Doch könnten die Datenströme auch dunklen Zwecken dienen. In einer Studie warnt der Informatiker Ari Juels von der Cornell University vor dem Aufkommen von kriminellen smarten Verträgen, die also nicht für eine gefahrene Bahnstrecke, sondern für eine kriminelle Handlung virtuelles Geld überweisen. So ein kriminelles Programm könnte beispielsweise eine Belohnung für die Ermordung eines Politikers aussetzen. Ein Design würde in etwa so aussehen: Der Programmierer füttert sein Werk zunächst mit Digitalgeld und legt die Bedingung für die Auszahlung fest - zum Beispiel, dass der Auftragsmord vor einem bestimmten Datum erfolgen soll. Anschließend wartet er. Führt ein Killer den Auftrag tatsächlich aus, könnte er anschließend das Programm wie eine Internetadresse aufrufen und seine Belohnung geltend machen.
Dabei kommen weder der Auftraggeber noch der Mörder direkt miteinander in Kontakt, das Programm übernimmt die Abwicklung des Verbrechens. Da der verbrecherische Code nirgends zentral gespeichert ist, sondern dezentral auf der Blockchain liegt, lässt er sich nicht stoppen.
Vitalik Buterin glaubt nicht, dass sich kriminelle smarte Verträge vorab verhindern lassen - etwa so wie Apple eine App prüft, bevor Nutzer sie auf das iPhone laden können. "Wenn man anfängt, sich mit solchen Sachen zu beschäftigen, wird es sehr kontrovers", sagt Buterin. "Denn dann bräuchte man eine Art aktive Regierungsstelle, die entscheidet, was legitim ist und was nicht." Doch das Fehlen einer Zentralgewalt ist das Markenzeichen, das Versprechen von Bitcoin sowie Ethereum.
Die Suche nach der absoluten Freiheit
Buterin hält eine technische Lösung für besser. Kriminelle Programme benötigten stets eine Verbindung zur realen Welt, sagt Buterin. Zum Beispiel bräuchte ein Kopfgeld-Programm seriöse Nachrichtenquelle wie eine große Zeitung, um festzustellen, ob das Verbrechen tatsächlich stattgefunden hat. Buterin glaubt, im Ernstfall könnte man diese Verbindung zur Außenwelt hacken und so Kriminelle stoppen. Das allerdings würde bedeuten, dass es einer Gruppe Nerds obliegt, über Recht und Unrecht zu entscheiden, und nicht mehr Polizisten, Anwälten und Richtern.
Erste Probleme zeichnen sich bereits ab. Kürzlich wurde anonym die Entwicklung eines smarten Vertrags angekündigt, der wie ein Marktplatz funktionieren soll. Im Prinzip ein klassischer Online-Shop, außer dass der Programmcode des Shops auf der Blockchain gespeichert und damit unaufhaltsam gemacht wird. Das Projekt heißt Daemon und ist als technische Weiterentwicklung von Plattformen wie Silk Road gedacht, auf denen zum Beispiel Drogen und Waffen umgeschlagen werden. Bisherige Marktplätze kämpfen damit, dass ein Betreiber den Laden am Laufen halten muss. Fliegt er auf, geht auch sein Marktplatz unter, so geschehen im Fall von Silk Road. Doch in Form eines smarten Vertrages ließe sich die Marktplatz-Software auf der Blockchain speichern und unangreifbar machen. Mittlerweile arbeiten wohl mehrere Gruppen an solchen "dunklen Märkten".
Am Ende der anonymen Daemon-Website stand zeitweise ein Zitat von Albert Camus: "Der einzige Weg, mit einer unfreien Welt umzugehen, ist es, so absolut frei zu werden, dass deine ganze Existenz zum Akt der Rebellion wird."