Süddeutsche Zeitung

BGH-Urteil:Schadenersatz bei Internetausfall

Fällt der Internetanschluss aus, müssen Provider ihren Kunden Schadenersatz zahlen - als Ausgleich für die Einbuße an Lebensqualität. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof entschieden. Geklagt hatte ein Nutzer, dessen DSL-Anschluss mehrere Wochen lahmgelegt war.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Wer wegen eines Fehlers beim Anbieter zeitweise auf seinen Internetanschluss verzichten muss, kann eine pauschale Entschädigung verlangen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden. Erstmals hat der BGH damit einen Anspruch auf Schadensersatz für den Ausfall eines DSL-Anschlusses anerkannt, der nicht von etwaigen Zusatzkosten für den Betroffenen abhängt, sondern allein als Ausgleich für die Einbuße an Lebensqualität gedacht ist.

Die Rolle der digitalen Kommunikation wird damit höchstrichterlich auf eine Stufe mit der Bedeutung der Mobilität gestellt: Bisher werden solche Entschädigungen vor allem für den Verzicht aufs Auto gezahlt, das nach einem Unfall in die Werkstatt muss. Der Besitzer kann Ausgleich verlangen, auch wenn er keinen Mietwagen nimmt.

Im Grundsatz gewonnen

Geklagt hatte ein Kunde von 1 & 1 Internet. Ein Fehler beim Tarifwechsel führte dazu, dass der Kläger seinen DSL-Anschluss zwei Monate lang nicht nutzen konnte - womit neben dem Internet auch Telefon und Fax stillgelegt waren. 1&1 erstattete ihm zwar die Kosten für den Wechsel zu einem anderen Anbieter sowie für ein Prepaid-Handy. Doch der verärgerte Kunde verlangte zusätzlich 50 Euro Schadensersatz - pro Tag. (Az III ZR 98/12)

Zwar hat er nun im Grundsatz beim BGH gewonnen. Mit der Höhe des Ausgleichs wird sich aber zunächst das Landgericht Koblenz befassen müssen, dorthin wurde der Fall zurückverwiesen. Laut BGH muss sich der Betrag nach den marktüblichen Durchschnittskosten für einen DSL-Anschluss richten, bereinigt um die Gewinnspannen der Provider und weitere Wertfaktoren.

Bei Unfallautos gewährt der BGH für den bloßen Nutzungsausfall etwa 40 Prozent der Mietwagenkosten. Der Schadensersatz dürfte damit nur einen Bruchteil der verlangten 50 Euro pro Tag betragen. "Das ist eine sehr optimistische Schätzung", so hatte BGH-Vizepräsident Wolfgang Schlick den geforderten Betrag in der Verhandlung kommentiert.

Zudem hat der BGH das im DSL-Anschluss enthaltene Gesamtpaket bei der Ermittlung der Entschädigungshöhe erst einmal aufschnürt. Denn ersetzt wird der Ausfall nur, wenn sich "die Funktionsstörung typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt" - so lautet die etwas hölzerne Formel des BGH.

Soll heißen: Wichtige Gebrauchsgegenstände sind zu kompensieren, Luxusgüter dagegen nicht. Neben dem Auto hat der BGH Entschädigungen auch bei Wohnhäusern und Ferienwohnungen anerkannt - nicht dagegen bei Wohnmobilen oder Sportbooten, Swimmingpools oder Pelzmänteln.

Ähnlich dem Mietwagen

Für den DSL-Anschluss bedeutet dies: Für den Verzicht aufs Festnetz bekommt der Kläger hier kein Geld, weil er bereits die Kosten für ein Prepaid-Handy erstattet bekommen hat - laut BGH ein gleichwertiger Ersatz, ähnlich dem Mietwagen beim Autounfall. Und das Fax hält der BGH ohnehin für verzichtbar.

Anders ist es mit dem Internet: Weil es inzwischen die Informationsbedürfnisse von der leichten Unterhaltung über Alltagsfragen bis zu hochwissenschaftlichen Themen abdecke, präge es die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung - weshalb sich dessen Ausfall erheblich bemerkbar mache.

Der Ausgleich wird am Ende nicht sonderlich hoch zu veranschlagen sein. In vielen Fällen wird er ohnehin ganz entfallen - wenn der betroffene Kunde nämlich trotz defektem DSL-Anschluss mit seinem Tablet oder Smartphone ins Internet gehen kann. Dann ist es wie beim Auto: Wer einen Zweitwagen zur Verfügung hat, kann sich den Nutzungsausfall nicht entschädigen lassen.

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SZ vom 25.01.2013/mri
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