Ratgeber-Apps:Digitale Lösungen für die Partnerschaft

Wisch und weg: Warum man im Internet anders datet

Junge Menschen sollen unfähig sein, ohne Smartphone-App eine zwischenmenschliche Interaktion durchzuführen.

(Foto: dpa-tmn)

Beziehungs-Ratgeber gibt es mittlerweile auch als App. Sie heißen Lasting, Honeydue oder Happy Couple - und sagen einem, wie man Komplimente macht. Oder sich zum Abendessen verabredet.

Von Michael Moorstedt

Immer mehr junge Menschen haben Probleme, offline Beziehungen zu beginnen. Unlängst diagnostizierte das Magazin Atlantic bei der Generation der unter 30-Jährigen einen kollektiven Isolierungszwang: Die Post-Millennials seien unfähig, ohne Smartphone-App eine zwischenmenschliche Interaktion durchzuführen. Das Phänomen reiche sogar so weit, dass es mittlerweile eigene "Offline-Dating-Ratgeber" gebe. Die gab es früher auch, nur konnte man sich damals das Präfix Offline sparen. Nun gut - aber was passiert eigentlich, wenn es doch mal so weit ist? Zum Glück hat die Tech-Branche auch dafür einen Rat. Bedeutet: Nachdem man die eine App benutzt hat, um einen Partner zu finden, öffnet man das nächste Programm, das einem sagt, was man nun zu tun hat.

Inzwischen gibt es beinahe ein Dutzend Apps mit vielversprechenden Namen wie Lasting, Honeydue oder einfach nur schlicht Happy Couple, die versprechen, jeden Aspekt des Beziehungslebens kitten zu können: Die eine verspricht Gesprächsthemen, die nächste im Fall eines Streits schnell wieder zur Versöhnung beizutragen und eine weitere überrascht mit Geschenkideen und Restaurantvorschlägen anhand der Interessen und Geschmäcker des Partners. Nichts eigentlich, worauf man nicht selbst kommen könnte.

Übrigens gab es auch vor der digitalen Ära schon zwischenmenschliche Probleme

Davon ausgehend ließe sich jetzt also ein netter kulturpessimistischer Leitartikel schreiben. Die Macher liefern dafür auch prima Steilvorlagen. Ein Gründer beschreibt seine App etwa als "privates Customer-Relationship-Management". Das ist schon ein eher mechanistischer Blick auf die Dinge. Und auch in den Apps auswählbare Erinnerungsoptionen wie "Anerkennung zeigen um neun Uhr" oder "Nach dem Tag des Partners fragen um 18 Uhr" geben reichlich Munition für Häme.

Nach Meinung der Investoren ist das Geschäft mit den strauchelnden Beziehungen jedoch vor allem ein ziemlich lohnenswertes - ein Start-Up berechnet für seine App einen monatlichen Preis von knapp zehn Euro. Es ist quasi die logische Fortentwicklung einer in sich geschlossenen Verwertungskette: von der Anbahnung einer Beziehung hin zu deren Management. Vielleicht gibt es bald auch Software für das einvernehmliche Abservieren. Selbstverständlich rein datengetrieben.

Kann Technologie uns dabei helfen, ein besserer Mensch, ja sogar ein besserer Partner zu werden? Oder ist das doch nur wieder Ausdruck jenes im Silicon Valley grassierenden "Solutionism". Früher hatte man ja ein Problem, und man löste es mit einer technischen Erfindung; nun hat man die Lösung, kennt aber das Probleme nicht genau. Und überhaupt: Will man das wirklich, noch ein weiteres gesichtsloses Computerprogramm statt einfühlsamer Paartherapie? Wieder nur Zeit am Bildschirm, statt Zeit zu zweit? Noch ein weiterer Lebensaspekt, der von der Technologie durchoptimiert wird, nach Fitness, Finanzen und Produktivität? Mal ganz zu schweigen davon, dass man seinen ganz persönlichen Beziehungsfrust nicht an jede beliebige (und datentechnisch ungeschützte) App schicken sollte.

Man kann den vermeintlichen oder auch echten Trend - einige der Apps haben bereits mehrere hunderttausend Nutzer registriert - aber auch deutlich positiver deuten. Schließlich gibt es genug Menschen, die auch vor der Digitalisierung schon Probleme damit hatten, ihre Gefühlswelt zu artikulieren. Die Anreize und Hinweise dafür brauchen, auf andere zuzugehen und die eigenen Bedürfnisse zu formulieren. Doch dass das Benutzen gerade von digitaler Technologie nicht automatisch ein Eingeständnis von Mangel darstellt, dass technikvermittelte Interaktion nicht zwangsläufig von schlechterer Qualität ist, ist ja hierzulande immer noch ein Gedanke, mit dem sich viele Menschen noch anfreunden müssen.

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