Grundsatzurteile zum Internet-Recht:Klagen in Deutschland lohnt sich

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Wer ist verantwortlich, wenn Internetnutzer über Beleidigungen oder Falschdarstellungen Persönlichkeitsrechte verletzen, sie ihre Internet-Seite aber im Ausland haben? Der Bundesgerichtshof und der Europäische Gerichtshof haben nun zwei Urteile gefällt, die internationalen Klagen in Deutschland den Weg frei machen.

Der ausländische Betreiber einer Internet-Seite kann für Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch seine Nutzer in Deutschland haften. Dies haben in zwei voneinander unabhängigen Urteilen der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe und der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden.

Bundesgerichtshof in Karlsruhe: Urteil im Fall des "Mallorca Blogs". (Foto: dpa)

Konkret ging es in Karlsruhe um eine Unterlassungsklage gegen den Internetkonzern Google: Der Autor des "Mallorca Blogs" hatte einem in Spanien agierenden deutschen Geschäftsmann vorgeworfen, er habe Sex-Club-Rechnungen mit der Kreditkarte des Geschäftskontos bezahlt.

Weil der Verfasser der Beiträge anonym schrieb, aber auf der Google-Plattform blogspot.com publizierte, verklagte der Geschäftsmann den amerikanischen Konzern wegen der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte.

Das Oberlandesgericht Hamburg entschied 2010 nach deutschem Recht, das Internetunternehmen sei in diesem Falle als Hostprovider dafür verantwortlich, die Verbreitung dieser Behauptung im Bereich der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern. Gegen die ausgesprochene Unterlassungsaufforderung legte Google Revision ein, scheiterte aber nun vor dem BGH.

Ist deutsches Recht überhaupt anwendbar?

Ein Punkt, den der BGH klären musste: Ist deutsches Recht überhaupt anwendbar? Immerhin hat Google seinen Sitz in Kalifornien, wo viele umstrittene Äußerungen durch die amerikanische Verfassung gedeckt sind. Das Gericht folgt hier den Vorinstanzen: Das Hamburger Gericht hatte erklärt, die Verbreitung der Beiträge sei "auch in Deutschland erfolgt", zudem habe der betroffene Geschäftsmann dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt.

Auch der EuGH kommt offenbar zu der Ansicht, die Möglichkeit, eine Seite weltweit aufzurufen, ermögliche es Klägern, in ihren Heimatländern vor Gericht zu ziehen. Mit einer aktuellen Entscheidung hat es damit Schadenersatzklagen wegen Ehrverletzungen im Internet deutlich vereinfacht.

Die höchsten EU-Richter stellten fest, wegen der "weltumspannenden Verbreitung" im Internet sei schwierig zu bestimmen, wo ein Schaden durch eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts eingetreten sei.

Deshalb sei das Gericht jenes Ortes, an dem das Opfer seinen Wohnsitz und damit den "Mittelpunkt seiner Interessen" habe, für eine Entscheidung über den gesamten im EU-Gebiet entstandenen Schaden zuständig. Das Gericht im Land des Opfers darf allerdings keine strengeren Vorschriften anwenden als sie in dem Land gelten, in dem der Herausgeber eines Internetportals ansässig ist.

Bisher waren Klagen im Wohnsitzland des Opfers zwar auch möglich. Doch konnte über den Gesamtschaden in der EU nur in dem Land entschieden werden, in dem der Herausgeber einer Publikation ansässig war. Dieser Weg bleibt künftig auch offen.

Zwei Prominenten-Klagen lösten den EuGH-Spruch aus. Ein Mann, der 1990 gemeinsam mit seinem Bruder den bekannten Münchner Volksschauspieler Walter Sedlmayr umgebracht hatte, fühlte sich in seiner Ehre verletzt. Der Mörder, 1993 zu lebenslanger Haft verurteilt und 2008 wieder in die Freiheit entlassen, wehrte sich vor einem deutschen Gericht gegen ein österreichisches Internetportal. Dort war sein voller Name genannt worden.

Die Österreicher bezweifelten die Zuständigkeit eines deutschen Gerichtes, der deutsche Bundesgerichtshof rief deswegen den EuGH an. Der französische Schauspieler Olivier Martinez klagte vor einem französischen Gericht, weil der Sunday Mirror auf seiner Webseite berichtet hatte, Martinez sei wieder mit der australischen Schlagersängerin Kylie Minogue zusammen. Die Herausgeber des Blattes bestritten, dass ein Gericht in Frankreich zuständig sei.

Nach der Entscheidung aus Luxemburg kann nun in jedem beliebigen EU-Staat ein Schaden wegen Internetveröffentlichungen geltend gemacht werden: Dann aber kann ein Gericht nur über den in dem jeweiligen Land entstandenen Schaden urteilen, nicht über den Gesamtschaden.

Auch im Mallorca-Fall gibt es eine nationale Beschränkung: Der Unterlassungsanspruch gilt nur für Deutschland. Theoretisch könnte Google nun die entsprechende Seite für Besucher sperren, die diese über deutsche IP-Adressen erreichen. Ähnlich geht die Tochterplattform YouTube bei Musikvideos vor, deren Rechte nicht geklärt sind.

Der weniger komplizierte Weg wäre, den Beitrag einfach zu löschen. Dies allerdings, so hatte Google während der Prozesse argumentiert, würde einer weltweiten Unterlassung entsprechen - und eine solche können die deutschen Gerichte nicht aussprechen.

Haftbarkeit an Bedingungen geknüpft

Der BGH hat im Google-Urteil zudem genauer erläutert (Wortlaut des Urteils hier), unter welchen Bedingungen Hoster wie Google im Falle von blogspot.com haftbar sind: So müssen diese nur tätig werden, wenn der Rechtsverstoß unschwer und ohne rechtliche Prüfung zu erkennen ist.

Wenn ein Rechtsverstoß vorliegen könnte, muss der Hoster allerdings als Richter agieren: So ist er verpflichtet, den Verantwortlichen der Seite auf die Beschwerde hinzuweisen und, wenn dieser substantielle Zweifel daran vorbringt, darüber wiederum den Beschwerdeführer zu informieren und gegebenenfalls weitere Nachweise einzufordern, bevor der Inhalt gelöscht wird. Erhält der Hoster allerdings auf den ersten Hinweis keine Antwort, kann er den Inhalt sofort löschen.

(BGH-Urteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10 / EuGH Rechtssachen C-509/09 und C-161/10 )

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