Beugehaft gegen Portalbetreiber:Meinungsfreiheit in Gefahr

Tausende berichten auf Bewertungsportalen von ihren Erfahrungen im Krankenhaus oder im Pauschalurlaub. Doch online die Meinung zu sagen, könnte riskant werden. Ein Gericht hat jetzt Beugehaft gegen einen Foren-Betreiber verhängt, weil der die Daten eines Autors nicht herausrücken wollte. Das wirft die Frage auf, ab wann ein Mensch ein Journalist ist.

Von Johannes Boie

Die allermeisten Fehler auf dieser Welt wurden schon einmal von jemand anderem gemacht. Deshalb informieren sich Menschen im Netz, bevor sie beispielsweise einen neuen Arzt suchen oder ein Seminar an der Uni belegen. Auf Bewertungsportalen berichten Nutzer von ihren Erfahrungen im Krankenhaus oder im Pauschalurlaub. Tausende schreiben jeden Tag in Deutschland Bewertungen, und Millionen andere orientieren sich daran.

Doch jetzt hat das Amtsgericht Duisburg gegen einen Mitarbeiter der Webseite klinikbewertungen.de fünf Tage Beugehaft verhängt. Der Mann weigert sich, dem Gericht bei der Aufklärung in einem Strafverfahren zu helfen. Er beruft sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht für Presseorgane. Das Gericht spricht dem Mann dieses Recht ab, weil es ihn nicht für einen Journalisten hält. Setzt sich die Sichtweise durch, wird es für alle Nutzer riskanter, auf Bewertungsseiten zu schreiben.

Eine Therapeutin der Rehaklinik Bad Hamm, die sich durch eine Bewertung auf dem Portal beleidigt fühlt, erstattete Anzeige gegen den Autor der Bewertung, der unter einem Alias-Namen schrieb. Deshalb können ihn die Ermittlungsbehörden kaum ohne die Hilfe des Seitenbetreibers finden. Nur er hat die Daten, mit denen sich ermitteln lässt, welcher reale Mensch hinter welcher Bewertung steckt.

Es geht darum, wann ein Mensch ein Journalist ist

Zur Argumentation des Mitarbeiters, als Journalist nicht aussagen zu müssen, schreibt das Gericht in einem Beschluss: "Ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht (...) nicht", denn "die bloße Einstellung eines fremden Textes" reiche dafür nicht aus, es liege "keine redaktionell aufbereitete Information vor".

Im Raum steht also die Frage: Ab wann ist ein Mensch ein Journalist? Welche Kriterien muss eine Arbeit erfüllen, damit sich derjenige, der sie ausübt, darauf verlassen kann, vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen zu können? Was gilt für Blogger? Was für Betreiber von Internetforen?

Die Grenzen sind fließend: So übernimmt auch ein Forenbetreiber journalistische Tätigkeiten wie etwa das Gewichten von Texten, die andere geschrieben haben. Und es gehört schon immer zum klassischen Redakteursberuf, die Texte Dritter zu veröffentlichen, nicht nur online, sondern auch in Zeitungen. Bislang ist das in Deutschland nicht geklärt. Genau das könnte sich jetzt ändern. Der Mitarbeiter von klinikbewertungen.de hat gegen den Beschluss, in Beugehaft zu müssen, Verfassungsbeschwerde erhoben.

Die Entscheidung wird nicht nur Seitenbetreiber und Blogger betreffen, sondern auch alle, die in Bewertungsportalen ihre Meinung von sich geben. Setzt sich das Amtsgericht Duisburg mit seiner Sichtweise durch, genießen all die vermeintlich anonymen Autoren nicht mehr den Schutz, auf einer journalistischen Webseite zu schreiben. Wird gegen sie Anzeige erhoben, müssten die Betreiber der jeweiligen Webseite ohne Wenn und Aber die Daten herausgeben, die direkt zum Autoren führen. Das könnte irgendwann dazu führen, dass viele Internetnutzer sich nicht mehr öffentlich äußern und lieber darauf warten, dass andere beschreiben, welche Fehler oder Erfahrungen sie gemacht haben.

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