Zu der Agentur kam er über Bekannte. Am Anfang lud die Firma die Freelancer zur Schulung ins Büro ein, dort mussten sie sogar einen "Ethikkurs" absolvieren. "Es war schon das Credo: Wir machen keine anderen Unternehmen runter", erinnert sich Benjamin. Einige der Produkte, über die er schrieb, bekam der Student tatsächlich zugesandt. Und der charismatische Geschäftsführer habe immer wieder betont, dass die Freelancer nicht lügen sollten.
"Alles Humbug", sagt Benjamin heute. So bekam er zum Beispiel mit, dass andere Leute aus der Branche gezielt falsche Bewertungen auf Verkaufsportalen abgaben, zum Beispiel für die Kameras eines Elektronikherstellers.
Er selbst habe sich zunehmend unwohl gefühlt mit seinem Nebenjob, sagt Benjamin. Aber als er nur noch dezent in Diskussionen eingriff, bekam er Ärger mit der Agentur. Schließlich stand diese selbst unter Druck: "Der Kunde macht die Agentur verantwortlich, wenn etwas nicht so gut läuft."
Gefälschte Erfahrungsberichte und Bewertungen zu Produkten sind Schleichwerbung, sagt Michaela Zinke vom vzbv. "Die ist nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verboten". Man könnte also gegen Firmen, die Bewertungen fälschen, Unterlassungsklagen einreichen. Allerdings sei der Nachweis, dass gefälschte Inhalte in Umlauf gebracht wurden, schwer zu erbringen. Schließlich haben Betreiber von Webseiten oft nur die IP der Freelancer - und die führt oft in eine Studenten-WG.
Online-Shops setzen auf Algorithmen, die verdächtige Beiträge identifizieren sollen
Zumal es die Agenturen verstehen, entsprechend zu reagieren, wenn jemand Verdacht schöpft. Einmal etwa habe sich ein Kollege in einem Familienforum "total beknackt" angestellt und sehr plump Werbung gemacht, erzählt Benjamin. Daraufhin wären andere Nutzer misstrauisch geworden.
"In so einem Fall geht eine Mail rum, dass man sich erst einmal zurückziehen soll aus dem Forum", sagt Benjamin. Oder aber andere Scheinidentitäten der Agentur werden aktiviert und versuchen, das Misstrauen wieder zu zerstreuen.
Gerade bei Verkaufsportalen mussten die Freelancer generell vorsichtig sein. Die Online-Shops setzen mittlerweile auf Mitarbeiter und Algorithmen, um verdächtige Beiträge zu identifizieren - etwa, wenn ein Nutzer viele Bewertungen in kurzer Zeit abgibt, oder auffällige Sprache verwendet. "Die Portalbetreiber investieren in der Regel schon viel Geld, um dem Problem Herr zu werden", sagt Michaela Zinke.
Viele merken nicht, dass sie einem Auftragsschreiber auf den Leim gehen
Dennoch könnten sie den Kunden noch weiter entgegenkommen, findet sie. Bewertungen sollten beispielsweise nach dem Datum sortierbar sein. So können misstrauische Nutzer sehen, wenn von einem Account aus innerhalb kurzer Zeit sehr viele Bewertungen zu unterschiedlichen Produkten abgegeben wurden. Zinke rät auch, verschiedene Portale heranzuziehen. Mitunter fänden sich auf verschiedenen Webseiten fast identische Bewertungen - ein klares Indiz, dass hier ein Auftragsschreiber am Werk war.
"Grundsätzlich überwiegen bei Verbraucherportalen noch die Vorteile", findet sie. Bei den Verbraucherzentralen bekämen sie jedenfalls kaum Beschwerden wegen falscher Bewertungen im Netz. Vermutlich auch, weil die Menschen oft gar nicht merkten, dass sie einem Auftragsschreiber auf den Leim gegangen sind. Schließlich empfinden Kunden Bewertungen ja oft als etwas sehr Subjektives.
Benjamin sieht das kritischer. Er habe zwar gelernt, falsche Inhalte besser zu erkennen, sagt er. Aber ganz sicher könne man sich nie sein. "Für alle, die sich auf das Internet verlassen, ist das schon übel." Nur mit einer drastischen Lösung könnte man die Lügen wieder aus dem Netz bekommen, findet er: "Man müsste das Internet mal löschen."
* Name von der Redaktion geändert