Bezahlen mit dem Smartphone:Geldbeutel? Überflüssig!

Konjunkturelle Lage in Deutschland

Preise sind für Kunden oft intransparent. Davon profitieren in erster Linie die Unternehmen, kritisiert ein Verbraucherschützer.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
  • Eine Reihe deutscher Einzelhändler starten gemeinsam mit den großen Mobilfunkanbietern ein Pilotprojekt für drahtloses Bezahlen in Berlin.
  • In 500 Filialen, unter anderem von Galeria Kaufhof, Kaiser's Tengelmann, Obi, Real, Rewe und Penny, können die Kunden nun auch mit dem Smartphone bezahlen.
  • Dazu nötig ist eine Sim-Karte oder ein Aufkleber mit der Funktechnik NFC
  • Diese Systeme sind in Deutschland bereits länger verfügbar, werden von Kunden bislang aber nur spärlich genutzt.

Von Daniela Kuhr, Berlin

Theoretisch könnte alles ganz schnell gehen. Die Kassiererin zieht die kleine Stange mit fünf Ferrero Küsschen am Scanner vorbei. 1,19 Euro erscheint auf der Kassenanzeige. Der Kunde legt sein Smartphone auf das Gerät, in das er sonst seine EC-Karte stecken würde. Es macht piep - und schon hat er bezahlt. Alles innerhalb weniger Sekunden. Theoretisch, wie gesagt. Denn an diesem Mittwoch dauert es dann doch ein wenig länger. "Bitte noch mal, wir brauchen das noch mal", ruft ein junger Mann hinter einer Fernsehkamera hervor. Gemeinsam mit drei weiteren Fernsehkollegen hat er versucht, den schnellen Bezahlvorgang zu filmen. Auch die Fotografen hätten gern, dass der Kunde noch einmal bezahlt. "Und dabei bitte in unsere Richtung drehen", ruft einer.

Was das Besondere an diesem Einkauf ist? Es ist alles nur gestellt. Der Kunde ist in Wahrheit kein Kunde, sondern Mitarbeiter des Dienstleisters GS1 Germany. Er will im Moment auch gar keine Ferrero Küsschen, sondern nur zeigen, wie leicht man mit einem Smartphone bezahlen kann - jedenfalls dann, wenn man bei einem der gut 500 Einzelhändler in Berlin einkauft, die ab sofort an dem Pilotprojekt "NFC City Berlin" teilnehmen. Zwar gibt es bundesweit bereits zahlreiche Einzelhändler oder auch Tankstellen, an denen Kunden mit ihrem Smartphone und einer speziellen App bezahlen können. NFC City Berlin aber sei bundesweit die "erste Initiative, bei der große Handelskonzerne und alle Mobilfunkbetreiber Deutschlands auf einen gemeinsamen Standard für mobiles Bezahlen setzen", teilten die Initiatoren am Mittwoch mit, als der Startschuss fiel.

50 Prozent der Kunden zahlen bar, 50 Prozent mit Karte. Noch.

Hinter dem Projekt stecken etwa Galeria Kaufhof, Kaiser's Tengelmann, Obi, Real, Rewe und Penny sowie Deutsche Telekom, Telefonica Deutschland und Vodafone. "Wir wollen es den Kunden möglichst einfach machen einzukaufen", sagt Torsten Kruse, Geschäftsführer von Galeria Kaufhof am Berliner Alexanderplatz. Bislang bezahlten zwar 50 Prozent der Kunden noch bar und der Rest mit Karte. Er sei aber sicher, dass sich das Bezahlen per Smartphone "in Zukunft als sehr bequemes Zahlungsmittel durchsetzen" werde.

Im Prinzip sind nur drei Schritte nötig: Zunächst einmal stellt der Kunde sicher, dass sein Smartphone über eine NFC-fähige Sim-Karte verfügt. Bei neuen Android-Smartphones ist das regelmäßig der Fall. Bei älteren muss der Kunde lediglich zu seinem Mobilfunkanbieter gehen und um eine NFC-fähige Sim-Karte bitten. "Die bekommt er kostenlos", sagt Alfons Lösing, Vertriebschef bei Telefonica Deutschland. Besitzer von iPhones dagegen können in diesem Fall nicht mit ihrer Sim-Karte arbeiten, sondern müssen bei ihrem Mobilfunkanbieter um einen speziellen NFC-Aufkleber bitten, den sie einfach auf die Rückseite ihres Telefons kleben können.

Das ist NFC

Das Besondere an der Funktechnik NFC steckt schon in ihrem Namen, Near Field Communication. Sie ist dafür ausgelegt, Daten über sehr kurze Entfernungen zu übertragen. Höchstens zehn Zentimeter beträgt die Reichweite, meist sind es nur vier Zentimeter oder weniger. Es gibt zwei Arten von NFC-Chips, passive und aktive. Ein passiver Chip kann nur dann Daten senden, wenn er ins elektromagnetische Feld eines aktiven Chips gehalten wird. Aber auch zwei aktive Chips können miteinander kommunizieren, zum Beispiel um virtuelle Visitenkarten auszutauschen oder Zahlungsinformationen. Der größte Vorteil von NFC: Die Technik funktioniert sehr schnell, der Verbindungsaufbau dauert nur eine Zehntelsekunde. Die Sicherheit entspricht der bereits etablierter Zahlungsmethoden wie Kreditkarten. Die dort bereits verwendeten sicheren Chipmodule - secure elements genannt - werden auch bei NFC-Chips eingesetzt. Diese Chips sind bei den meisten neueren Smartphones bereits eingebaut. Auch NFC-Kreditkarten gibt es. Kleinbeträge können auch ohne Eingabe einer Pin bezahlt werden, was ein Missbrauchspotenzial birgt. Die Angreifer müssen dazu aber sehr nahe an den NFC-Chip herankommen. Helmut Martin-Jung

Als Nächstes müssen alle Smartphonebesitzer, egal ob Android oder iPhone, die jeweilige - ebenfalls kostenlose - Bezahl-App ihres Mobilfunkanbieters runterladen, die allerdings häufig auf den Smartphones schon vorinstalliert ist. Und in einem dritten Schritt schließlich müssen sie sich einmalig registrieren. Dabei kann man wählen, ob die Einkäufe vom ganz normalen Konto abgebucht werden sollen oder ob man eigens dafür ein Guthabenkonto einrichten will. Beträge unter 25 Euro können dann einfach dadurch bezahlt werden, dass der Käufer sein Smartphone kurz an das Kassenterminal hält. Für Beträge über 25 Euro muss er aus Sicherheitsgründen noch einen vierstelligen Code eingeben. Wenn er will, kann er dieses Sicherheitserfordernis auch für Beträge unter 25 Euro einrichten. Dann kann selbst für den Fall, dass das Handy verloren geht, kein Fremder damit bezahlen.

Erst ab 25 Euro müssen Kunden eine Pin eingeben

Doch was genau sollte einen Kunden an der Kasse veranlassen, lieber mit seinem Handy als mit seiner EC-Karte zu zahlen? "Die Einfachheit", sagt Frank Vahldiek, der bei Vodafone Deutschland für den Kundenservice verantwortlich ist. Bei Beträgen bis 25 Euro müsse der Kunde nicht mal eine Pin eingeben. "Es gibt kein anderes Verfahren, bei dem der unangenehmste Moment des Einkaufs, nämlich das Bezahlen, so schnell erledigt ist."

Bernd Ruschinzik, Bereichsleiter Recht und Beratung bei der Verbraucherzentrale Berlin, bleibt skeptisch. "Das größte Problem ist doch, dass es so viele verschiedene Bezahlsysteme für Smartphones gibt. Bei Edeka und Netto funktioniert es ganz anders. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sich das Bezahlen per Smartphone wirklich durchsetzt, solange die Kunden dafür lauter verschiedene Apps benötigen, je nachdem, wo sie einkaufen wollen." Außerdem durchschaue doch niemand, "welche Daten genau hier hin und her geschickt werden".

Doch die Teilnehmer des Pilotprojekts sind überzeugt, dass sich selbst in Deutschland, dem Land der Barzahler, das Bezahlen per Handy durchsetzen wird. So vieles sei selbstverständlich geworden, was man noch vor zehn Jahren für unmöglich gehalten habe. "Sie werden sehen: In den kommenden Jahren wird unser Geldbeutel immer dünner", sagt Lösing. "Immer mehr von dem, was sich derzeit im Geldbeutel befindet, wandert ins Smartphone."

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