Süddeutsche Zeitung

Bewertungsportale:Wie Online-Bewertungen entstehen - und was sie bedeuten

  • Bewertungsplattformen können die Nutzer verwirren und manchmal sogar täuschen.
  • Die Portale entscheiden selbst, welche Meinungen in die Rankings einfließen - und welche nicht.
  • Am Dienstag urteilt der BGH über die Klage einer Fitnessstudiobetreiberin gegen Yelp: Sie hält die Bewertungsprozedur für grob verzerrend.

Von Felicitas Wilke

Gesucht wird der beste Italiener der Stadt. Allein auf das Urteil von Freunden oder Restaurantkritikern verlässt sich die oder der Hungrige von heute aber längst nicht mehr - man wirft einen Blick auf die einschlägigen Bewertungsplattformen im Netz. Bei mehr als 500 Treffern erreicht das erstplatzierte Restaurant erwartungsgemäß die volle Punktzahl, doch danach wird es verwirrend: Das Lokal auf Rang sechs hat ein besseres Gesamtergebnis als der Fünfte. Und den traurigen Platz 521, fast am Ende der Rangliste, nimmt ein Lokal mit voller Punktzahl ein.

Es ist durchaus eine Errungenschaft, dass sich heute jeder von überall aus informieren kann, wie knusprig eine Pizza, wie familienfreundlich ein Arbeitgeber oder wie bequem ein Hotelbett ist. Bewertungsportale im Netz helfen vor Konsum- oder gar Lebensentscheidungen, doch genauso können sie Nutzer verwirren und manchmal sogar täuschen.

Am Dienstag verkündet nun der Bundesgerichtshof in Karlsruhe ein Urteil in einem Fall, in dem es so gelaufen sein könnte. Das Bewertungsportal Yelp lässt in die Gesamtbewertung nämlich nur die Nutzerurteile einfließen, die ein Algorithmus für hilfreich erachtet. Andere sortiert er als "nicht empfohlen" aus, was die Gesamtnote verzerren kann - und wogegen eine Fitnessstudiobetreiberin klagt. Ähnlich wie die nicht ganz triviale Suche nach dem besten Italiener stellt auch der Karlsruher Prozess die Verbraucher vor Fragen: Was steckt hinter einer Online-Bewertung? Und inwieweit ist ihr zu trauen? Ein kleiner Wegweiser.

Schaffen es überhaupt alle Bewertungen auf die Seite?

"War ok, aber nicht spitze." Solche kurzen und begrenzt aussagekräftigen Bewertungen findet man beispielsweise bei Google. Bei Tripadvisor müssen Rezensionen dagegen mindestens 200 Zeichen lang sein. Schimpfworte sind bei vielen tabu, die Plattform Kununu, über die Nutzer ihren Arbeitgeber bewerten können, achtet zudem darauf, dass keine Namen genannt werden und sich von einer Rezension nicht konkret auf eine Person schließen lässt.

Bevor eine Bewertung freigeschaltet wird, prüfen viele Portale den Text, um die Zahl von manipulierten Rezensionen gering zu halten. Dabei gehen sie unterschiedlich vor, wie schon vor knapp zwei Jahren eine Untersuchung der "Marktwächter" der Verbraucherzentrale zeigte. Manche nutzen Algorithmen, lassen auffällige Bewertungen darüber hinaus von menschlichen Mitarbeitern prüfen und ihre Nutzer merkwürdig erscheinende Inhalte melden. Doch diesen "Königsweg" beschreiten nicht alle Portale, heißt es in der Studie, für manche habe die schiere Menge an Bewertungen erste Priorität. Fest steht, dass einige Bewertungen bei vielen Anbietern von vornherein aussortiert werden. Relativ verschwiegen sind die Portale bei der Frage, wann und nach welchen Kriterien ihre Prüfalgorithmen und Mitarbeiter aussortieren. Dies zu verraten, könne den Betrügern ihr Handwerk erleichtern, heißt es dazu bei Tripadvisor.

Wie entsteht die Gesamtnote?

Eine Umfrage unter einigen großen Plattformen zeigt, dass die Gesamtnote meist dem Mittelwert aller abgegebenen und zugelassenen Rezensionen entspricht. Die Notenskala freilich unterscheidet sich je nach Plattform - mal sind fünf Kringel top, mal sind es sechs Sonnen.

Bedeutet eine sehr gute Bewertung auch einen Platz ganz vorn im Ranking?

Nicht zwingend. So kommt es auch vor, dass ein Restaurant mit einer besseren Gesamtnote in der Rangliste hinter einem Lokal mit schlechterer Note steht. "Neben der Qualität der Bewertungen fließen auch die Aktualität und die Quantität ins Ranking ein", heißt es bei Tripadvisor. Ein Restaurant mit sehr guten, aber vielen alten oder nur wenigen Testurteilen rutscht insbesondere in einer großen Stadt mit vielen Lokalen nach unten. Bei Holidaycheck sind Bewertungen, die älter als zwei Jahre sind, zwar weiterhin sichtbar, haben aber keinen Einfluss mehr aufs Ranking.

Woher weiß der Nutzer, wie die Gesamtnote und das Ranking entstehen?

Das ist gar nicht so leicht herauszufinden. Wenn Nutzer eine Bewertung schreiben, erhalten sie zwar oft Hinweise, was erlaubt ist und was nicht und wie eine aussagekräftige Rezension aussehen kann. Doch wie die Gesamtnote und die Rangliste zustande kommen, ist oft nur schwer oder gar nicht ersichtlich. Florian Stößel, Rechtsexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband, kritisiert das. Er fordert einen konkreten rechtlichen Rahmen, der vorgibt, wie eine Bewertung und ein Ranking zustande kommen. Außerdem sollten die Portale transparenter darauf hinweisen, findet er.

Doch selbst wenn Nutzer wissen, wie eine Gesamtnote errechnet wurde, können sie nie ganz sicher sein, ob einzelne Bewertungen manipuliert oder gekauft sind. Zwar gibt es Indizien, die darauf hindeuten, dass eine Rezension nicht authentisch ist - etwa viele Testurteile von Restaurants und Hotels an mehreren Orten innerhalb kurzer Zeit. Doch diese Indizien kennen natürlich auch die Algorithmen der Portale - und trotzdem können ihnen Fake-Bewertungen entgehen. Aber es muss ja auch kein Widerspruch sein, sich mithilfe von Plattformen bei der Kaufentscheidung zu orientieren und dennoch gesund misstrauisch zu bleiben

Korrektur: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass Rezensionen bei Tripadvisor mindestens 200 Wörter lang sein müssen. Das ist nicht korrekt, sie müssen 200 Zeichen lang sein. Wir haben den Fehler im Text korrigiert.

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SZ vom 13.01.2020/evg
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