Blog "Screenshots of despair":Kurze Geschichte der digitalen Hoffnungslosigkeit

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"Du hast keine Freunde": Im Blog "Screenshots of despair" finden sich zur Verzweiflung anregende Bildschirmfotos für den Internet-Depressiven von heute. Das Huldigen der Hoffnungslosigkeit hat im Netz schon lange Tradition.

Johannes Kuhn

"Nothing is being shared": Screenshotsofdespair ist verpixelte Verzweiflung. (Foto: Screenshot: Verzweiflung)

Es herrscht mal wieder große Begeisterung über ein Tumblr-Blog im Netz, genauer gesagt über " Screenshots of despair". Computerbildschirm-Einblendungen wie "You Won Nothing" oder "No one currently likes this", ein Captcha mit "success Elsewhere" - Internet-Depressive finden hier alles, was sie zur Bestätigung ihres Weltbilds brauchen.

Demotivations- Meme haben inzwischen eine längere Tradition. Dass diese höchstwahrscheinlich in den USA begann, entbehrt weder der Logik, noch einer gewissen Ironie. Die Fülle an Motivationsbüchern und -postern dort zeugt ja bei genauerem Hinsehen vor allem von einer tiefen Unmotiviertheit im Land der vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten.

In der Wikipedia wird auf das Bild eines leeren Astes bei The Onion aus dem Jahr 1999 verwiesen. Überschrift: "Inspirational Poster Kitten Falls To Death After 17 Years" Ob dies wirklich das erste Zeugnis der Demotivationsbewegung war? Immerhin war das Usenet ja bereits Jahre zuvor DER Tummelplatz für Zyniker.

Bekenntnisse zur Demotivation sind Mainstream

Schon im Jahr 2000 sicherte sich Despair Inc. die Rechte am :-( -Smiley. Die Professionalisierung der Entmutigung begann. Die Demotivations-Poster, die inzwischen gerne per Photoshop selbst gebastelt werden, stammen meines Wissens nach ebenfalls ursprünglich von Despair Inc. Und ich gebe zu: Ich hätte mir vor ein paar Jahren beinahe mal einen Kalender aus den USA bestellt, um gegenüber den gutgelaunten Mitmenschen im Büro Flagge zu zeigen.

Als Bekenntnisse zur Demovation irgendwann Mainstream wurden (und die Poster uns furchtbar zu nerven begannen), wurde die Verzweiflung hip. Die Phase, die immer noch anhält, startete 2010 mit Unhappyhipsters.com, das schon beinahe poetisch die Tristesse des modernen Lebens zeigt (als Bildvorlagen dienen Fotos aus Architekturzeitschriften).

Die Hoffnungslosigkeit kehrt in das perfekte Medium zurück

Mit Screenshotsofdespair kehrt die Hoffnungslosigkeit jedoch endlich wieder in das Medium zurück, in das sie am besten passt. Alleine schon der tägliche Umgang mit Software und Hardware ist ja ein steter Quell des Kummers, man versuche nur ein Windows-Update unter Vista zu installieren, ein vorgegebenes Blog-Theme zu verändern oder per Time-Machine seine alte Mac-Software auf einen neuen Computer zu übertragen (Mac-Fans finden ihre persönlichen Verzweiflungsscreenshots übrigens unter dialogorrhea.com).

Mit den sozialen Netzwerken ist nochmal eine ganz neue Ebene der Einsamkeit dazugekommen, die bislang wenig beachtet wurde. Zum Mitmach-Web gehört es ja auch, dass nicht alle überall mitmachen dürfen. Bis "Status Updates of Despair" erscheint, warten wir weiterhin auf unsere Einladung für Lonerbook.

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