tisch und Bett (und nicht viel mehr) stehen hatten - erst einige Jahre später wurde die Studentenbude zum ikonografischen Ort der Internet-Geschichte. Dass Harvard-Wohnheime kein schlechtes Pflaster sind, hatte bereits viele Jahre zuvor Bill Gates festgestellt, der dort Microsoft gründete.

X wie X-Factor

Es war nur ein weiterer Schritt, den Facebook im Frühjahr 2011 ging. Damals ermöglichte man es Nutzern, in der bekannten Casting-Show X-Factor bei Facebook oder mit ihrem Facebook-Konto abzuzustimmen. Das Facebook-Login ist inzwischen Teil vieler Portale - und zeigt, dass die Mitgliedschaft im Netzwerk längst als digitaler Identitätsausweis dient.

Y wie Yes-Culture

Facebook ist eine Welt, in der wir nur Dinge mögen dürfen: Der "Gefällt-mir"-Knopf passt weder auf Erdbebenvideos noch auf Todesmeldungen - doch perfekt in das Konzept des Konzerns. Denn das soziale Netzwerk soll ein positiver Ort sein, ein Königreich der Freundlichkeiten. Mehr als drei Millionen Nutzer fordern schon länger den "Dislike-Button" - einführen wird ihn Facebook nicht.

Z wie Zynga

"Farmville", "City Ville", "Mafia Wars" sind nicht nur nervende Spiele, von denen einige Freunde nie genug bekommen zu scheinen, sondern bilden auch eine Einnahmequelle für Facebook. Weil der Kauf virtueller Güter über Facebook-Credits abgewickelt wird, streicht das Unternehmen einen Teil des Umsatzes des Herstellers Zynga ein. Vom Wohl und Wehe des börsennotierten Spiele-Produzenten hängt also auch der Facebook-Erfolg ab. Zynga schrieb jüngst aufgrund von Aktien-Optionen rote Zahlen, konnte aber die Umsätze im ersten Quartal um fast ein Drittel steigern.

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